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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Italienische Litteratur

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Italienische Litteratur (Philosophie, Geographie etc.).

len und die Chronologie behandelnde Band 1888 erschien. Dagegen erhebt sich sein illustriertes »Leben Jesu« (1890) nicht über das Niveau populärer Litteratur. Ähnlichen Charakters sind Francesco Bertolinis »Geschichte von Rom« und »Geschichte des Mittelalters«, während Domenico Giuriatis »Memorie di un vecchio avvocato« (1888) sich auf dem äußersten Gebiet der Geschichte, wo sie schon an den historischen Roman grenzt, bewegen. Wichtige Hilfsmittel für das Studium der Geschichte Italiens bieten Carlo Lozzis »Biblioteca istorica della antica e nuova Italia« (1886-87), die Publikationen des seit 1884 bestehenden Istituto storico italiano und der provinzialen Deputazioni di storia patria.

Für die Geschichte andrer Länder ist in Italien nicht viel geleistet worden. Man findet wenig Neues in R. Bonghis »Storia dell' Europa durante la rivoluzione francese«, von welcher der erste, die Vorläufer der Revolution behandelnde Band 1890 erschien, und noch weniger in Licurgo Cappellettis fleißiger »Storia critica della rivoluzione francese« (1889, 3 Bde.). Letzterer gab auch 1890 eine verbesserte Ausgabe seiner »Donne della rivoluzione« heraus. Interessante Dokumente über die italienische Legion im ungarischen Revolutionskrieg von 1848 bis 1849 publizierte Francesco Bettoni-Cazzago in »Gli italiani nena guerra d'Ungheria«. Der fleißige und gründliche Forscher Baron Gaudenzio Claretta schilderte die Beziehungen des savoyischen Herrscherhauses zu dem von Baden (1887), und A. Courth schrieb Erinnerungen an König Ludwig II. von Bayern (1886). Ein etwas nachlässig gearbeitetes, aber doch manche aus Archiven geschöpfte interessante Details enthaltendes Werk ist Ettore Natalis »Il Ghetto di Roma« (1. Bd., 1887). P. Manfrins auf umfassenden Studien beruhende, aber mit judenfeindlicher Tendenz geschriebene »Geschichte der Juden unter römischer Herrschaft« (1888-90, Bd. 1 u. 2) wimmelt von den sonderbarsten Einfällen. Unparteiischer und nüchterner ist D. Castellis »Geschichte der Juden in den ältesten Zeiten« (»Storia degli Israeliti dalle origini fino alla monarchia«, 1888). Interessante Beiträge zur Geschichte der orientalischen Frage enthält der Riesenband, den Vittorio Catualdi der Biographie des türkischen Prätendenten Sultan Jahja widmete (1889). Ein wertvolles gründliches Werk über die Zigeuner schrieb Adriano Colocci (1889).

Verschiedenes. Übersetzungen.

Aus der philosophischen Litteratur der neuesten Zeit können als wertvolle Leistungen genannt werden: Antonio Galassas »Moralphilosophie« (»Saggio di filosofia morale«, 1885), Francesco Fiorentinis erst nach seinem Tode erschienene Schrift über die Philosophie der Renaissance (»Risorgimento filosofico nel quattrocento«, 1885), Pasquale d'Ercoles »Notizen über den Hegelianer Pietro Ceretti« (»Notizia degli scritti e del pensiero filosofico di Pietro Ceretti«, 1886), Roberto Benzonis »Darstellung der Rosminischen Lehre vom Sein« (»Dottrina dell' essere nel sistema Rosminiano«, 1888), Luigi Ferris »Dell' idea dell' essere« (1888), die neue, stark vermehrte Ausgabe von Domenico Bertis »Giordano Bruno« (1889) und Carlo Fallettis Charakterbild Campanellas (1889). Luigi Sernagiottos Übersetzung von Lockharts »Biographie Rosminis« (»Vita di A. Rosmini«, 1888) erhielt durch die vielen Zusätze des Übersetzers einen größern Wert als sein englisches Original und ist auch für den Nichtphilosophen von großem Interesse. Aus der mehr populären philosophischen und naturwissenschaftlichen Litteratur verdienen außer den bereits erwähnten Schriften Mantegazzas besonders hervorgehoben zu werden: A. Mossos Werk über die Furcht (»La paura«), von C. Lombroso (s. d.) »L'uomo delinquente«, »L'uomo di genio« und (im Verein mit R. Laschi) »Il delitto politico e le rivoluzioni«. In unterhaltender populärer Weise schrieb auch Arthur Graf seinen auf ernsten Studien beruhenden »Diavolo«. Von der großartigen, von Antonio Favaro geleiteten Ausgabe der Werke Galileis ist der erste Band unter Protektion des Königs Humbert in prachtvoller Ausstattung 1890 auf Staatskosten erschienen. Favaro hat man auch die Ausgabe der Korrespondenz von Tycho Brahe, Kepler und andern Astronomen des 16. und 17. Jahrh. zu verdanken (»Carteggio inedito«, 1886).

Sehr reges Leben herrschte auf dem Gebiete der geographischen Litteratur, und besonders war es, wie es jetzt auch anderswo der Fall ist, Afrika, mit welchem man sich vorzugsweise beschäftigte. Ein vorzügliches, streng wissenschaftliches Werk lieferten T. Taranelli und V. Bellio mit ihrer »Geografia e geologia dell' Africa« (1890). Ihre Reisen in Afrika oder afrikanische Zustände beschrieben: L. Chiala (»La spedizione di Massaua«), Antonio Cecchi (»Da Zeila alle frontiere del Caffa«), L. Pennazzi (»Sudan e Abissinia«), Giuseppe Haimann (»La Cirenaica«), Kardinal Massaia (»I miei trentacinque anni di missione nell' Etiopia«), E. Tagliabue (»Dieci anni a Massaua«), Graf Luchino dal Verme (»Il paese dei Somali«) u. a. Die Weltumsegelung der Korvette Caracciolo unter Kapitän Amezaga wurde in 4 Bänden beschrieben. Eine inhaltreiche Schilderung seiner Reise in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gab C. Gardini; A. de Gubernatis beschrieb in »Peregrinazioni indiane« die seinige nach Ostindien, Elio Modigliani seinen Besuch der interessanten Insel Nias bei Sumatra und S. Sommier einen Sommer in Sibirien. Der starken italienischen Auswanderung nach Südamerika hat man Giosué Bordonis »Montevideo e la republica dell' Uruguay« zu verdanken. Die heimische Gebirgswelt mit ihren Reizen und Gefahren schilderte Paolo Lioy recht interessant in »Alpinismo« und in seinen andern Schriften verwandten Inhalts. Tito Berti schrieb in gründlicher Weise über die Geschichte und die Zustände der Pontinischen Sümpfe.

Wenden wir uns zum Schlusse zu dem litterarischen Verkehr zwischen Italien und Deutschland, so sind unter den Italienern vor allen Gius. Chiarini, Enrico Nencioni und Bonav. Zumbini zu nennen, welche ihre Landsleute durch gehaltvolle Essays und Kritiken mit bedeutenden Erzeugnissen der deutschen (die beiden letztern auch der englischen) schönen Litteratur bekannt machten. Auf dem Gebiet der Übersetzungskunst und des Übersetzungshandwerks herrschte in beiden Ländern rege Thätigkeit, doch mit dem Unterschied, daß die Italiener vorzugsweise wissenschaftliche deutsche Werke, die Deutschen mit Vorliebe belletristische italienische Werke übersetzten. So übersetzten Nicola Zingarelli und Vitt. Rossi Gasparys »Geschichte der italienischen Litteratur«, D. Valbusa Voigts »Wiederbelebung des klassischen Altertums«, Ruggero den fünften Band von Mommsens »Römischer Geschichte«, Oskar Chilesotti Schopenhauers »Die Welt als Wille und Vorstellung« und »Aphorismen zur Lebensweisheit«. Tommaso Persico gab 1888 eine vollständige Übersetzung von Lessings »Laokoon«, nachdem schon Vittorio Turri zwei Jahre früher die schönsten Stellen daraus übersetzt hatte. Von der Übersetzung von Passavants »Raphael«