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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bakterien

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Bakterien (Stoffwechselprodukte, Abschwächung, Abtötung etc.).

wirkten Fäulnis ist die Umwandlung der organischen Stoffe in unorganische: Ammoniak, salpetrige Säure und Salpetersäure, Vorgänge, welche als Nitration oder als Nitrifikation bezeichnet werden. Sie sind für Landwirtschaft und Hygiene von größter Bedeutung, denn auf ihnen beruht die Fähigkeit des Bodens, immer wieder von neuem faulige organische Substanzen aufzunehmen. Vermittelst der Nitration assimiliert der Boden den ihm gebotenen Dünger; ohne diese nitrierende Wirkung der B. würde der gedüngte Boden ein stinkender Jauchesumpf werden.

Die vorhin erwähnten organischen Basen, Alkaloide, welche bei der durch B. erzeugten Zerlegung organischer Substanzen entstehen und isoliert werden können, die Ptomaine, sind zum Teil harmloser Natur, zum Teil äußerst heftige Gifte und spielen dann eine Hauptrolle bei den meisten Fleisch-, Fisch- und Muschelvergiftungen. Neuestens ist es auch gelungen, aus den Reinkulturen spezifischer pathogener B. die denselben eigentümlichen Ptomaine herzustellen, und damit hat man das eigentliche spezifische Krankheitsgift, durch welches diese B. dem menschlichen Körper so verderblich werden, gewonnen; so erzeugt z. B. das Tetanin aus den Bacillen des Wundstarrkrampfs oder Tetanus Starrkrampf, das Typhotoxin aus Typhusbacillen sowie verschiedene Alkaloide aus den Cholerabacillen auf der Darmschleimhaut lebhafte Entzündung. Die Untersuchungen dieser Stoffe zielen in letzter Linie praktisch darauf ab, durch genaue Kenntnis derselben zunächst auf dem Wege des Laboratoriumversuchs geeignete Gegengifte zu finden. Eine weitere Gruppe von höchst giftigen Stoffwechselprodukten der B., welche aber ihrer chemischen Natur nach keine Alkaloide, sondern eiweißartige Körper darstellen, wurden von Brieger und Frankel beim Studium der Ptomaine der Diphtheriebacillen entdeckt. Diese Forscher konnten dann auch noch aus den Reinkulturen von Typhus-, Cholera-, Milzbrand-, Wundstarrkrampfbacillen sowie aus dem Erreger der Eiterungen, Staphylococcus pyogenes aureus, ähnliche Stoffe herstellen, welche sie Toxalbumine nannten. Endlich hat Buchner Untersuchungen veröffentlicht, welche beweisen, daß in gewissen Fällen weniger die Stoffwechselprodukte der krankheitserregenden B. bei den Infektionskrankheiten Fieber und Eiterungen hervorrufen, sondern daß diese Wirkung spezifischen Giftstoffen zuzuschreiben ist, welche die absterbenden oder abgestorbenen Leiber der Bakterienzellen enthalten. Manche B. sind ausgezeichnet durch die Bildung von Farbstoffen, während andre phosphoreszierende Substanzen erzeugen. Die Lebensdauer der B. ist für die einzelnen Arten verschieden; in den künstlichen Kulturen findet ein fortwährendes Kommen und Gehen von Generationen statt, und in Kulturen von einigen Wochen sind stets viele abgestorbene Individuen vorhanden; anderseits ist die sich auf Jahre erstreckende Lebensfähigkeit der Bacillensporen schon oben hervorgehoben. Aber auch die vegetativen Formen (so genannt im Gegensatz zu den Dauerformen, den Sporen) mancher Bacillen, und zwar gerade vieler pathogenen, zeichnen sich durch große Lebenszähigkeit aus; so ist beobachtet, daß sich Tuberkelbacillen in getrocknetem Auswurf bis 6 Monate, Rotzbacillen 3 Monate, Typhusbacillen 2 Jahre in getrockneten Kulturen lebensfähig erhalten haben. Abschwächung der Bakterien. Von vielen Bakterien ist bekannt, daß sie unter gewissen Bedingungen ihre hauptsächlichsten Eigenschaften ganz oder teilweise einbüßen, d. h. daß sie in ihren Wirkungen abgeschwächt werden, ohne daß sie in ihrem Aussehen oder in ihren Wachstumserscheinungen dabei eine merkliche Änderung erfahren. Solches ist sowohl bei gärungserregenden als auch bei krankheitserregenden Bakterien beobachtet. Die Einflüsse, welche eine solche Abschwächung herbeizuführen vermögen, sind hauptsächlich Hitze sowie auch chemische Substanzen, welche in höhern Graden, bez. in stärkerer Konzentration oder bei längerer Dauer der Einwirkung das Absterben der betreffenden Bakterien herbeiführen würden, aber bei richtiger Wahl nur eine Schwächung im angedeuteten Sinne verursachen. Wird bei der experimentellen Prüfung die Temperatur für die Abschwächung nur um wenige Zehntelgrade unrichtig gewählt, so kann dieselbe mißlingen, d. h. die Bakterien werden nicht im beabsichtigten Grade abgeschwächt oder sie sterben ab. Merkwürdigerweise überträgt die künstlich abgeschwächte Kultur ihre Eigenschaften auch auf alle weitern Generationen. So kann man z. B. durch Abschwächung der Milzbrandbakterien, indem man verschiedene Kulturen derselben verschiedenen Hitzegraden in verschieden langer Dauer aussetzt, solche Kulturen erhalten, welche nur noch Mäuse, aber keine Kaninchen, nur noch Kaninchen, aber keine Hämmel mehr töten etc. Alle so erhaltenen Kulturen übertragen diesen verminderten Grad der Giftigkeit auch auf die später aus ihnen hervorgehenden Bakterien. Auf diesen hochwichtigen Thatsachen, deren erste Kenntnis man Pasteur verdankt, beruhen die von demselben eingeführten Schutzimpfungen gegen Hühnercholera, Milzbrand, Rauschbrand, Schweinerotlauf und Hundswut (vgl. auch Immunität, Bd. 17). Bei der letztgenannten Krankheit, deren vielleicht bakterielle Erreger man noch nicht kennt, wird ein etwas andres Verfahren zur Abschwächung eingeschlagen: Stücke des Rückenmarks von mit Tollwut geimpften Kaninchen (man weiß, daß das Rückenmark der geimpften Tiere das Gift enthält) werden durch verschieden langes Trocknen in ihrer Giftigkeit abgeschwächt. Eine weitere Art der Abschwächung besteht nach Pasteur darin, daß man das betreffende Krankheitsgift auf für diese Krankheit wenig empfängliche Tiere verimpft. Ist dies mehrfach wiederholt worden, so erhält man durch Züchtung mit dem letztgeimpften Tiere eine Kultur von in bestimmtem Grade abgeschwächten Bakterien. Selbstverständlich zeigen Kulturen aus der Reihe dieser geimpften Versuchstiere heraus die verschiedenen Zwischenstufen der Giftigkeit zwischen der zuletzt erhaltenen und derjenigen Kultur, von welcher man ausgegangen war. Endlich wurde auch eine Abschwächung der infektiösen Eigenschaften mancher pathogener Bakterien beim fortdauernden Weiterzüchten auf den künstlichen Nährstoffen beobachtet; so verlieren Rotzbacillen, wenn sie durch eine Reihe von Generationen auf Agar-Agar gezüchtet sind, ihre Giftigkeit; auch bei andern pathogenen Bakterien ist dies schon beobachtet worden. Die Tuberkelbacillen halten dagegen ihre infektiösen Eigenschaften sehr fest. Nach einer Mitteilung Kochs beim zehnten internationalen medizinischen Kongreß, 1890, haben sich Tuberkelbacillen, welche er seit 9 Jahren im Reagenzglas fortgezüchtet hat, in ihrer Wirkung nur sehr wenig vermindert.

Die schädlich wirkenden B. können unschädlich gemacht werden radikal durch Abtötung, Sterilisierung oder mehr palliativ durch Entwickelungshemmung. Die völlige Abtötung der B. gelingt mit absoluter Sicherheit durch halbstündige Einwirkung von strömendem Wasserdampf von 100°; desgleichen durch genügend langes Kochen; die Dauer