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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Deutsch-Ostafrika (Bevölkerung, Kultur).

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Deutsch-Ostafrika'

Anmerkung: Fortsetzung von [Physische Verhältnisse, Naturerzeugnisse.]

palmenwaldungen begrenzen den Meeresstrand, neben ihnen findet sich die Arekapalme, die ostindische Palme; bis an den mittlern Lauf der großen Flüsse geht die Mikanapalme. Dichte Waldungen von Flaschenbäumen, Tamarinden, Melonenbäumen, wilden Maulbeerbäumen, bittern Orangen, Mangobäumen, Acajoubäumen bedecken die Höhen; ein Hauptnahrungsmittel bietet die Kassawa, Zuckerrohr wächst wild, ebenso in trefflicher Qualität die Baumwolle. Einen wichtigen Handelsartikel bildet der Kopal von dem Kopalbaum, wild wachsende und kultivierte Ölpalmen liefern Öl für die Ausfuhr nach Indien. Man baut Sorghum, Kürbisse, Erbsen, Maniok, Bananen, Sesam. Die Tierwelt ist die Mittelafrikas überhaupt. Affen, besonders Paviane und Meerkatzen, beleben die Wälder; Löwen sind selten, dagegen Leoparden, Hyänen, Schakale häufig, ebenso Rhinozerosse, Flußpferde, wilde Büffel, Schweine; Antilopenarten, Giraffen, Zebras, Quaggas und wilde Esel schweifen über die Ebenen des Innern, Krokodile finden sich in allen Seen und Flüssen. Auch der Elefant ist an den Seen Zentralafrikas nicht selten. Die Zibetkatze wird in manchen Gegenden zahm gehalten. Auch an Vögeln und Fischen ist das Land reich. An den Küsten wird die im ganzen Sudán als Geld dienende Kaurimuschel in großen Mengen gesammelt. Zahlreich sind Ameisen und Termiten; in manchen Teilen kommt auch die Tsetsefliege vor. AIs Haustiere hält man Rinder, Ziegen. Schafe und Esel.

Bevölkerungsverhältnisse, Kultur.

Die Bevölkerung tritt hier in so mannigfachen Verhältnissen auf, daß sie kaum von der einer andern Kontinentalgegend übertroffen werden möchte. Wir haben hier vornehmlich drei Völkerelemente zu unterscheiden: die Handelsaraber, die Krieger- und Nomadenvölker der schwarzen Rasse, endlich die Beute der beiden erstern, die Schwarzen des ostafrikanischen Terrassenlandes und Binnenseegebiets. Araber haben sich unter den einheimischen Stämmen schon seit Jahrhunderten niedergelassen, zuerst an der Küste, dann sind sie weiter und weiter nach W. vorgedrungen, so daß man sie jetzt überall in den wichtigen Handelsplätzen bis zu den großen Seen und darüber hinaus antrifft. Sie stammen aus Südarabien, haben sich aber mit der einheimischen Bevölkerung stark vermischt und sind jetzt durch das Klima, die Bequemlichkeit des Sklavenhaltens und die Vielweiberei verkommen. In den Küstenplätzen wohnen zahlreiche Hindu, Banianen von Kutsch und Dschamnaggar und die mohammedanischen Sekten der Khodscha und Bora von Kutsch, Surat und Bombay, meist schlaue Händler und Geldausleiher, welche es verstanden haben, sich Wohlstand und oft großen Reichtum auf Kosten der übrigen Bevölkerung zu erwerben. Die räuberischen Kriegervölker sind von N. und S. her eingedrungen. Von N. die jetzt zwischen Kilima Ndscharo und Ukerewe hausenden Massai, ausgesprochene Viehzüchter und dabei gefährliche Räuber, denen ihre Rinder alles liefern, was sie zum Leben brauchen. Während diese Massai zu den zwischen mittelländischen Hamiten und Negern stehenden Nubavölkern gehören, sind die von S. her eingedrungenen Raubvolker Zuluneger, also Bantu. Die zu ihnen gehörigen Watuta drangen am Ostufer des Tanganjika aufwärts und von dort nach Uniamwesi, wo sie ein Reich gründeten. Ein andres dieser Raubkriegervölker sind die Yao, welche in den jüngsten Aufständen ein ganzes Heer Bewaffneter an die Küste nach Lindi und Mikindani sowie nach dem benachbarten portugiesischen Gebiet entsandten. In den ↔ Küstenlandschaften vom Kap Delgado im S. bis zu den Ansiedelungen der Somal im N. wohnen die Suaheli, welche die Portugiesen schon um 1500 hier antrafen, eine stark mit arabischem Blut vermischte Händler und Trägerbevölkerung, welche im Dienste der arabischen und indischen Händler und für sich weit ins Innere hinein ihrem Verkehrserwerb nach geht und dem halben Äquatorialafrika ihre Sprache (das Kisuaheli) aufgedrängt hat. Endlich haben wir hier noch die eigentlichen einheimischen, zu den östlichen Bantu gehörigen Völkerschaften, welche von Arabern und Hindu wie von jenen Räubervölkern ausgebeutet werden. Es sind dies die Wasagara in Usagara, die Wasambara in Nsambara und sne Wanika nördlich von den letztern. Die Wagogo wohnen in Ugogo und die Waheho zwischen Usagara und Ugogo. Es sind meist wohlgebildete, mittelgroße Gestalten von brauner bis schwarzer Hautfarbe Am Kilima Ndscharo treiben die Dschagga schon mit viel Verständnis Ackerbau und ziehen selbst Erbsen und Bohnen.

Die Religion der Suaheli an der Küste ist der Islam, der ihnen von den Arabern gebracht wurde, obschon sie wenig mehr als das Zeremoniell gelernt haben. Durch arabische Handelsleute ist der Islam weiter ins Innere getragen worden und noch in steter Ausdehnung begriffen. Im übrigen sind die Völker dieses Gebiets Heiden, ohne aber zu klaren Vorstellungen über die von ihnen verehrten Gottheiten gekommen zu sein. Bei allen herrscht viel Aberglaube: Zauberei, Regenmacherei, Hexerei; bei den Mangandscha und Maravi sind Gottesurteile im Gebrauch, die Manika opfern auf den Gräbern ihrer Vorfahren. Viele Stämme, auch die heidnischen, üben die Beschneidung. Auf den Frauen ruht fast die ganze Last der Arbeit: Feldbau, häusliche Arbeit, bei einigen Stämmen selbst der Häuserbau. Vielweiberei ist gewöhnlich; die Frau wird von den Eltern derselben gekauft, bei den Wakamba muß sie außerdem noch geraubt werden.

Die Mission hat in diesem Gebiet schon seit vielen Jahren gearbeitet. Namentlich sind die Engländer hier thätig gewesen. Sechs englische protestantische Missionsgesellschaften haben 25 Stationen gegründet, auf denen bis vor kurzem 83 europäische und 46 eingeborne Gehilfen wirkten; die Zahl der gesammelten Christen betrug 1887 allerdings nur 1259, die der Kommunikanten 327 und dies bei einer Ausgabe von 810,599 Mk. Auch französische katholische Missionäre arbeiten schon seit Jahren an der Bekehrung der Eingebornen. Nach der Besitzergreifung des Landes durch Deutschland bildete sich auch in Berlin eine Missionsgesellschaft für Ostafrika, deren erste Station sich in Dar es Salam befindet, während ein Krankenhaus auf der Insel Sansibar errichtet wurde. Durch den unter Leitung der arabischen Händler an der Küste ausgebrochenen Aufstand ist auch das Missionswerk ernstlich gefährdet worden; mehrere Missionäre wurden ermordet, andre erst nach Zahlung eines Lösegeldes aus der Gefangenschaft befreit.

Ackerbau und Viehzucht sind schon seit langer Zeit in Ostafrika eingeführt worden, besonders werden schöne Rinder und Fettschwanzschafe gezogen. Der Reis hat bereits außerordentliche Verbreitung, Bienenzucht wird eifrig betrieben, Tomaten, verschiedene Melonenarten und gute Hülsenfrüchte werden gezogen. Auch Plantagenbau ist schon seit längerer Zeit durch die Araber betrieben worden, vor allem werden Kokospalmen in ungeheuern Mengen gebaut, während die Kultur von Gewürznelken nur auf den

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 244.