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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Hauser; Hausindustrie

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Hauser - Hausindustrie.

1880 in Göttingen, erhielt 1883 daselbst die Professur der Assyriologie, vertauschte dieselbe aber noch im Herbst d. J. mit derjenigen an der John Hopkins-Universität zu Baltimore. Er veröffentlichte: »Die sumerischen Familiengesetze« (Leipz. 1879) in der von ihm mit Friedrich Delitzsch herausgegebenen »Assyriologischen Bibliothek«; »Akkadische und sumerische Keilschrifttexte« (das. 1881-82, 4. Teil) und »Das babylonische Nimrodepos« (das. 1884); ferner: »Der keilinschriftliche Sintflutbericht« (das. 1881); »Die akkadische Sprache« (Berl. 1883); »Beiträge zur assyrischen Lautlehre« (Götting. 1884); »Prolegomena to a comparative Assyrian grammar« (Newhaven 1888). Mit Friedr. Delitzsch gibt er auch die »Beiträge zur Assyriologie« (Leipz. 1890, Bd. 1) heraus.

Hauser, 4) Walter, schweizer. Bundesrat (s. Bd. 17), starb 3. Febr. 1891 in Ospedaletti.

Hausindustrie ist diejenige gewerbliche Betriebsform, welche mit der Arbeit in eignen Räumen auf den Absatz der Massenproduktion durch Vermittelung der Großhändler für den Vertrieb im großen gerichtet ist. Da die hausindustrielle Betriebsform einen Gegenstand darstellt, der sozusagen im Flusse der Zeiten steht, so umfaßt selbst der engere Begriff derselben als historischer Begriff eine Reihe von Entwickelungsstufen. Ursprünglich bildete der Hausarbeiter eine wirtschaftliche Einheit, deren Produktion und Konsumtion unter einem Dache sich vollzogen. Als dann die häusliche Gewerbthätigkeit über den Bedarf der eignen Familie hinausging, suchte der Hausarbeiter zunächst selbständig Absatz außerhalb der letztern und trat schließlich unter Zuhilfenahme fremder Vermittler mit der Massenherstellung gleichartiger Erzeugnisse in den Austausch des Weltmarktes ein. Sobald der Hausindustrielle selbständig auf dem Markte erschien, wurde aus ihm ein Kleingewerbtreibender, dessen Entwickelung zum Fabrikanten nur eine Frage der Zeit und der Glücksfälle war. Lediglich als Unterschiede der Gewerbearten, nicht aber der Betriebsformen selbst sind die verschiedenen Gruppen zu betrachten, in welchen einerseits die Besonderheit des Arbeitsortes, anderseits die Besonderheit der Arbeitsart sowie die Eigenart des Absatzes, die Beschaffung des Rohstoffes und der Werkzeuge oder die Vereinigung mehrerer dieser Bedingungen hervortritt.

Eine zuverlässige und anfechtungslose Statistik über die H. konnte bis jetzt nicht gewonnen werden, da anläßlich der bezüglichen Erhebungen die Angaben der Hausindustriellen selbst und die der Arbeitgeber beträchtliche Abweichungen voneinander zeigten. Nach der Reichsstatistik kommen auf 1000 Einw. im Reich ungefähr 10,5 Hausindustrielle. Die Gesamtzahl aller Hausarbeiter im Deutschen Reiche beziffert sich auf etwa 500,000. Durchschnittlich arbeiten in der H. 43,9 Proz. weibliche Personen. Diese Ziffer steigert sich in Gewerbezweigen, welche gleichsam einen Ausfluß weiblicher Handarbeit darstellen, z. B. in der Häkelei und Stickerei, Näherei, Putzmacherei, Plätterei und Wäscherei, in der Spitzenindustrie, Konfektion, bei den Seidenfilanden, Verfertigung von Krawatten und Handschuhen etc., bis zu 90 Proz., während anderseits bei der Verarbeitung von Eisen, Blech, Holz, Leder etc. fast ausschließlich Männer beschäftigt sind. Die Kinderarbeit hat in der H. nach vorhandenen Monographien eine sehr große Ausbreitung gewonnen; offenbar unrichtig sind in dieser Hinsicht die Angaben der offiziellen Berufsstatistik, welche einen Prozentsatz von 1,3 ergeben.

Die Entstehung der H. ist teils auf das Territorium, die Unfruchtbarkeit des Bodens und im Zusammenhang hiermit auf den geringen Ertrag der Landwirtschaft, Reichtum an Wasserläufen, Vorhandensein entsprechenden Rohmaterials, Mangel an guten Verkehrswegen etc. sowie auf soziale Ursachen zurückzuführen. Neben diesen Ursachen allgemeiner Natur waren besondere Umstände, wie das vorübergehende Bedürfnis einer aufstrebenden Industrie, die Ergänzung geschlossener Unternehmungen durch dezentralisierten Betrieb, von Einfluß auf die Entstehung der H. Begrifflich kann dieselbe nur gedacht werden, indem eine Hausarbeit in ihrem Umfang und ihrem Charakter zur Industrie sich entwickelt, oder umgekehrt, indem eine Industrie nachträglich bestimmte Teilarbeiten aus dem Betrieb heraus in die Hausarbeit verlegt.

In Bezug auf die Topographie der H. hat man festgestellt, daß die letztere ihren Ursprung und Sitz zum weitaus größten Teile an den Abhängen und auf dem Gebirge des mitteldeutschen Berglandes, insonderheit in den Bezirken des oberrheinischen Gebirgssystems sowie im Riesengebirge, im Erz- und Fichtelgebirge, auf dem Thüringer Wald und dem Schwäbischen und Fränkischen Jura, hat. Das Zentrum der H. ist das Königreich Sachsen. Nach O. hin ist die Leinen- und Baumwollindustrie in den Bezirken von Bautzen, Liegnitz, Breslau, nach W. die Strumpfwarenfabrikation sowie die Baumwoll- und Wollindustrie von Zwickau, Leipzig, den beiden Reuß und Sachsen-Weimar, in und um Erfurt und Schaumburg-Lippe auch die Leinenindustrie hauptsächlich vertreten. Thüringen hat vornehmlich Spielwarenindustrie und Korbflechterei; in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Aachen am Niederrhein steht die Seidenbranche und die Verfertigung von eisernen Kurzwaren im Vordergrund. Holz- und Strohflechterei, Häkelei und Stickerei sind in Lothringen und Unterelsaß, Uhrenfabrikation und Schuhmacherei im Schwarzwaldkreis; in Bremen Tabaksfabrikation und in Berlin Bekleidungsindustrie vertreten. Im Ausland ist die H. in größerm Umfang anzutreffen in den holzreichen Gebirgsthälern von Südtirol, auf dem böhmisch-mährischen Hügelland, den Beskiden und Karpathen sowie auf dem siebenbürgischen Hochland, in Böhmen und auf dem Böhmerwald, in Österreich-Ungarn überhaupt, in der Schweiz (an den Abhängen der Alpen und in den Thälern des Juragebirges), in Frankreich, England, Rußland etc.

Hinsichtlich des sozialen Charakters hat die hausindustrielle Betriebsform neben großen Vorzügen auch augenfällige Schattenseiten, wie: mangelhafte Konkurrenz- und Produktionsfähigkeit, Schwerfälligkeit und Indolenz gegenüber den wechselnden Anforderungen der Zeit und der Technik, große Schwankungen der Löhne und damit zusammenhängend unsichere wirtschaftliche Grundlage, Ausbeutung seitens der Unternehmer und Zwischenhändler (Verleger, Faktoren, Fercher), unbeschränkte Arbeitszeit aus Mangel an gesetzlicher Kontrolle, ungenügende und ungesunde Arbeits- und Wohnungsverhältnisse, Korruption des Lehrlingswesens, frühes Selbständigwerden und vorzeitige Heiraten, stellenweise Erschlaffung des moralischen Gefühls infolge trauriger Notstände, Hilflosigkeit bei eintretendem Unglück u. dgl. m. Dem gegenüber sind als Vorzüge der hausindustriellen Betriebsform zu nennen: individuelle Selbständigkeit und Freiheit, Zusammenhang der Familie und bessere Erziehung durch die sittigende Kraft der letztern, Gesundheitspflege durch die aus-^[folgende Seite]