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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ausstellungen

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Ausstellungen (1890).

Berlin sah mehrere Fachausstellungen, welche Erwähnung verdienen: Zunächst die sehr reichhaltige Hundeausstellung, welche vornehmlich die großen Fortschritte Deutschlands in der Zucht deutscher Doggen ins Licht setzte. Es folgte die Pferdeausstellung. Von dieser waren die sogen. Vollblutpferde ausgeschlossen; sie sollte dafür ein getreues Abbild der einheimischen Pferdezucht liefern, und es wurde der Zweck im großen und ganzen erreicht. Hervorragend waren die Hauptzuchtländer Deutschlands: Hannover und Oldenburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg und namentlich Ostpreußen vertreten. Letztere Provinz deckt an zwei Drittel des Bedarfs des deutschen Heeres. Ihre Pferde sind fast ausschließlich das Erzeugnis einer Kreuzung litauischer Ponystuten mit den großen Trakehner Hengsten. Die Ausstellung von Brauereimaschinen und Trinkgefäßen hatte einen lebhaften Streit über die Frage zur Folge, ob die Bestandteile des Glases auf den Geschmack des Bieres schädlich einwirken, bez. ob wir gut thun, die Biergläser durch Thonkrüge zu ersetzen. Die Frage ist noch unentschieden. Endlich sanden in Berlin zwei größere Blumenausstellungen sowie eine Brieftaubenausstellung statt.

Einen eigenartigen Charakter besitzen die wissenschaftlichen A., welche sich an den Wanderversammlungen ausgebildet haben. Sie gleichen den Industrieausstellungen insofern, als sie dem Forscher neue Apparate und Instrumente, Materialien, deren er zu seiner Arbeit bedarf, und ähnliches vorführen. Auf diesem Gebiet zeigen sie die befruchtende Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Technik. Erstere stellt bestimmte Forderungen, und indem es der Technik oft gelingt, mit ihren hoch ausgebildeten Mitteln über jene Forderungen hinauszugehen, erhöht sie die Leistungsfähigkeit der Forscher. Leider ist dieser Abteilung der wissenschaftlichen A. das jahrmarktartige Element nicht fern zu halten, die Reklame macht sich breit, und auch an Schwindel fehlt es nicht. Davon abgesehen, sind die wissenschaftlichen A. als Museum zu betrachten, die vor den bleibenden Sammlungen den großen Vorzug der Lebensfrische besitzen. Ein ungemein reiches Material, welches sonst nur mit größter Mühe oder auch gar nicht erreichbar ist, wird dem Forscher zum bequemen Studium dargeboten. Die Vorführung von Einrichtungen des Staates und der Gemeinden für bestimmte Zwecke, von Sammlungen der Unterrichtsanstalten oder einzelner Gelehrten, von Resultaten neuester Forschungen und Ergebnissen neuer Methoden, die man bis dahin nur aus Fachzeitschriften kannte, fördern den Fachmann und geben auch dem ferner Stehenden Anregung. Die erste Ausstellung wissenschaftlicher Instrumente und Apparate im Anschluß an einen medizinischen Kongreß brachte die internationale Zusammenkunft der Ärzte in Brüssel 1875. Seitdem haben sich ähnliche Schaustellungen mehrfach wiederholt, und nachdem auf der in Berlin tagenden Naturforscherversammlung eine großartige, überaus reiche Ausstellung zu stande gebracht worden war, hat 1890 der internationale medizinische Kongreß eine nicht minder bedeutende Ausstellung in Berlin gesehen. Hier fesselten besonders die hygienischen Einrichtungen für Krankenpflege und Krankentransport, welche in Natura, in Modellen oder Photographien vorgeführt wurden. Die Ausstellung des Reichsgesundheitsamts mit ihren statistischen Karten über die Verbreitung von Infektionskrankheiten etc. und den neuesten Forschungen über die Krankheitserreger des Scharlach und der Influenza, die ungemein reichen Hilfsmittel für Bakteriologie, die zahlreichen anatomischen Präparate und die Sammlungen von Modellen (Tobolds Kehlkopfmodelle mit den verschiedenen Krankheitsformen), die neuerdings hergestellten Photographien von Kranken und Sterbenden, Bergmanns Schädelsammlung aus dem russisch-türkischen Kriege zur Demonstration der Schußverletzungen, die Modelle des Berliner Instituts für gerichtliche Medizin, welche die Opfer von Mordthaten mit ihren Wunden zeigen, etc.

Allgemeineres Interesse hat die zweite, mit dem medizinischen Kongreß verbundene Ausstellung, bei welcher aus den Kunstsammlungen Berlins alles zusammengetragen war, was auf die Medizin Bezug hat: Bildnisse und Büsten berühmter Ärzte, medizinische Instrumente aus dem Altertum und dem Mittelalter, Apothekergeräte aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Eine sehr reichhaltige Ausstellung für Bergbau und Hüttenwesen fand im Kristallpalast zu London statt. Leipzig sah die zweite Ausstellung von Fahrrädern, welche, außer verschiedenen neuen Radkonstruktionen, von Neuheiten besonders aus kleinen Sammlern gespeiste elektrische Laternen aufwies. Den Grundstock der internationalen photographischen Ausstellung in Breslau bildeten die Gegenstände, welche 1889 in Berlin und Königsberg ausgestellt waren. Außerdem hatten zahlreiche Liebhaber Sachen eingeschickt. In Lüttich fand, aus Anlaß des Regierungsjubiläums des Königs Leopold, eine Gewerbeausstellung statt, welche sich zwar international nannte, jedoch in der Hauptsache nur aus Belgien beschickt war. Die Grosvenorgalerie in London beherbergte eine Sportausstellung, welche unter anderm eine sehr reiche Sammlung von Jagd- und Tierbildern alter Meister aufwies. Der Börsenverein der deutschen Buchhändler veranstaltete in Leipzig, aus Anlaß der Ostermesse, eine Buchgewerbeausstellung, welche sich besonders durch Vorführung der vielen photomechanischen Verfahren auszeichnete. Im Glaspalast zu London fand die alljährliche, stets reich beschickte Fahrradausstellung statt. Graz in Steiermark veranstaltete eine Gewerbeausstellung, welche hauptsächlich die Fortschritte der Industrie des Kronlandes veranschaulichte. Die Unfallverhütungsausstellung in Amsterdam bot der Berliner gleichartigen Ausstellung gegenüber wenig Neues. Die Industrieausstellung im Industriepalast zu Paris wies hauptsächlich Gegenstände auf, die bereits 1889 ausgestellt waren und war daher ohne Bedeutung. In Taschkent fand eine Ausstellung der gewerblichen Erzeugnisse des turkistanischen Gebiets statt. Sie bot aber auch landwirtschaftliche Geräte und sonstige für Mittelasien berechnete Gegenstände. In Köln wurde ein Wettstreit zur Verbesserung der Lage der Arbeiter veranstaltet. Ausgestellt waren hauptsächlich Gegenstände der Arbeiterwohlfahrt, der Hausindustrie, der Gewerbehygiene und der Unfallverhütung. Aus Anlaß des 50jährigen Jubiläums der Briefmarke fand in London eine Ausstellung aller Briefmarken der Welt sowie der Betriebsmittel des Postverkehrs statt, desgleichen in Wien und Magdeburg. Das Berliner Kunstgewerbemuseum veranstaltete eine Ausstellung von Schmuck- und Juwelierarbeiten. Zu Ehren Stanleys wurde in London eine afrikanische Ausstellung abgehalten. Bonn veranstaltete eine Beethoven-Ausstellung, welche besonders zahlreiche Originalhandschriften aufwies. Aus Anlaß des Kongresses für