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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutscher Sprachverein

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Deutsche Litteratur - Deutscher Sprachverein.

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Deutsche Litteratur'

Anmerkung: Fortsetzung von [Geschichtliche und Biographische Litteratur.]

Publikums weit über die musikalischen Kreise hinaus. Anschaulich, so bedeutend als liebenswürdig sind die »Briefe aus Italien« von Julius Schnorr v. Carolsfeld, die in die römisch-deutsche Künstlerkolonie des zweiten und dritten Jahrzehnts unsers Jahrhunderts zurückversetzen. Eine Natur und ein Frauenleben von ungewöhnlicher Vorzüglichkeit erschließen die in dem Buch »Emma Förster« gesammelten Briefe der Tochter Jean Pauls. Nach Inhalt und Reiz der Form gleich wertvoll ist der »Briefwechsel der Bildhauer Fr. Rauch und Ernst Rietschel«, herausgegeben von Karl Eggers, der auch »Rauch und Goethe, urkundliche Mitteilungen« veröffentlichte. Die »Reisebriefe K. M. v. Webers an seine Gattin« waren zum größern Teil schon in der Weber-Biographie von M. M. v. Weber mitgeteilt. Als völlig neu erschienen die »Briefe zwischen Mendelssohn und Moscheles«, »Ferdin. David und die Familie Mendelssohn«. Der »Briefwechsel und die Tagebuchblätter« von Arnold Ruge, das durch seine brieflichen Mitteilungen allein wichtige Buch »Zeit und Menschen« von Feod. Wehl, auch das zu einem vollen Lebensbild ausgestaltete, aber durch Tagebuchblätter und Briefe gehaltreiche Buch »Aus dem Leben der Dichterin Amalie v. Helvig« von Henriette v. Bissing nähern sich schon mehr der ungeheuern Anzahl von Werken, die durch ihren Stoff, durch Mitteilung von Material ein gewisses Interesse beanspruchen, ohne der höhern Forderung in sich geschlossener künstlerisch reifer Darstellung zu genügen. Auf dem Gebiet der litterarischen Biographie sind eine Reihe von Werken zu verzeichnen, die diesem Ideal besser entsprechen. Das klassische biographische Werk »Herder« von R. Haym gelangte mit seinem zweiten Teil zum erfreulichsten Abschluß. Erich Schmidts »Lessing«, Franz Munckers »Klopstock« und ganz neuerdings Paul Herrlichs umfassende Biographie »Jean Paul« legten nicht bloß vom rühmlichen Forscherfleiß, sondern auch von Geschmack und Darstellungskunst ihrer Verfasser Zeugnis ab. Schiller erhielt in O. Brahm, R. Weltrich, E. Minor neue Biographen; Goethes Leben und Dichten ward von dem Jesuiten A. Baumgartner in das Licht einer Auffassung gerückt, nach der es überhaupt eine Todsünde ist, der römischen Kirche und ihrer Weltanschauung nicht gedient zu haben. Aus der sonstigen biographischen Litteratur über Goethe sind die »Abhandlungen zu Goethes Leben und Werken« von H. Düntzer, »Goethe in der Epoche seiner Vollendung« von O. Harnack und die neuen »Goethestudien« von V. Hehn hervorzuheben. Der Geschichte der klassischen und romantischen Periode der deutschen Litteratur gehörten auch »Salomon Geßner« von Heinr. Wölfflin, »Chr. Fr. Daniel Schubart« von Hauff, »Wieland und Reinhold« von R. Keil, »J. Gaudenz von Salis-Seewis« von Ad. Frey, »G. L. Kosegarten« von L. ^[richtig: H.] Franck, »Novalis' Leben, Dichten und Denken« von Schubart an. Unter den Biographien neuerer Dichter war die des allbeliebten J. V. v. Scheffel von Johannes Prölß, obwohl durch die Aufnahme unverarbeiteten Materials allzusehr in die Breite gezogen, die eingehendste und liebevollste. Durch eine biographische Meisterleistung erhielt Friedr. Althaus das Gedächtnis seines früh verschiedenen Bruders, des Dichters und Publizisten Theodor Althaus. Auch »Emanuel Geibel« von Litzmann, »Heine« von R. Prölß, »Annette v. Droste-Hülshoff« von Hüffer, »Ottilie Wildermuths Leben« von ihren Töchtern Agnes Willms und Adelheid Wildermuth, »Theod. Storm« von Schütze sind hier zu nennen. Biographien hervorragender Gelehrten ↔ waren »H. W. J. Thiersch' Leben« von P. Wigand (mit interessanten autobiographischen Mitteilungen), »Rich. Lepsius« von G. Ebers, »Hermann Hettner« von Ad. Stern. Von deutschen Biographien ausländischer Dichter und Denker kam das große biographische Buch »Frau v. Staël« der Lady Blennerhasset (gebornen Gräfin Leyden) zum Abschluß. Das Buch über »L. Holberg und seine Zeitgenossen« von Georg Brandes und das über »Beaumarchais« von A. Bettelheim erregten mit Recht die Teilnahme litterarischer Kreise. Von R. Marenchoiß erschienen zwei Bücher über »Voltaire« und »J. J. Rousseau«, von W. Kreiten (»Mitglied der Gesellschaft Jesu«) Biographien von Voltaire und Moliere, von dem Ultramontanen Sebastian Brunner ein warm geschriebenes christliches Lebensbild aus dem 13. Jahrh.: »Fra Jacopone da Todi«, von H. Conrad eine interessante Studie: »W. M. Thackeray« und eine andre über »G. Eliot«. Endlich ist auch die ursprünglich englisch geschriebene Chopin-Biographie unsers Landsmannes F. Niecks zu erwähnen, die in W. Langhans einen Übersetzer fand. Unter den zahlreichen Essays sei der »Zwölf Bilder aus dem Leben«, der letzten Veröffentlichung Fanny Lewalds, gedacht.

*Deutscher Sprachverein, Allgemeiner. Das gesteigerte Selbstbewußtsein des deutschen Volkes im neuen Reich hat seit der Gründung des letztern vielfach den Wunsch angeregt, daß die hergestellte Einheit auch der Pflege der gemeinsamen Sprache zu gute kommen möge. Nachdem das Bestreben, zunächst eine gemeingültige, folgerechte Rechtschreibung herzustellen, mit einem unleugbar erfreulichen Fortschritt vorläufig abgeschlossen, hat sich die allgemeine Aufmerksamkeit in den letzten Jahren namentlich der Reinheit der Sprache zugewandt, die durch mangelnde Einsicht, Nachlässigkeit und Modethorheit in der That oft unbillig hintangesetzt und durch Einmischung zahlloser Fremdwörter getrübt wird. Nachdem einzelne leitende Männer im öffentlichen Dienst, zumeist der Reichspostmeister v. Stephan, innerhalb ihres Kreises in diesem Sinn vorzugehen begonnen hatten, gelang es dem Museumsdirektor H. Riegel zu Braunschweig, mit zwei kleinen Schriften: »Ein Hauptstück von unsrer Muttersprache« (Leipz. 1885) und »Der Allgemeine Deutsche Sprachverein« (Heilbr. 1885), die Bewegung in festere Bahnen zu leiten. Der vorgeschlagene Verein trat im August 1885 ins Leben und konnte unter lebhafter Beteiligung schon 1887 in Dresden u. 1888 in Kassel seine Jahresversammlungen halten. Der Verein verfolgt nach §1 der Satzungen den Zweck: »a) die Reinigung der deutschen Sprache von unnötigen fremden Bestandteilen zu fördern, b) die Erhaltung und Wiederherstellung des echten Geistes und eigentümlichen Wesens der deutschen Sprache zu pflegen und c) auf diese Weise das allgemeine nationale Bewußtsein im deutschen Volk zu kräftigen«. Durch Begründung von Zweigvereinen, öffentliche Versammlungen, Entsendung von Wanderrednern, Preisaufgaben, namentlich aber durch Herausgabe einer Vereinszeitschrift (seit 1886) wußte der Verein ein reges Leben zu erhalten. Anfang 1890 bestanden 147 Zweigvereine (darunter 20 in Österreich) mit 12,000 Mitgliedern. Neben diesem äußern Erfolg hat der Gesamtverein eine Reihe von Zustimmungserklärungen seitens hervorragender Männer, Körperschaften und Behörden (unter andern des Reichspostmeisters und des preußischen Kultusministers v. Goßler) zu verzeichnen. Aber auch an Widerspruch und Bedenken hat es nicht gefehlt. Aufsehen erregte zunächst der Angriff des inzwischen verstorbenen Tübinger Uni-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 230.