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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Historische Litteratur

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Historische Litteratur (Preußen, Baden, Bayern etc., Österreich, Päpste).

Urteils über die damals maßgebenden Persönlichkeiten interessant. Manches Neue enthalten die Denkschriften des Freiherrn v. Canitz und Dallwitz (Berl. 1888, 2 Bde.), der vor der Märzrevolution Minister des Auswärtigen in Berlin war, doch lassen sie sich an Bedeutung nicht vergleichen mit den Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Generals Oldwig v. Natzmer, die unter dem Titel »Unter den Hohenzollern« in 4 Bänden (Gotha 1887-88) erschienen sind. Sie umfassen den großen Zeitraum 1820-61 und sind besonders wertvoll durch den Briefwechsel des Prinzen, spätern Kaisers Wilhelm I., mit Natzmer, der ihm seit 1814 persönlich nahestand.

Für die Geschichte der einzelnen preußischen Landesteile kommen in Betracht: O. Schwebel, »Geschichte der Stadt Berlin« (Berl. 1888, 2 Bde.), die von der großen Belesenheit des Verfassers zeugt, aber in der Benutzung der Quellen Kritik manchmal noch vermissen läßt. Band 1 reicht bis 1640, Band 2 bis zur Gegenwart; interessant ist die Erklärung der Namen Berlin als »Tummelplatz des Federviehes« und Kölln als »Dorf auf Pfählen«, beide aus dem Wendischen. Eine vortreffliche Geschichte von »Potsdam und Sanssouci« hat der durch seine gründlichen Forschungen in der märkischen Geschichte bekannte G. Sello (Bresl. 1888) verfaßt; er greift auf die alte Erklärung des Namens Potsdam »unter den Eichen« zurück. Ein Seitenstück zu seinen vielgelesenen »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« liefert Th. Fontane in »Fünf Schlösser. Altes und Neues aus der Mark Brandenburg« (Berl. 1889); unter andern werden hier die Schicksale der Quitzowschen Burgen Quitzöwel und Plaue behandelt. H. Pröhle, »Die Lehninische Weissagung« (Berl. 1888), schreibt die Autorschaft der bekannten Fälschung wieder dem Abt Nikolaus v. Zitzewitz zu. Der als Kenner der schlesischen Geschichte bekannte Geheime Archivrat K. Grünhagen hat ein Werk über »Schlesien unter Friedrich d. Gr.« begonnen, wovon Band 1 bis 1745 reicht und besonders in den Abschnitten, welche von der Umgestaltung Schlesiens in eine preußische Provinz handeln, interessant ist. Eine Fülle bisher unbekannten urkundlichen Materials hat J. ^[Joseph] Hansen im 1. Band seines Buches »Westfalen und Rheinland im 15. Jahrhundert« (Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven, Bd. 34) über die Soester Fehde veröffentlicht. Demselben Gelehrten verdankt man auch die Herausgabe von Band 2 der Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte (»Chroniken der deutschen Städte«, Bd. 21, Leipz. 1889), der meist Quellen zur Geschichte der Soester Fehde enthält. K. Menzel hat seine »Geschichte von Nassau«, die Fortsetzung des vielbändigen Werkes von Schliephake, im 3. Bande (1889), dem 7. des Gesamtwerks, bis zum Regierungsantritt des Herzogs Wilhelm (1816) geführt und damit beendigt. Obwohl mehr in das Gebiet der Kunstgeschichte gehörig, verdient doch auch hier erwähnt zu werden das mit vortrefflichen Abbildungen und Tafeln ausgestattete Werk von Steinbrecht, »Preußen zur Zeit der Landmeister; Beiträge zur Baukunst des Deutschen Ritterordens 1230-1309« (Berl. 1888), worin die jenem Zeitraum angehörenden Ordensburgen und Kirchen in Preußen besprochen und an künstlerischem Werte über die Bauten der folgenden Zeit gestellt werden. Aus der historischen Litteratur über die kleinern Staaten Deutschlands erwähnen wir: B. Erdmannsdörffer, »Politische Korrespondenz Karl Friedrichs von Baden«, deren 1. Band (Heidelb. 1888) die Jahre 1783-92 umfaßt; darin sind wichtige Aktenstücke über die Entstehung des Fürstenbundes und Badens Stellung zu Frankreich und andern Mächten mitgeteilt. S. Riezler hat von seiner »Geschichte Bayerns« den 3. Band (Gotha 1889) veröffentlicht, der den Zeitraum 1347-1508 behandelt. Eher ein psychologisches als historisches Interesse erregen die »Briefe der Kurfürstin Sophie von Hannover an die Raugräfinnen und Raugrafen zu Pfalz«, die E. Bodemann (Leipz. 1888) in Band 27 der »Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven« herausgegeben hat. Ungleich wertvoller für die Geschichte und besonders geeignet, das Urteil über König Friedrich von Württemberg, der 1808 nur um der Selbsterhaltung willen auf Frankreichs Seite trat, günstiger zu gestalten, ist dessen »Politische und militärische Korrespondenz mit Napoleon I. 1805-13« (Stuttg. 1889), deren Herausgabe wir A. v. Schloßberger verdanken. Zum Schlusse machen wir noch auf zwei Schriften zur Geschichte der Hansestädte aufmerksam: M. Hoffmann, »Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck«, deren erste Hälfte (Lübeck 1889) mit Sachkenntnis deren Geschichte bis zum Schlusse des Mittelalters behandelt; R. Ehrenberg hat der Eintritt Hamburgs in den Zollverein Anlaß zu der Schrift »Wie wurde Hamburg groß? I. Die Anfänge des Hamburger Freihafens« (Hamb. 1888) gegeben; danach hat man schon 1692 daran gedacht, den Transitzoll dort aufzuheben, doch ist er nur allmählich verringert und erst 1874 ganz aufgehoben worden.

Ausland.

Österreich. Die in der Heeren-Ukertschen Sammlung seit 1884 erscheinende »Geschichte Österreichs« von A. Huber ist um einen dritten Band (Gotha 1888) vermehrt worden. Derselbe schildert die Entstehung der modernen Großmacht Österreich, die nach einer Periode tiefsten Verfalls durch die Vereinigung mit Ungarn und Böhmen (1527) im wesentlichen den heutigen Umfang erreichte. Der Herzog von Broglie, der aus frühern Schriften als erbitterter Feind Friedrichs d. Gr. von Preußen bekannt ist, hat wieder einige seiner in der »Revue des Deux Mondes« veröffentlichten Aufsätze zu einem Buche: »Marie Thérèse impératrice« (Par. 1888, 2 Bde.), vereinigt, worin mit gleicher Parteilichkeit ein Zeitraum des österreichischen Erbfolgekriegs (1744-46) geschildert wird; es handelt sich hier vornehmlich um die Stellung Frankreichs zu Kaiser Karl VII. und Friedrich II. von Preußen. E. Wertheimer hat dem schon 1884 erschienenen ersten Bande seiner »Geschichte Österreichs und Ungarns im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts« 1890 einen zweiten folgen lassen, welcher sowohl über die Schlacht bei Aspern als über die innern Verhältnisse des Kaiserstaats manche neuen Aufschlüsse gibt. Trotz mancher Mängel der Darstellung ist die Biographie des Fürsten Ludwig Starhemberg, ehemaligen Gesandten in London, die sein Enkel Graf Thürheim (Graz 1889) verfaßt hat, für die Kenntnis des Napoleonischen Zeitalters von Bedeutung, besonders wegen der darin enthaltenen Briefe von Gentz, Stadion u. a. Die zahlreichen Veröffentlichungen aus Metternichs Nachlaß benutzt de Mazade, »Un chancelier d'ancien régime« (Par. 1889), zu einer recht lesbaren Charakteristik des österreichischen Staatsmannes.

Päpste. Der Abbé O. Delarc liefert in dem Werke »Saint Grégoire VII et la réforme de l'Église au XI. siècle«, wovon Band 1 und 2 (Par. 1889) nur Gregors Leben bis zu seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl behandeln, eine recht breit angelegte Darstellung über jene welthistorische Persön-^[folgende Seite]