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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Österreich (Kaisertum: Finanzen, Gesetzgebung, Heerwesen).

die für gewöhnliche Schiffe befahrbaren Strecken 2714,7 km entfallen. Von Dampfschiffen wurden im ganzen 898,5 km befahren. Auf den österreichischen Seen betrug die Länge der von Dampfern regelmäßig befahrenen Strecken 189,6 km. Der beträchtlichste Flußschiffahrtsverkehr bewegt sich auf der Donau und der Elbe. Auf der obern Donau belief sich der Verkehr an der österreichisch-bayrischen Grenze in der Thalfahrt im J. 1887 auf eine Gesamtmenge von 1,010,613, in der Bergfahrt auf ein Quantum von 1,282,039 metr. Ztr. In dem Zeitraum 1883 - 87 ergibt sich in der Thalfahrt auffallenderweise eine Verminderung um 628,587 metr. Ztr. oder 38,3 Proz., dagegen in der Bergfahrt eine Zunahme um 496,401 metr. Ztr. oder 63,2 Proz. Die Zahl der Schiffe, welche auf der Donau die Reichsgrenze passierten, betrug im J. 1887 in der Bergfahrt: 336 Frachtendampfboote und 799 Warenschleppschiffe, in der Thalfahrt: 335 Frachtendampfboote, 785 Warenschleppschiffe, 429 Ruderschiffe und 185 Flöße. In größern Dimensionen hat sich der Elbverkehr entwickelt; derselbe umfaßte an der österreichisch-sächsischen Grenze in der Thalfahrt (Warenausfuhr, hauptsächlich Braunkohle) 19,3, in der Bergfahrt (Wareneinfuhr) 1,8 Mill. metr. Ztr.

Das österreichische Eisenbahnnetz hat Ende 1887 eine Ausdehnung von 14,097,9 und Ende 1888 eine solche von 14,636 km erlangt. Hiervon kamen 5826 km auf Staatsbahnen und vom Staat betriebene Privatbahnen. Die wichtigsten in den letzten Jahren eröffneten Eisenbahnlinien sind die nordöstlichen Staatsbahnen in Galizien, die Böhmisch-Mährische Transversalbahn und die sogen. Mährisch-Schlesische Städtebahn (Kojetein - Bielitz). Eine lang empfundene Lücke in der Hauptrichtung des Außenhandels der Monarchie hat die Eröffnung der wichtigsten Orientbahnen (nach Konstantinopel und Saloniki) ausgefüllt. Sowohl das Post- als das Telegraphenwesen zeigen von 1886 auf 1887 eine Steigerung des Verkehrs. Der Briefpostverkehr belief sich auf 449,4 Mill. Stück (gegen 440,1 im Vorjahr), der Zeitungsverkehr auf 61,6, der Fahrpostverkehr auf 36,3, die Zahl der ausgezahlten Postanweisungen und Postmandate auf 16,1 Mill. Stück. Die Telegraphenlinien hatten Ende 1887 eine Länge von 39,847,7 km. Die Zahl der gebührenpflichtigen Telegramme belief sich auf 6,576,636 Stück. Die Finanzergebnisse der Post- und Telegraphenverwaltung stellten sich 1887 in den Einnahmen auf 26,757,219, in den Ausgaben auf 22,214,109 Guld.

Die österreichischen Sparkassen haben im J. 1887 eine Zunahme um 17 Anstalten erfahren. Von den bestehenden 397 Sparkassen sind 313 Gemeinde-, 63 Vereins- und 21 Bezirkssparkassen. Die Zahl der Sparkassenbücher belief sich Ende 1887 auf 2,089,924 (gegen 2,018,695 im Vorjahr). Mit Einschluß der kapitalisierten Zinsen betrug der Einlagenstand Ende 1887: 1091 Mill.Guld. (gegen 1054 Mill. Guld. Ende 1886). Ohne den Sparkassen in ihrer Klientel Eintrag zu thun, hat sich auch das Postsparkassenwesen sehr günstig entwickelt. Es ist vorwiegend die Jugend und der kapitalärmste Teil der Bevölkerung, welche mit Hilfe der Postsparkasse sparen, und es beträgt daher auch das durchschnittliche Guthaben der Einlagen nur 21 Guld. 27 Kr. (bei den andern Sparkassen 522 Guld. 18 Kr.). Die Zahl der Einleger der Postsparkasse betrug im J. 1888: 655,335, das Guthaben an Spareinlagen belief sich Ende dieses Jahres auf 15 Mill. Guld., der Check- (Clearing-) Verkehr der Postsparkasse auf 644 Mill. Guld. an Einlagen, bez. Rückzahlungen.

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[Finanzen, Gesetzgebung.] Der Staatshaushalt wurde durch das Finanzgesetz für das Jahr 1889 in den Ausgaben mit 540,045,885, in den Einnahmen mit 542,815,944 Guld. festgestellt, so daß zum erstenmal seit langem der Voranschlag mit einem Überschuß von 2,770,059 Guld. schloß. Die wichtigsten Ausgabeposten sind:

Gulden

Hofstaat 4650000

Gemeinsame Angelegenheiten 104656002

Landesverteidigung 13753419

Staatsschuld 149239480

Kultus u. Unterricht 21424867

Finanzministerium 88383791

Handelsministerium 70698380

Unter den Staatseinnahmen sind hervorzuheben:

Gulden

Direkte Steuern 10331600

Zölle 40156787

Indirekte Steuern 320910677

Unter letztern sind:

- Verzehrungssteuer 100686300

- Salz 20325000

- Tabak 81463000

- Stempel 18800000

- Taxen u. Gebühr 34000000

- Lotto 21500000

Post und Telegraph 28589900

Staatseisenbahnbetr. 46082770

Eine bedeutende neue Einnahmequelle wurde durch ansehnliche Erhöhung der Branntweinsteuer geschaffen. Eine wesentliche Änderung trat in der Zuckersteuer ein, welche nunmehr in der Form einer Konsumsteuer (statt der bisherigen Produktionssteuer) erhoben wird. Die allgemeine und die rein österreichische Staatsschuld stellte sich Ende 1888 auf 3,846,429,554 Guld. und zeigt gegen Ende 1887 eine Zunahme um 179,358,338 Guld.

Auf dem Gebiet der Gesetzgebung ist namentlich der nach deutschem Muster geschaffenen Gesetze vom 28. Dez. 1887 und vom 30. März 1888 über Unfall- und Krankenversicherung der Arbeiter Erwähnung zu thun. Zum Zweck der Unfallversicherung wurden nicht, wie in Deutschland, Berufsgenossenschaften, sondern sieben territorial abgegrenzte Versicherungsanstalten mit dem Sitz in Wien, Prag, Salzburg, Graz, Brünn, Lemberg und Triest gebildet. Für die Krankenversicherung werden Bezirks-, Betriebs-, Bau-, Genossenschafts-, Vereinskrankenkassen und Bruderladen errichtet, bez. die bereits bestehenden entsprechend umgestaltet. Die Wirksamkeit der Unfallversicherung beginnt 1. Nov., die Krankenversicherung 1. Aug. 1889. Als fachmännisch begutachtendes Organ des Ministeriums des Innern für die Angelegenheiten der Unfall- und Krankenversicherung wurde ein Versicherungsbeirat gebildet. Als technische Organe der Unfallversicherungsanstalten werden die Gewerbe-Inspektoren verwendet. Die erste Anmeldung der unfallversicherungspflichtigen Betriebe ergab im ganzen 78,883 Betriebe mit 892,240 Versicherungspflichtigen Personen und einer anrechenbaren Jahreslohnsumme von 200,4 Mill. Guld.

[Heerwesen.] Das 11. April 1889 erlassene Wehrgesetz, welches bis 1899 in Gültigkeit bleibt, verfolgt den Zweck, die durch das Gesetz von 1879 festgestellte Kriegsstärke des Heers von 800,000 Mann, welche nachweislich auf Grund der bisherigen Bestimmungen nicht erreichbar war, sicherzustellen und mit Einschluß der Landwehren auf 1,200,000 Mann zu erhöhen. Die Armee besteht aus dem Heer, den Landwehren und dem Landsturm. Das Heer ist für die ganze österreichisch-ungarische Monarchie ein gemeinsames und dem Reichskriegsministerium in Wien unterstellt, neben ihm bestehen als selbständige Faktoren die k. k. österreichische Landwehr (dazu die Landesschützen in Tirol und Vorarlberg) unter dem Landesverteidigungs-Ministerium in Wien und die königlich ungarische Landwehr (Honvédség) unter dem Honved-