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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Frankreich

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Frankreich (Handel, Verkehrswesen).

jene Länder, welche Frankreichs Handel begünstigen, zu setzen wünschten. Nachdem auch der oberste Handels- und der Ackerbaurat ihr Votum abgegeben hatten, legte der Handelsminister im Oktober 1890 der Kammer den Entwurf des Generalzolltarifs vor, welcher in einen Maximaltarif zur Regelung der Beziehungen Frankreichs gegenüber denjenigen Staaten, welche F. keine Begünstigungen einräumen, und in einen Minimaltarif, welcher ausschließlich für jene Nationen bestimmt ist, welche den französischen Handel begünstigen, zerfällt. Hiernach sollen unter anderm rohe Schafwolle, Baumwolle, Flachs, Hanf und Jute, rohe Häute und Felle zollfrei bleiben. Bezüglich der Posten Cerealien und Vieh will sich F. die Aktionsfreiheit in Bezug auf die Tarifierung vorbehalten, doch ist der Zollsatz auf Vieh statt wie bisher nach dem Stück nach Lebendgewicht bestimmt. Ölfrüchte werden nach den erhöhten Zollsätzen auf Öl behandelt. Die Zollsätze auf Holz werden erhöht, diejenigen auf Steinkohlen bleiben wie bisher. Die Zölle auf Stahl werden herabgesetzt, auf chemische Produkte im bisherigen Stande erhalten; jene auf ausländische Weine werden nach dem Alkoholgehalt berechnet, die Zölle auf Bier erhöht. Endlich werden Garne und Gewebe aus Flachs, Hanf und Baumwolle nach den Zolltarifsätzen vom Jahre 1881 behandelt. Auch noch für die Zwischenzeit bis 1892 wußten die Protektionisten einige Zollerhöhungen in der Kammer durchzusetzen. So wurde für Mais und Reis ein Einfuhrzoll von 3 Fr. (für Reis in Körnern 8 Fr.), für Melasse je nach dem Zuckergehalt von 1,40, 2,50 und 5 Fr. pro 100 kg festgesetzt. Von den bestehenden Handelsverträgen ist der französisch-türkische Vertrag zuerst, nämlich schon 13. März 1890, abgelaufen. Es wurde beschlossen, diesen Vertrag nicht zu erneuern, um nicht kurz vor dem Ablauf aller übrigen Verträge neue Verbindlichkeiten zu schaffen, und wurde nur auf Grund einer Klausel des zwischen beiden Nationen 1802 abgeschlossenen Freundschaftsvertrags die Meistbegünstigung im Verkehr mit der Türkei anerkannt. Über diese Frage ist bekanntlich das Ministerium Tirard gefallen, weil beim Meistbegünstigungsregime die Einfuhr getrockneter Trauben aus der Türkei, deren Beschränkung gefordert wurde, nicht gehindert werden konnte. Das Ministerium Freycinet fand nun den Ausweg aus dieser Schwierigkeit in der Dekretierung der Besteuerung des Rosinenweins (s. oben), wonach das Meistbegünstigungsregime gegenüber der Türkei nicht weiter angefochten wurde. Ein Gesetz vom 19. Juli 1890 regelt die Handelsbeziehungen Frankreichs zu Tunis. Da man den Abschluß einer Handelskonvention mit Tunis vermeiden und auch die Regentschaft nicht in das französische Zollgebiet aufnehmen wollte, wurde das Zugeständnis dahin gemacht, daß Cerealien, Öl, lebende Tiere, Geflügel und Wild bei der Einfuhr nach F. vollständig zollfrei sind, tunesische Weine einen ermäßigten Zoll (0,60 Fr. pro Hektoliter) und alle übrigen aus Tunis stammenden Waren beim Eintritt nach F. die niedrigsten Zollsätze, welche für gleichartige fremde Produkte in Kraft stehen, zu entrichten haben. Gewisse Beschränkungen in Bezug auf die Menge der aus Tunis einzuführenden Waren, die Verschiffungshäfen und Beibringung von Ursprungsattesten, sollen verhindern, daß fremde Produkte ihren Weg über Tunis nach F. nehmen.

Die Schiffahrtsbewegung in den französischen Häfen zeigt im J. 1889 gegen die Vorjahre einen Rückgang. Der Tonnengehalt der ein- und ausgelaufenen Schiffe betrug nämlich 10¾ Mill. Ton. gegen 11⅓ Mill. T. im J. 1888 und 11 Mill. T. im J. 1887. Die erste Stelle nimmt, wie immer, Marseille mit 3½ Mill. T. ein, hiernach kommt Havre mit 1,7 Mill., Bordeaux mit 1 Mill. T. Während der Verkehr in diesen Häfen etwas zurückgegangen ist, macht nur Dünkirchen bedeutende Fortschritte; der Verkehr stieg nämlich von 658,000 T. im J. 1887 auf 661,000 T. im J. 1888 und auf 830,000 T. im J. 1889. Auch der Stand der französischen Handelsmarine hat sich nicht entsprechend der Entwickelung dieses Zweiges in andern Ländern gehoben. Die Dampferflotte Frankreichs, welche sich in den Jahren 1879-84 von 255,959 bis zum höchsten Stande von 511,072 T. aufgeschwungen hatte, ist seither zurückgegangen und betrug 1889: 492,684 T. Immerhin ist in dem Dezennium 1879-1889 der Anteil, welchen die französische Flagge an der maritimen Bewegung Frankreichs hatte, von 33,4 auf 38,7 Proz. gestiegen, und man schreibt dieses relativ günstige Resultat hauptsächlich dem System der Schiffahrtsprämien zu. Viel größer ist allerdings die Vermehrung der fremden Marinen, und F. hat den zweiten Rang, den es in Bezug auf die Dampferflotte 1879 behauptete, seither an Deutschland abgeben müssen (vgl. Dampfschiffahrt, S. 177). Wenn man auch die Segelschiffe in Betracht zieht, nimmt F. mit seiner gesamten Handelsmarine sogar nur den neunten Rang unter den seefahrenden Nationen ein. Im Hinblick auf diese Verhältnisse wurden durch Gesetz vom 31. Juli 1890 die Bestimmungen des Gesetzes vom 29. Jan. 1881, betreffend die Schiffahrtsprämien, vorläufig bis zum 29. Jan. 1892 in Kraft erhalten. Auf den Handel beziehen sich noch folgende, in letzter Zeit erlassene Gesetze und Verfügungen: die Einsetzung eines beratenden Ausschusses der Konsulate im Ministerium des Äußern, welche die Einleitung einer Reform des Konsulatswesens bilden soll, die Besteuerung ausländischer Handelsreisenden, Marktkrämer und Hausierer, welche bisher der Gewerbesteuer, wenn sie auf dem Landweg nach F. kamen, nicht unterzogen wurden. Infolge der gegen die großen Pariser Magazine gerichteten Agitation der Kleingewerbtreibenden und Detailhändler ist die Erwerbsteuer dieser prosperierenden Unternehmungen im Budget pro 1891 erheblich höher eingestellt, indem sowohl die fixe Gebühr als die Taxe nach der Kopfzahl der Angestellten verdoppelt wurde. Das Institut der französischen Handelskammern im Ausland hat sich bis zu 30 solcher Kammern ausgedehnt, wovon aber nur 16 staatlich subventioniert sind; neuerdings wurde die weitere Vermehrung dieser Körperschaften und die Subventionierung derselben in Erwägung gezogen. Die in Paris bestehenden ausländischen Handelskammern haben beschlossen, ein internationales Schiedsgericht für streitige Handelssachen zu errichten.

Das französische Eisenbahnnetz hatte Ende 1889 eine gesamte Betriebslänge von 33,174 km, d. h. um 542 km mehr als am Schlusse des Vorjahrs. Hierin sind die Lokalbahnen nicht eingerechnet, welche gleichzeitig eine Ausdehnung von 2944 km hatten und gegen Ende 1888 um 558 km zugenommen hatten. Das Staatsbahnnetz hatte Ende 1889 eine Betriebslänge von 2628 km. Die auf den französischen Eisenbahnen im J. 1889 erzielten Einnahmen beliefen sich auf 1132 Mill. Fr. (81,7 Mill. Fr. mehr als im J. 1888), pro Kilometer 34,433 Fr. (um 1750 Fr. mehr als 1888). Die Einnahmen der Staatsbahnen berechneten sich auf 35,5 Mill. Fr. (1,3 Mill. Fr. mehr als 1888) oder pro Kilometer auf 13,550 Fr. Die größte Betriebslänge (8024 km) und die höchste Einnahmeziffer (345,5 Mill. Fr., pro Kilometer 43,601 Fr.) zeigt die Paris-Lyon-Mittelmeerbahn.