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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Erdbeben (mikroseismische Störungen, Seebeben)
licher geodätischerund astronomischer Instrumente ist zuerst die Aufmerksamkeitaufdieseleisen, vibrierenden Schwingungen gelenkt worden. George und Horace Darwin fanden bei ihren Beobachtungen, welche sie im Cavendish-Laboratorium zu Cambridge anstellten, um die regelmäßigen Variationen in der Richtung der Schwerkraft aufzufinden, daß es unmöglich sei, die mikroseismischen Schwingungen von denen zu trennen, welche von der Anziehung des Mondes herrührten. Das Ergebnis ihrer Untersuchungen war, daß der Boden, auf dem wir leben, sich in unaufhörlichen leisen Vibrationen befindet. Am besten sind wir durch Bertelli und de Nossi mit dem mitroseismischen Zustand Italiens bekannt; zu den Apparaten, welche von beiden angewandt worden, gehören außer dem Mikroseismograph und dem Normaltromometer auch das Mikrophon. Die mikroseismischen Bewegungen Italiens zeigen Perioden hoher Aktivität, die ca. zehn Tage dauern. Solche Perioden heißen seismische Stürme. Dieselben sind durch Perioden relativer Ruhe getrennt. Im W. zeichnen sie sich durch große Regelmäßigkeit aus, ausgeprägte Maxima lassen sich im Frühjahr und Herbst erkennen. In der Mitte oder am Schluß einer solchen Periode tritt gewöhnlich ein E. ein. Wegen der engen Beziehungen dieser Stürme zu barometrischen Depreisionen werden zum Unterschied von denen, welche bei hohem Luftdruck eintreten, diese letztern >baroseismische« Stürme genannt, die erstern »vulkanoseismische«. Nach Beobachtungen sind die Beziehungen dieser Stürme zu Luftdruckschwankungen besonders ausgeprägtzur Zeit einervulkanischen Eruption.
Der Charakter der mikroseismischen Bewegung ist nicht konstant; die Richtung der Pendelschwingungen ist an jedem Punkt verschieden, aber überall vom Verlauf der Thäler und Gebirge abhängig. Die Monatskurven der mikroseismischen Störungen zeigen für verschiedene Städte Italiens einen ähnlichen Ver Bologna 1874-75 V^I?hl^öl.s ^^30^
Rom 1874-75
Florenz 1874-75
MalletItzurve von 5879
Erdbeben
Mittlere mikroseismi«
sche Kurve für glorenz
1872-76.
Fig.4. Monalslurv ender mikroseismischen Störungen.
lauf (Fig. 4). Das'Maximum fällt ungefähr Nlit dem Wintersolstitium zusammen, das Mmimum etwa mit der Sommersonnenwende; in dieser Hinsicht zeigen die Kurven eine gute Übereinstimmung mit Mallets Kurve der Erdbebenveriodizität. Ein Vergleich zwischen dem Mittel der tromometrischen Bewegungen und dem mittlern Luftdruck läßt eine große Übereinstimmung in dem relativen Werte der Bewegungen
erkennen. Eine andre merkwürdige Beziehung o> steht zwischen dem Sinken des Luftdrucks und der entsprechenden Zunahme der mittlern tromometrischen Bewegung. In diesem Umstand sieht Bertelli eine Bestätigung der Annahme, daß die expansive Kraft der im Innern der Erdrinde eingeschlossenen Gase einer der.Hauptfaktoren des tellurischen Vulkanismus sei. Die gegenteilige Ansicht vertreten A.
Forster und I. Milne. Ersterer spricht der mikroseismischen Bewegung überhaupt den Wellencharakter ab und weist auf die Beziehung zwischen der Intensität der mikroseismischen Bewegung und der Windstärke hin. Ebenso läßt Milne nur eine Beziehung zu den Luftdruckschwankungen, dem barometrischen Gradienten und vor allen: dem Wind gelten.
Sehr nützlich können Untersuchungen dieser Art noch für die Bergwerke werden; in denjenigen von Anzin verwendet man Tromometer und Mikroseismographen, um dem Eintreten schlagender Weiter rechtzeitig vorbeugen zu können. Ein Vergleich der Diagramme der Intensität der mikroseismischen Bewc gung, des Luftdrucks und der Gasentwickelung zeigt deutliche Beziehungen dieser drei Phänomene zu einander.
Nicht nur das Festland, sondern auch die vom Meer bedeckten Teile der Erdrinde sind seismischen Erschütterungen unterworfen: den E. stehen die Seebeben gegenüber. Seebeben sind Erschütterungen, deren Ursprung im Meeresboden liegt, und die sich, auf dio omanische Wassermasse übergehend, in derselben al5 Elastizitätswellen fortpflanzen. In gleichem Maß wie bei den E. ist die Stärke und Art der Erschütterung, Dauer und Zahl, Richtung und Fortpflanzungsgeschwindigkeitder Stößesowiedie Ausdehnung und Gestalt des Schüttergebiets eine verschiedene.
Was die Intensität und Art des submarinen Erdstoßes anbetrifft, so ist es bald nur ein leises Zil tern, welches dieselbe im Schiff hervorbringt, und welches auch wohl als Erschütterung bezeichnet wird, die jedoch nicht stärker ist, als wenn die Ankerkette ausläuft oder ein schwerer Gegenstand über Deck gerollt wird; bald macht sich eine stoßende Bewegung an Deck bemerkbar, wodurch das Schiff ins Schwanken gerät, Masten und Raaen erzittern und das Steuerruder hin- und herstößt, so daß das Schiff demselben nicht gehorcht; bei noch stärkern Stößen werden selbst schwerere Gegenstände umgeworfen und Leute in die Höhe geschleudert; endlich die schrecklich, sten Stöße können Schiffe entmasten und schwere Beschädigungen anrichten, das ganze Schiff gerät in Konvulsionen, als ob es in Stücke fallen wolle. Nach dem Gefühl und Effekt kann man auch bei Seebeben undulatorische und sukkussorische Bewegungen unter scheiden. Letztere vermögen das Schiff je nach der Richtung, in der dasselbe zu ihnen steht, emporzuheben, auf die Seite zu stoßen oder in der Fahrt aufzuhalten. Bei den meisten und gerade den heftigsten Seebeben wird weder in der eigentlichen Tiefsee noch in flachen Meeren das Wasser in irgend einer Weise affiziert, oder es werden nur eigentümliche Wasserstrahlen bis zu geringer Höhe emporgeworfen. In einigen Fällen sind Seebeben mit einer ungewöhnlichen Wellenerregung des Meers verbunden und von einer einzelnen hohen See begleitet. Temperaturveränderungen des Wassers deuten auf unterseeische vulkanische Ausbrüche. Magnetische Störungen sind sowohl bei denjenigen Seebeben beobachtet, in deren Gefolge Flutwellen auftraten, als auch bei solchen, welche von denselben nicht begleitet waren. Von andern Erscheinungen stehen sicher nnr die Schallphäno-