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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Elektrische Zentralstationen

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Elektrische Zentralstationen (Drei- und Fünfleitersystem).

knüpft. So wird z. B. die für London geplante elektrotechnische Versuchsstation, welche den weitestgehenden Anforderungen genügen soll, zu 200,000 Mk. veranschlagt.

Elektrische Zentralstationen, Stationen, in welchen elektrische Energie in großem Maßstab erzeugt, mittels Leitungsnetzen den verschiedenen Verwendungsstellen zugeführt und dort zur Beleuchtung oder Leistung motorischer Arbeit verwendet wird. Die Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie in großem Maßstab hat in den letzten Jahren einen großartigen Aufschwung genommen. Viele Städte, unter andern Berlin, Hamburg, Elberfeld, Barmen, Königsberg, Stettin, Darmstadt, Mühlhausen, besitzen bereits Zentralen, viele Städte, unter andern Köln, Hannover, Breslau, Altona, sind in der Ausführung begriffen, nicht wenige endlich, wie Frankfurt a. M., Dresden, Düsseldorf u. a., werden in kurzem folgen.

Fast alle bislang in die Praxis eingeführten Verteilungssysteme beruhen auf dem Prinzip der Parallelschaltung. Alle Apparate, seien es Lampen, Motoren oder Akkumulatoren, sind in Parallelschaltung völlig unabhängig voneinander. Die Parallelschaltung bietet somit die größte Betriebssicherheit. Als Hauptforderung für ein solches System gilt: die Spannung muß an allen Punkten des Leitungsnetzes trotz wechselnder Energieentnahme konstant bleiben, da alle angeschlossenen Apparate nur bei einer ganz bestimmten Spannung ohne Störung arbeiten; namentlich ist dies für ein ruhiges, gleichmäßiges Brennen der elektrischen Lampen unbedingt notwendig. Die verschiedenen Arten der Verteilung elektrischer Energie in großem Maßstab unterscheiden sich im wesentlichen dadurch voneinander, daß sie auf verschiedenen Wegen die Verteilung auf große Entfernungen ohne allzu großen Aufwand von Leitungsmaterial zu erreichen suchen; denn mit den Entfernungen hat die Verteilung elektrischer Energie in großem Maßstab in erster Linie zu rechnen. Mit Rücksicht hierauf wird notwendigerweise immer eine Energie von höherer Spannung gewählt werden müssen. Die elektrische Energie pro Sekunde ist gleich dem Produkt aus Stromstärke und Spannung (Voltampère). Eine bestimmte Energiemenge erfordert bei hoher Spannung geringere Leitungsquerschnitte als bei niederer Spannung; denn der Strom ist es, welcher geleitet werden soll; er ist aber, gleiche Energiemenge vorausgesetzt, bei hoher Spannung geringer als bei niederer. Sind z. B. auf eine Entfernung von 1000 m 10,000 Voltampère zu übertragen, so muß, gleichen Verlust in den Leitungen vorausgesetzt, die Leitung bei 100 Volt zehnmal so stark sein, wie bei 1000 Volt Spannung; denn im ersten Fall sind 100, im zweiten Fall nur noch 10 Ampère zu leiten. Immerhin kann man die Spannung nicht ins Unbegrenzte erhöhen, da schließlich eine dauerhafte Isolation der Leitungen nicht mehr möglich ist; 5000 Volt dürfte zur Zeit die äußerste Grenze sein. Da nun hingegen die Spannung an den Lampen höchstens 150 Volt sein darf (für höhere Spannungen sind Glühlampen kaum herzustellen), so muß die erzeugte hohe Spannung auf irgend welche Weise so modifiziert werden, daß die eingeschalteten Apparate nur mit niederer Spannung gespeist werden. Dies geschieht entweder auf direktem Wege ohne Umwandlung der hohen Spannung in niedere, oder auf indirektem Wege dadurch, daß man vermittelst sogen. Transformatoren Energie hoher Spannung in solche von niederer Spannung umsetzt. Der direkte Weg wird hauptsächlich von den Systemen der Verteilung elektrischer Energie mittels Gleichstrom eingeschlagen, während der indirekte Weg augenblicklich noch vorwiegend durch das Wechselstromsystem bethätigt wird.

Die Verteilung elektrischer Energie auf direktem Wege geschieht mittels der sogen. Leitersysteme. Das Dreileitersystem, zuerst von Edison und Hopkinson angegeben, besteht darin, daß man zwei Gleichstrommaschinen R_{1} R_{2} (Fig. 1) hintereinander schaltet, so daß bei a der positive, bei c der negative Pol ist. Da beide Maschinen hintereinander geschaltet sind, so herrscht zwischen a und c, also auch zwischen den Leitungen F+ und F- die Summe der Spannungen beider Maschinen; liefern z. B. beide je 100 Volt, so herrscht zwischen F+ und F- 200 Volt Spannung. Legt man jetzt eine dritte Leitung F_{0} bei h an, so herrscht zwischen F+ und F_{0} sowie zwischen F_{0} und F- nur eine Spannung von 100 Volt. Das System ist also derart eingerichtet, daß wir eine höhere Spannung (etwa 200 Volt) erzeugen, jedoch für die einzuschaltenden Apparate (Lampen etc.) die halbe Spannung (100 Volt) verfügbar haben, wir schalten sie in die beiden Zweige F+, F_{0} und F_{0}, F- ein. Der wesentliche Vorteil des Dreileitersystems besteht somit in dem Umstand, daß man die doppelte Spannung eines gewöhnlichen Zweileitersystems anwenden kann, ohne daß die Betriebsspannung erhöht wird; die Betriebsspannung aber muß eine niedere sein, da Glühlampen höchstens bis zu 150 Volt hergestellt werden können. Der mittlere Leiter F_{0} ist sozusagen stromlos; er wird daher nur drei Viertel so stark gewählt, wie die Leiter F+ und F-. Mittels des Dreileitersystems spart man gegenüber einem Zweileitersystem infolge der höhern Spannung 35 Proz. an Kupfer für die Leitungen; oder man kann bei gleicher Kupfermenge auf eine viel weitere Entfernung elektrische Energie verteilen, ehe derselbe Leitungsverlust auftritt.

Das Fünfleitersystem ist eine einfache Weiterbildung des Dreileitersystems. Fig. 2 zeigt ein Schema desselben. Es besitzt 4 Maschinen R und 5 Leitungen. Mittels dieses Systems kann man die Spannung vervierfachen und erhält trotzdem in den einzelnen Zweigen nur die einfache Spannung, wie sie die Glühlampen erfordern. Der Kupferaufwand für die Leitungen verringert sich im Vergleich zu einem Zweileitersystem um 66 Proz., d. h. man kann mittels dieses Systems schon auf ganz gewaltige Entfernungen hin elektrische Energie verteilen, ohne übermäßigen Leitungskosten zu begegnen.

Drei- und Fünfleitersysteme werden namentlich in neuester Zeit viel zur Ausführung gebracht, hauptsächlich mit Akkumulatorenbatterien, welche in die einzelnen Zweige eingeschaltet sind, und es fehlt nicht an Stimmen, welche diese Leitersysteme namentlich in Verbindung mit Akkumulatoren als die leistungsfähigsten Anordnungen für e. Z. ansehen.

Auf indirektem Wege kann man endlich elektrische Energie mittels Akkumulatoren oder Gleichstromtransformatoren bei Gleichstrom, oder mittels

^[Abb.: Fig. 1. Dreileitersystem.]

^[Abb.: Fig. 2. Fünfleitersystem.]