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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Baines; Bakterien

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Baines - Bakterien.

nahm er 1888 im Ministerium Freycinet selbst dies Portefeuille. B. ist ein eifriger Schutzzöllner.

Baines, 1) Edward, engl. Publizist, starb 2. März 1890 in Leeds.

Bakterien, auf der niedrigsten Stufe organischen Lebens stehende Gebilde, welche nach Gestalt, Wachstum und Fortpflanzung zum Pflanzenreich zu zählen sind. Das einzelne Individuum repräsentiert den Wert einer (Pflanzen-) Zelle; die nächsten, etwas höher organisierten Verwandten der B. sind die Algen. Schon Leeuwenhoek (1675) hat im Mundspeichel B. gesehen, Ehrenberg suchte dieselben zu systematisieren und rechnete sie zum Tierreich. Cohn wies in den 50er Jahren die Zugehörigkeit der B. zu den Pflanzen nach und teilte sie in Kugel-, Stäbchen- und Schraubenbakterien. Ein lebhafter Streit wurde dann jahrelang darüber geführt, ob es wirklich verschiedene konstante Arten von B. gebe, eine Systematik also möglich und berechtigt sei, oder ob nicht vielmehr die B. die Fähigkeit besitzen, sich jeweils den Verhältnissen, unter welchen sie gerade leben, anzupassen und so unter wechselnder Gestalt und mit wechselnden Funktionen aufzutreten. Der Hauptvertreter dieser letztern Richtung war Nägeli. Eine Entscheidung der wichtigen Frage war nicht möglich, solange es nicht gelang, durch ein geeignetes Züchtungsverfahren die ihrer Gestalt nach verschiedenen Formen zu isolieren und dann ihren weitern Entwickelungsgang zu beobachten. Das geeignete Verfahren einer solchen Trennung der einzelnen Bakterienkeime voneinander und der Züchtung derselben hat R. Koch in der Anwendung der festen Nährböden kennen gelehrt (s. Bakterioskopische Untersuchungen, Bd. 2). Vermittelst dieses Verfahrens ist dann festgestellt worden, daß es eine große Menge verschiedener Bakterienarten gibt, welche allezeit konstant bleiben und sich nach Gestalt, Lebenserscheinungen und Funktion aufs deutlichste voneinander unterscheiden. Eine Systematik derselben im streng botanischen Sinn läßt sich indessen noch nicht aufstellen und man beschränkt sich zur Zeit noch auf die Unterscheidung, welche schon Cohn gegeben hat, in Kugelbakterien oder Mikrokokken, Stäbchenbakterien oder Bacillen und Schraubenbakterien oder Spirillen (auch Spirochaeten oder Vibrionen genannt). Als den B. nach Form und Lebenseigenschaften sehr nahe verwandt, jedoch nach ihrem Entwickelungsgang von denselben verschieden, wären dann noch die Sproßpilze oder Hefen und die Schimmelpilze zu nennen.

Die B. sind Zellen, welche aus einer Membran und aus Protoplasma bestehen; die Existenz eines Zellkernes wurde bisher in Abrede gestellt, doch haben neueste Untersuchungen (Ernst, Bütschli) es wahrscheinlich gemacht, daß wenigstens bei gewissen Arten dennoch ein Kern vorhanden ist; derselbe würde nach den genannten Forschern den größten Teil des Zellleibes ausfüllen. Die Größe der einzelnen Bakterienarten schwankt etwa zwischen 0,0002 und 0,02 mm; selbst die größern derselben stehen also ziemlich an der Grenze des mikroskopisch noch Sichtbaren. Eine Anzahl von B. ist mehr oder weniger lebhaft beweglich, ja die Art ihrer Bewegung hat schon an und für sich zuweilen etwas für die betreffende Spezies Charakteristisches. Die Bewegungen werden ausgeführt vermittelst sogen. Geißelfäden, welche sich an den Polen oder entlang den Seiten des Bacillenkörpers befinden. Andre Arten werden stets unbeweglich gesunden, an diesen lassen sich dann auch keine Geißelfäden nachweisen. In früherer Zeit war man der Meinung gewesen, daß das Aufhören der Beweglichkeit gleichbedeutend sei mit dem Tode der B.; jetzt wird das erloschene Leben nur noch aus der erloschenen Vermehrungsfähigkeit geschlossen.

Die Fortpflanzung der B. geschieht in den meisten Fällen durch Zweiteilung der Individuen (daher die Bezeichnung Spaltpilze); die Teilung erfolgt in querer Richtung. Bei manchen Bacillenarten wird jedoch eine echte Fruchtbildung beobachtet: in einer Reihe von Bacillen, welche durch wiederholte Querteilung der Individuen zu einem Faden (sogen. Scheinfaden) herangewachsen sind, bilden sich unter geeigneten (Temperatur- und Ernährungs-) Bedingungen runde oder ovale glänzende Körper (Sporen), welche in regelmäßigen Abständen voneinander stehen, in andern Fällen treten ebensolche Körper im Innern der frei liegenden einzelnen Bacillen an einem oder beiden Enden oder in der Mitte derselben auf. Solche Sporen besitzen eine weit größere Widerstandskraft als die betreffenden Bacillen selbst: zerfallen die letztern, so bleiben die Sporen am Leben; sie können jahrelang und unter ungünstigsten Verhältnissen ohne äußere Lebensthätigkeit ihre Entwickelungsfähigkeit bewahren. Sobald sie aber wieder auf günstigere Existenzbedingungen treffen, beginnt in ihnen neues Leben; sie wachsen zu Bacillen aus, welche gänzlich mit denjenigen übereinstimmen, aus welchen sie hervorgegangen sind. Die Sporen ertragen jahrelanges Eintrocknen, tagelange Einwirkung starker Desinfektionsmittel und manche stundenlang selbst ziemlich hohe Hitzegrade, ohne zu Grunde zu gehen. So bereiteten die Sporen der in der Gartenerde vorkommenden Bacillen dem Konservieren von Früchten große Schwierigkeiten, und die Sporen der Milzbrand- und der Tuberkelbacillen machen die Desinfektion bei diesen Krankheiten zu einer der schwierigsten Aufgaben der Seuchenprophylaxis. Eine echte Fruchtbildung (Sporenbildung) findet bekanntlich auch bei den Schimmelpilzen statt; der Hergang ist dort indessen ein etwas andrer als bei den B. Die Hefen, welche relativ große, rundliche oder ovale Zellen darstellen, vermehren sich durch Sprossung, indem aus einer (großen) Mutterzelle zunächst eine kleinere Tochterzelle und aus dieser noch eine und wohl noch einige weitere Tochterzellen hervorgehen; sind diese zu einer gewissen Größe herangewachsen, so schnüren sie sich voneinander ab, um dann selbst wieder zu Mutterzellen zu werden.

Über den Ursprung der B. bestand durch Jahrzehnte große Meinungsverschiedenheit, indem viele Forscher von der Vorstellung einer Urzeugung nicht ablassen wollten. Man glaubte an die Möglichkeit der Entstehung so niederer Lebewesen unmittelbar aus unorganisierter organischer Materie. Grund zu dieser Annahme gab die Beobachtung, daß in Flüssigkeiten, in welchen z. B. durch Kochen, wie man glaubte, alle organisierten Keime abgetötet waren, dennoch wieder Fäulnis oder Gärung eintrat, auch wenn dieselben vor Luftzutritt völlig geschützt waren. Man hatte von der Widerstandsfähigkeit mancher solcher Organismen, besonders ihrer Sporen, keine genügende Vorstellung. Wird nach den jetzt geltenden Vorschriften eine Flüssigkeit, wie Milch, Fleischbrühe u. dgl., sterilisiert, so hält sich dieselbe geradezu unendlich lange Zeit: die Urzeugung tritt nicht ein. Nur wenn ein oder einige Keime bei der Abtötung übriggeblieben sind oder der Verschluß gegen das Eindringen von Keimen nicht genügend sicher hergestellt ist, kommt es zur Entwickelung neuer Bakteriengenerationen. Es sind also auch die B. dem Gesetz unterworfen: omne vivum ex vivo. Wie die ersten B. in die Welt kamen, wissen