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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gelbes Fieber; Gelbke; Geldmarkt und Börse 1889/90

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Gelbes Fieber - Geldmarkt und Börse 1889/90.

Grenzen der heutigen Interdiktion, resp. Entmündigung hinausgehende Fürsorge für den Rechtsschutz jedes Geisteskranken; 6) Schutzmaßregeln gegen die Vererbung von G. und eine dem entsprechende Änderung des Eherechts; 7) gesetzliche Bestimmungen über die privat- und strafrechtliche Stellung derjenigen Kranken, die nicht ganz zurechnungsfähig sind und nicht unbeschränkt disponieren dürfen, ohne doch geradezu geisteskrank zu sein (Schwachsinnige, Epileptiker, Alkoholisten etc.), oder ohne es permanent zu sein; 8) Maßregeln gegen die heutzutage noch in unglaublich zahlreichen Fällen vorkommende Verurteilung wegen Strafthaten, die von Geisteskranken begangen worden sind; 9) Bestimmungen über die Internierung geisteskrank gewordener Verbrecher und verbrecherischer Geisteskranker in besondern, mit Straf- und Irrenanstalten in keiner Weise zusammenhängenden Anstalten.

Zu 1). Viele europäische Staaten erfüllen diese Pflicht, jedoch kein einziger deutscher Staat. In Preußen speziell wird eine Verpflichtung zur öffentlichen Fürsorge für Irre überhaupt nicht anerkannt; hier beruht das öffentliche Irrenwesen nur auf § 31 des Gesetzes vom 8. März 1871 (Unterstützungswohnsitz), wonach die Landarmenverbände befugt sind, für Bewahrung und Pflege hilfsbedürftiger Geisteskranker Anstalten einzurichten. Diese Verbände haben von dieser Befugnis nur sehr wenig Gebrauch gemacht; gleichwohl hat der preußische Staat über diese Erteilung einer Befugnis hinaus nichts gethan.

Zu 2). Das Interesse der öffentlichen Ordnung wie das eines geistig erkrankten Menschen erfordert gleich unbedingt die schleunige Überführung in sachverständige Behandlung. Sind die Irrenanstalten zweckmäßig eingerichtet, so sind sie natürlich die einzigen Orte, in die ein Kranker gehört. Leider sind viele Anstalten nicht zweckmäßig eingerichtet. Ihre schlimmsten Fehler: Überfüllung, unterschiedslose Anhäufung heilbarer Kranker unter gänzlich verblödeten, sicher Unheilbaren, zu sparsame Verpflegung, unzureichende Schulung des Wartepersonals, unzureichende spezialistische Vorbildung und zu geringe Anzahl der behandelnden Ärzte, Überbürdung der dirigierenden Ärzte mit ökonomischen und Büreaugeschäften, büreaukratische Organisation des ärztlichen Dienstes, berechtigen nur zu oft die Unzufriedenheit der Kranken und ihrer Angehörigen und den Zweifel, ob ein Anstaltsaufenthalt für einen geistig Erkrankten unter allen Umständen von Vorteil ist. Jedenfalls werden diese Übelstände von den Irrenärzten selbst am lebhaftesten empfunden und beklagt.

Zu 3) und 4). Die Sorge für die öffentliche Ruhe und für die Heilung frisch erkrankter Irrer steht höher als die Rücksicht auf die an sich sehr geringe Gefahr, daß ein Nichtgeisteskranker infolge eines schnellen Verfahrens, lügenhafter, nicht genügend verifizierter Aussagen in eine Irrenanstalt gebracht werden könnte. Fälle von längerer Zurückhaltung geistig Gesunder in Anstalten sind in Preußen in den letzten 40 Jahren nicht vorgekommen. Das schließt freilich nicht aus, daß Klagen über ungerechtfertigte Zurückhaltung in Anstalten ins Publikum gelangten. Prüft man diese Fälle genauer, so handelt es sich jedesmal entweder um an Paranöa Erkrankte, die ungeheilt entlassen wurden, und denen ihr Anstaltsaufenthalt als Glied in der Kette der erlittenen Verfolgungen erscheint, oder um Fälle von periodischer Geistesstörung, bei denen in freien Intervallen keine Krankheitseinsicht besteht, dagegen eine oft sehr entwickelte Rhetorik und Darstellungsgabe, oder drittens um Trunk- und Morphiumsüchtige, die nach längerer Entziehung ihres Genußmittels gesund erscheinen können, oder schließlich um Fälle aus dem sehr umfangreichen Grenzgebiet der Geistesstörungen, d. h. um Schwachsinnige, Pseudogenies, verkommene und verbrecherische Naturen, erfolglose Entdecker, Erfinder, Propheten, kurz um Individuen, deren Leben ein fortwährendes Hin- und Herpendeln zwischen noch normaler Erregtheit und beginnender Geistesstörung ist. Hier ist es sehr wohl möglich, daß verschiedene Beobachter, denen nicht genügend Zeit zur Disposition steht, zwei ganz verschiedene Phasen im Geistesleben eines zu Begutachtenden vor Augen hatten, die Verschiedenheit des Beobachtungsmaterials erklärt natürlich die Verschiedenheit der Schlußfolgerungen. Es ist somit nicht angezeigt, aus Furcht vor der Internierung Gesunder die Gewährung der Aufnahme in eine Anstalt abhängig zu machen von einem verwickelten Instanzengang durch administrative und richterliche Behörden hindurch und von deren Überzeugung von einer vorliegenden Geistesstörung, wie das in Holland geschieht, und ebensowenig ist es wahrscheinlich, daß ein Geschwornengericht, dessen Verdikt für Geisteskrankheit (wie in einzelnen nordamerikanischen Staaten) Bedingung für die Aufnahme in die Anstalt ist, ein besseres Urteil haben sollte als der Sachverständige. Die grundlosen Klagen über die Internierung Gesunder in den Anstalten haben zu dem Verlangen geführt, den Juristen allein für kompetent gelten zu lassen in der Frage, ob jemand geisteskrank ist oder nicht.

Die unter Nr. 5 bis 9 angeführten Forderungen sind heute allgemein anerkannt und bedürfen keiner nähern Begründung. Vgl. Reuß, Der Rechtsschutz der Geisteskranken (Leipz. 1888); Schröder, Das Recht im Irrenwesen (Zürich 1890).

Gelbes Fieber, s. Akklimatisation, S. 10.

Gelbke, Johannes Gustav, Männergesangskomponist, geb. 19. Juli 1845 zu Radeberg bei Dresden, besuchte daselbst die Kreuzschule, wurde durch Jul. Otto, dann auf dem Leipziger Konservatorium in der Musik ausgebildet, lebte als Musiklehrer und Gesangvereinsdirigent in Leipzig, jetzt in Buffalo im Staat New York, wo er sich derselben Thätigkeit widmet. Von seinen Männerchören ist die »Heimkehr« (»Horch, die alten Eichen rauschen«) am bekanntesten geworden.

Geldmarkt und Börse 1889/90. Im europäischen Börsenverkehr hat sich eine bemerkenswerte Umgestaltung der Verhältnisse vollzogen. Auf dem Gebiete des Kapitalmarktes hat sich der internationale Verkehr und auf dem Spekulationsmarkt der Lokalverkehr verschärft. Diese Erscheinung ist besonders in Berlin sichtbar geworden. An der Londoner Börse beschränkte der Handel in Minenaktien jede andre Transaktion. Die Wiener Börse wollte dem Berliner Vorbild folgen und schob einige Industrie- und Bergwerksaktien in den Vordergrund. In Berlin hatten anfangs die Aktien industrieller Unternehmungen, zunächst Brauereiaktien, die Gunst der Spekulanten erworben. Es entwickelte sich ein interessantes Treiben. Heute wurde für Brauereien, morgen für Maschinen- und am folgenden Tage für Zement- und andre Aktien agitiert. Kurssteigerungen um eine ganze Hand voll Prozente waren keine Seltenheit. Diese Bewegungen waren der Ursprung eines Gründungsfiebers, wie es nicht schlimmer in den sogen. Gründerjahren bestanden hat. Infolge der neuen Gesetzgebung konnte der Gründergewinn nicht dem Kapital zugeschlagen werden. Er wurde deshalb in