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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Arbeiterschutzkonferenz

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Arbeiterschutzkonferenz (Berlin 1890).

trieben ein Minimalalter festzusetzen? 2) Soll das Minimalalter für alle Staaten das gleiche sein oder mit Rücksicht auf die in den einzelnen Staaten je nach Verschiedenheit der klimatischen Verhältnisse früher oder später eintretende körperliche Entwickelung der Kinder festgestellt werden? 3) Welches Minimalalter ist in jedem dieser Fälle festzusetzen? 4) Dürfen Abweichungen vom festgesetzten Minimalalter bei Verminderung der Arbeitstage oder der täglichen Arbeitszeit zugelassen werden?

III. Festsetzung eines Maximalarbeitstags für jugendliche Arbeiter. 1) Ist für jugendliche Arbeiter ein Maximalarbeitstag festzusetzen? Sind in denselben die Stunden des obligatorischen Schulunterrichts einzurechnen? 2) Ist dieser Maximalarbeitstag nach verschiedenen Altersklassen abzustufen? 3) Wie viele Arbeitsstunden (exklusive oder inklusive die effektiv stattfindenden Pausen) soll der Maximalarbeitstag einen oder andern Falle (Ziffer 1 und 2) umfassen? 4) Zwischen welche Stunden des Tages darf diese Arbeitszeit fallen?

IV. Verbot der Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in besonders gesundheitsschädlichen oder gefährlichen Betrieben. 1) Ist eine Einschränkung der Verwendung von jugendlichen und weiblichen Personen in besonders gesundheitsschädlichen oder gefährlichen Betrieben geboten? 2) Sind die genannten Personen von diesen Betrieben gänzlich (die jugendlichen bis zu welchem Altersjahr?) oder teilweise (die jugendlichen bis zu einem gewissen Alter? die weiblichen zu gewissen Zeiten?) auszuschließen? oder ist die Arbeitszeit der jugendlichen und weiblichen Personen in solchen Betrieben zu verkürzen? Welche Minimalforderungen sind in den beiden letztern Fällen aufzustellen? 3) Welches sind die gesundheitsschädlichen und gefährlichen Betriebe, auf welche obige Bestimmungen (Ziffer 1 und 2) anzuwenden sind?

V. Beschränkung der Nachtarbeit für jugendliche und weibliche Personen. 1) Sind jugendliche Personen von der Nachtarbeit ganz oder teilweise auszuschließen? Bis zu welchem Altersjahr gilt das Verbot? Welches sind die Verhältnisse, unter denen die teilweise Zulassung stattfinden darf? 2) Sind weibliche Personen ohne Rücksicht auf ihr Alter von der Nachtarbeit auszuschließen? Sind im Falle der Zulassung gewisse Beschränkungen aufzustellen? 3) Welche Stunden der Arbeitszeit fallen unter den Begriff Nachtarbeit, resp. wann beginnt und endet die letztere?

VI. Ausführung der vereinbarten Bestimmungen. 1) Auf welche Art der Arbeitsbetriebe (Bergwerke, Fabriken, Werkstätten etc.) finden die vereinbarten Bestimmungen Anwendung? 2) Ist für die Vollziehung der vereinbarten Bestimmungen eine Frist festzusetzen? 3) Welche Maßnahmen sind zu treffen, um die Vollziehung der vereinbarten Bestimmungen zu sichern? 4) Sind periodisch sich wiederholende Konferenzen von Delegierten der beteiligten Staaten vorzusehen? 5) Welche Aufgaben sind für solche Konferenzen in Aussicht zu nehmen?

Die Berliner Konferenz.

Inzwischen hatte aber auch Kaiser Wilhelm II. beschlossen, zu gleichem Zwecke eine internationale Konferenz in Berlin zu veranlassen, und an demselben Tage, an welchem jenes Rundschreiben, von dem der Kaiser keine Kenntnis hatte, von Bern expediert wurde, erschienen in Berlin im »Reichsanzeiger« die denkwürdigen Kabinettsorders vom 4. Febr. 1890 an den Reichskanzler und an die Minister der öffentlichen Arbeiten und für Handel und Gewerbe, in welchen der Kaiser in feierlicher Verkündigung, daß er zur Verbesserung der Lage der deutschen Arbeiter die Hand bieten, zugleich aber die deutsche Industrie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig erhalten wolle, und unter Hinweis auf die Bestrebungen der Schweiz dem Reichskanzler auftrug, zunächst bei den Regierungen von Frankreich, England, Belgien und der Schweiz anzufragen, ob sie geneigt seien, mit Deutschland »in Unterhandlungen zu treten behufs einer internationalen Verständigung über die Möglichkeit, denjenigen Bedürfnissen und Wünschen der Arbeiter entgegenzukommen, welche in den Ausständen der letzten Jahre und anderweit zu Tage getreten sind« und, sobald die Zustimmung derselben im Prinzip gewonnen sei, die Kabinette aller der Regierungen, welche an der Arbeiterfrage den gleichen Anteil nehmen, zu einer Konferenz behufs Beratung über die einschlägigen Fragen einzuladen und eine Einberufung des preußischen Staatsrats befahl, um den weitern Ausbau der deutschen Gesetzgebung über die Verhältnisse der Fabrikarbeiter einer Prüfung zu unterziehen. Da die genannten Staaten umgehend ihre Bereitwilligkeit zu den Unterhandlungen erklärten, wurde die Konferenz auf den 15. März 1890 festgesetzt und zugleich der schweizerische Bundesrat ersucht, seine Einladung zur Berner Konferenz rückgängig zu machen. Dieser zog seine Einladungen zurück. Die Berliner Konferenz wurde 15. März 1890 eröffnet.

Auf der Konferenz waren 15 Staaten vertreten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Holland, Italien, Luxemburg, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Ungarn. Die Delegierten der Staaten waren hervorragende Sachverständige in den der Beratung zu unterstellenden Fragen. Der Konferenz wurde folgendes Programm der Beratungen zur Regelung der Arbeit in den gewerblichen Anlagen und Bergwerken vorgelegt und von ihr acceptiert:

I. Regelung der Arbeiten in den Bergwerken. 1) Soll die unterirdische Arbeit verboten sein: a) Kindern unter einem gewissen Alter? b) Personen weiblichen Geschlechts? 2) Soll der Arbeitstag in besonders gesundheitsgefährlichen Bergwerken Beschränkungen unterliegen? 3) Kann man die Arbeit in den Bergwerken im öffentlichen Interesse einer internationalen Regelung unterwerfen, um eine ununterbrochene Kohlenförderung zu sichern?

II. Regelung der Sonntagsarbeit. 1) Soll das Verbot der Sonntagsarbeit, unbeschadet der notwendigen Ausnahmefälle, die Regel bilden? 2) Wenn über das Verbot der Sonntagsarbeit ein Einvernehmen erzielt werden sollte, welches würden die zulässigen Ausnahmen sein? 3) Auf welche Weise ware über diese Ausnahmefälle zu entscheiden: durch eine internationale Vereinbarung, durch Gesetze oder auf dem Wege der Verwaltung?

III. Regelung der Kinderarbeit. 1) Sollen die Kinder, welche ein bestimmtes Alter noch nicht erreicht haben, von der Arbeit in gewerblichen Anlagen ausgeschlossen werden? 2) Welches Alter soll die Grenze bilden für den Ausschluß der Kinderarbeit? Soll diese Altersgrenze für alle Betriebe dieselbe sein, oder sollen in dieser Hinsicht Unterschiede gemacht werden? 3) Welche Beschränkungen rücksichtlich der Dauer des Arbeitstags sowie in der Art der Beschädigung sollen in Bezug auf die zur Arbeit in gewerblichen Anlagen zugelassenen Kinder vorgesehen werden?