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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Eisenbahnbau (Heizung der Personenwagen)

lenziegeln geheizt wird und mit geschlossenen Kanälen umgeben ist. Die diesen durch Luftfänger zugeführte Luft erhitzt sich an den Ofenwandungen und Rauchkanälen und steigt in besondern Leitungen in den Wagen auf, wobei die Ausströmung der warmen Luft unter den Bänken stattfindet. Die verbreitetste Heizung dieser Art ist die sogen. Schweizerheizung nach dem System Macy-Pape. Die Vorzüge der Luftheizung sind: stetiger Luftwechsel im Wagen, Regulierbarkeit des Zutritts der warmen Luft und Verminderung der Feuersgefahr infolge der geschütztern Lage der Öfen. Dagegen sind als schwer wiegende Fehler der bisherigen Konstruktionen zu nennen: ungenügende Erwärmung bei starkem Frost infolge unzulänglicher Größe der Rost- und Heizfläche, beträchtlicher Wärmeverluste und zu langsamer Bewegung in den Leitungen, ungleichmäßige Verteilung der Wärme in den einzelnen Koupees infolge des Bestrebens der Luft, möglichst senkrecht aufzusteigen. Zu erwarten ist eine Vervollkommnung der Luftheizung in dem Grade, daß ihre Anwendung für Nebenbahnen an Stelle der unvollkommenen Ofenheizung und der zwar befriedigend wirkenden, aber sehr teuern Preßkohlenheizung in Aussicht genommen werden kann. Die Preßkohlenheizung beruht auf der Erwärmung durch im Wageninnern (gewöhnlich unter den Sitzen) liegende und von außen zu beschickende eiserne Heizrohre, wobei als Heizmaterial eine besonders präparierte Preßkohle (ein durch ein organisches Bindemittel vereinigtes Gemisch von Holzkohlenpulver u. Salpeter dient. Die Zuführung der Verbrennungsluft erfolgt durch die an der Außenseite des Wagens liegende Einschiebethür, die Abführung der Rauchgase entweder ebendaselbst oder durch ein besonderes Rauchrohr. Die Preßkohlenheizung eignet sich nur für Wagen mit querliegenden Sitzen. Sie gestattet, bei genügender Größe der Heizfläche eine für alle Fälle ausreichende Wärmemenge aufzuspeichern, und läßt die erwärmte Luft unmittelbar über dem Fußboden zwischen den Sitzen einströmen, während sie gegenüber der Dampfheizung den Vorteil der Einzelheizung hat. Dagegen bestehen ihre Schwächen im Vergleich zur Dampfheizung in geringerer Feuersicherheit, Mangel an Sicherheit gegen übermäßige Erhitzung der Heizkörper und deren Folgen (Ansengen der Sitze, Staubverbrennung, üble Gerüche), Schwierigkeit der Regulierung, im Vergleich zu allen übrigen Heizungsarten in dem Erfordernis eines besondern, mit gewissen Vorsichtsmaßregeln aufzubewahrenden und nur nach umständlichen Vorbereitungen zu verwendenden Brennmaterials und in den hohen Betriebskosten. Die Gasheizung ist nur vereinzelt und zwar als Zentralheizung durch den ganzen Zug ausgeführt. Dieselbe ist umständlich, kostspielig, nicht ungefährlich und erschwerend für den Betrieb, daher für allgemeine Verwendung nicht geeignet. Die Warmwasserheizung ist in Europa nur selten im Gebrauch, dagegen in Amerika sehr verbreitet, besonders nach Bakers System. Ein innerhalb oder außerhalb jedes Wagens untergebrachter Ofen enthält eine Wasserheizschlange, von welcher aus das Wasser in einem Rohr nach einem auf dem Wagendach liegenden Expansionsgefäß aufsteigt, um sich von da aus in die Heizrohre zu verteilen, deren Leitung mit stetigem Gefälle (eine Hauptbedingung für die regelmäßige Wasserzirkulation) nach dem Ofen zurückführt. Die Warmwasserheizung gibt eine hinreichende, gleichmäßige und angenehme Erwärmung ohne Luftverschlechterung, beansprucht jedoch bei großem Gewicht einen großen Raum für ihre Unterbringung und eine sehr aufmerksame Bedienung, ist auch ebenso feuergefährlich wie die Ofenheizung. Deshalb wird sie allmählich durch die Dampfheizung ersetzt. Die Dampfheizung ist die einzige bis jetzt mit Erfolg angewendete Form der Zentralheizung. Die Dampfentnahme findet jetzt allgemein von der Lokomotive statt, die Aufstellung besonderer Kessel in der Mitte des Zugs hat sich nicht bewährt. Der der Lokomotive entnommene Dampf wird, nachdem sein Druck durch ein Reduktionsventil oder einfacher durch einen Drosselhahn auf 2 bis höchstens 3 Atmosphären reduziert ist, durch eine unter dem ganzen Zug hingehende Leitung geführt, von welcher aus er in die unmittelbar über dem Fußboden der Wagen, und zwar bei Sitzwagen unter den Sitzen, angebrachten Heizkörper aus geschweißten oder gelöteten Rohren gelangt. Durch Hähne kann der Dampfzutritt zu den Heizkörpern, also auch die Temperatur im Wagen, geregelt werden. Die Kuppelung der Leitungsrohre von Wagen zu Wagen erfolgt meist durch Gummischläuche mittels einheitlich durchgeführter Verbindungsstücke. Das in den tiefsten Punkten dieser Verbindungsschläuche sich ansammelnde Kondensationswasser wird mittels gewöhnlicher Hähne oder selbstthätig wirkender Ventile abgelassen. Am Schluß des letzten Wagens wird ein Schlußhahn eingesetzt, welcher während der Fahrt so weit geöffnet bleibt, daß außer dem Kondensationswasser ein schwacher Dampfstrahl ausgeblasen wird, um einen regelmäßigen Dampfzufluß zu den Heizkörpern zu sichern. Die Dampfheizung hat schätzenswerte Vorzüge. Es läßt sich mit ihr bei nicht allzu langen Zügen eine durchweg gleichmäßige und auch bei starkem Frost vollkommen genügende Erwärmung der Wagenräume ohne Belästigung der Reisenden durch strahlende Wärme und übelriechende Dünste sowie ein rascher Ersatz bei starken Wärmeverlusten erzielen. Die ganze Heizeinrichtung läßt sich überall bequem einbauen und ist vor allen Dingen vollkommen feuersicher. Dagegen erfordert die Dampfheizung die möglichst einheitliche Durchführung dieses Heizsystems und eine sorgfältige Wartung und Instandhaltung, sie vermindert die Leistungsfähigkeit der Lokomotivkessel zuungunsten ihrer eigentlichen Aufgabe, indem sie bis zu 10 Proz. seiner Gesamtleistung für Heizzwecke beansprucht, die Wärmeverluste durch Abkühlung in den Leitungen sind sehr beträchtlich, die ungeschützt liegenden Hähne und Ventile sind dem Einfrieren oder dem Festsetzen infolge von Kesselsteinansätzen ausgesetzt, das Anheizen geht, besonders bei langen Zügen, langsam vor sich.

Das zuweilen vorkommende Platzen der Kuppelungsschläuche ist nicht von Belang, weil durch stets mitgeführte Reserveschläuche schnell Ersatz geschaffen werden kann. Zur Beseitigung der angeführten Mängel sind eine große Zahl von Vorschlägen aufgetaucht und zum Teil auch ausgeführt worden. Bei den meisten derselben ist jedoch die Beseitigung bestimmter Übelstände durch die Aufgabe gewisser Vorzüge der Dampfheizung erkauft worden. Deshalb sind z. B. die auf die Beschleunigung des Anheizens abzielenden selbstthätigen Vorrichtungen meist wieder abgeworfen worden. Bewährt hat sich für diesen Zweck nur die Anbringung einfacher, von Hand zu bewegender Hähne im höchsten Punkte der Heizkörper, welche beim Anheizen zwecks Entweichung der die Erwärmung verzögernden eingeschlossenen Luft so lange offen gehalten werden, bis Dampf ausströmt. Behufs Verminderung der Wärmeverluste sucht man die außerhalb der Wagen liegenden Leitungsrohre durch Umhüllung mit schlechten Wärmeleitern mög-