Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Argentinische Republik

49

Argentinische Republik (Statistisches, Geschichte).

saat. Wichtig sind ferner noch Gerste, Weinreben, Zuckerrohr, Kartoffeln, Tabak und alle Arten Gemüse. Unter den Obstbäumen sind die Pfirsichbäume am häufigsten, und nächst ihnen die Orangen. Etwa 500,000 Hektar sind künstlich bewässert. Den Viehstand schätzte man 1888 auf 66,701,097 Schafe, 21,963,930 Rinder, 4,262,917 Pferde, 430,940 Esel und Maultiere, 1,969,765 Ziegen, 403,203 Schweine, 47,738 Lamas und 177,075 Strauße. Diese Zahlen sind eher zu niedrig als zu hoch, die Anzahl der Schafe soll sich in Wirklichkeit auf 80 Mill. belaufen.

Die Einfuhr belief sich 1888 auf 128,412,000 Pesos, 1889 auf 164,570,000 Pesos; die Ausfuhr in den gleichen Jahren auf bez. 100,112,000 und 122,815,000 Pesos, einschließlich von Edelmetallen. Bei der Einfuhr (1889) beteiligte sich England mit 56,820,000 Pesos, Frankreich mit 30,237,000, die Vereinigten Staaten mit 16,802,000, Deutschland mit 15,478,000 und Belgien mit 13,958,000 Pesos. Dagegen kamen an der Ausfuhr 38,264,000 Pesos auf Frankreich, 17,121,000 auf Deutschland, 16,326,000 auf Belgien und 7,727,000 Pesos auf die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Den Warengattungen nach bestanden 19,6 Proz. der Einfuhr aus landwirtschaftlichen Produkten, 64,2 Proz. aus Manufakturwaren, während bei der Ausfuhr die Produkte der Viehzucht mit 85,1 Proz., die des Ackerbaues mit 14,9 Proz. vertreten waren. Hauptartikel der Ausfuhr waren: Wolle (56,710,000 Pesos), Häute (27,353,000 Pesos), Getreide (14,651,000 Pesos), Fleisch und Fleischwaren (7,677,000 Pesos), Vieh (3,693,000) und Fett (3,297,000 Pesos). An Einfuhrzöllen wurden 1889: 56,516,477 Pesos bezahlt. Die Ausfuhrzölle sind in diesem Jahre aufgehoben worden. Es liefen 1889 im Verkehr mit dem Ausland 14,445 Schiffe von 6,711,686 Ton. Gehalt ein. Die Eisenbahnen haben sich fast ausschließlich mit Hilfe englischen Kapitals rasch entwickelt. Ende 1889 waren 8113 km Eisenbahnen im Betrieb (im Oktober 1890: 10,045 km) und 9713 km im Bau. In diesen Eisenbahnen war ein Kapital von 250 Mill. Pesos angelegt, und die Regierung zahlte 1889: 2,731,309 Pesos in Gold infolge der von ihr geleisteten Garantien. Die transandinische Bahn von Mendoza über den Uspallatapaß ist im Bau und geht rasch der Vollendung entgegen. Postämter gab es 1888: 659 und wurden 63 Mill. Gegenstände befördert. Die Telegraphen hatten im gleichen Jahre eine Länge von 29,576 km.

Die Staatseinnahmen für das Jahr 1890 schätzt man auf 72,903,756 Pesos (Einfuhrzölle 46,610,018, Stempelgebühren 4,380,202, Aktien der Nationalbank 3,612,003, direkte Steuern 3,147,404 Pesos). Dagegen ergab der Rechnungsabschluß für das Jahr 1887 eine Einnahme von 57,306,305 Pesos, eine Ausgabe von 54,098,227 Pesos. Die Bundesschuld belief sich 1. Jan. 1890 auf 307,476,177 Pesos, wovon 192,846,798 Pesos auf auswärtige Gläubiger kommen. Dagegen schätzt ein Korrespondent der »Times« die Staatsschuld wie folgt: äußere Schuld 131,199,050 Pesos, innere Schuld 192,061,053 Pesos (davon 29,140,900 Pesos in den Händen europäischer Gläubiger), schwebende Schuld 5 Mill. Pesos, zusammen 328,260,103 Pesos. Da 69 Mill. Pesos der innern Schuld keine Zinsen tragen, genügen jährlich 8,912,175 Pesos zur Zinsenzahlung. Dazu kommen aber noch die für den Bau von Eisenbahnen geleisteten Garantien im Betrag von 5,609,500 Pesos, außerdem die im Sept. 1890 ausgegebenen Schatzscheine und Cedulas im Betrag von 75 Mill. Pesos.

Das stehende Heer zählt 1890: 1291 Offiziere und 6514 Mann, außer einer Nationalgarde von 390,000 Mann. Die Kriegsflotte besteht aus 38 Schiffen mit 73 Geschützen, 16,613 Ton. Gehalt und 13,055 Pferdekräften. Darunter sind 3 kleine Panzerboote, 4 Kreuzer, 4 Kanonenboote und 7 Torpedoboote. Bemannt ist diese Flotte mit 1966 Mann.

Geschichte. Der scheinbare wirtschaftliche Aufschwung des Landes seit der Präsidentschaft Rocas verführte die Minister des Präsidenten Celman (seit 1886) zu einer so unvernünftigen Übereilung und Übertreibung in allen staatswirtschaftlichen und geschäftlichen Unternehmungen, daß die aufgenommenen Staatsschulden die Kräfte des Landes bei weitem überstiegen und die Zahlung der Zinsen immer schwieriger wurde. Die Regierung ließ daher heimlich immer mehr Noten ausgeben, bis die Höhe der Ausgabe 220 Mill. erreichte. Dazu kamen die Unredlichkeit der Beamten und die Spekulationswut der herrschenden Gesellschaftsklassen, welche Aktiengesellschaften und Banken in Masse errichteten. Namentlich beliehen die Hypothekenbanken den Grundbesitz in so leichtsinniger Weise, daß ihre Pfandbriefe (cedulas) plötzlich stark im Kurse sanken, öfter auf weniger als die Hälfte des Goldwerts. Das Goldaufgeld stieg so hoch, daß man 300 Pesos Papier für 100 Pesos Gold bezahlen mußte. Obwohl der Präsident Celman selbst auf Kosten des Landes sich nicht bereichert hatte, so hatte er doch gegen die eigennützigen Umtriebe seiner Beamten große Schwäche gezeigt und daher den allgemeinen Unwillen auf sich gezogen. Da es im Juli 1890 auch unter den Truppen gärte, ließ der Präsident mehrere verdächtige Bataillone durch die Polizei überwachen, was die Wut der Soldaten erregte. Dies benutzte die Union Civica, ein der alten Partei der Portenos nahestehender Verein, 26. Juli 1890 in Buenos Ayres einen Aufstand ins Werk zu setzen. Sie gewann den General Campos und mehrere Regimenter für sich, bot die Nationalgarde der Hauptstadt auf und bemächtigte sich nach blutigem Kampfe 27. Juli der wichtigsten Punkte der Stadt. Den Regierungspalast behaupteten die treu gebliebenen Truppen, doch floh der Präsident Celman nach Rosario. Die Aufständischen, denen sich auch die im Hafen von Buenos Ayres liegenden argentinischen Kriegsschiffe anschlossen, riefen den Vorsitzenden der Union Civica, Leandro Allem, zum Präsidenten und Romero zum Finanzminister aus. Die Regierungstruppen baten um einen Waffenstillstand, der bis 28. Juli gewährt wurde, und die Vertreter der fremden Mächte bemühten sich, einen friedlichen Ausgleich zu stande zu bringen. Doch 28. Juli kehrte Celman mit 1000 Mann und 46 Geschützen nach Buenos Ayres zurück und verlangte die Verabschiedung aller Offiziere, die sich mit der Union Civica verbunden hatten, während die Aufständischen die Abdankung Celmans forderten. Daher entbrannte der Kampf aufs neue, und die Kriegsschiffe bombardierten die von den Regierungstruppen besetzten Stadtteile. Die Aufständischen hatten darauf gerechnet, in den Munitionsschuppen Vorräte von Patronen zu finden, doch waren infolge Unterschleifs der Verwaltung alle Kisten leer, und da die Aufständischen keine Munition mehr besaßen, wurden sie von General Roca nach zweitägigem Kampfe überwältigt; auch die Kriegsschiffe unterwarfen sich. Der Aufstand kostete 1000 Mann an Toten und 5000 Mann an Verwundeten. Der Präsident Celman erließ zwar für alle, welche am Aufstand teilgenommen hatten, eine Amnestie, trat aber anfangs sehr selbstbewußt als Sieger auf. Doch war der Haß gegen ihn,