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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Missolunghi; Mitisverfahren; Mitre; Mittelsichten; Mitternachtssonne; Möbius; Moharek; Mohr; Möhring

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Missolunghi - Möhring.

häufig auf Atavismus (Rückschlag auf frühere Zustände des Menschengeschlechts, bez. dessen Ahnen) zu beruhen. Bardeleben hat sowohl für die fötalen Entwickelungsstadien des Menschen, wie auch beim erwachsenen Menschen deutliche Spuren eines früher an der innern Seite des Daumens, bez. der Großzehe vorhandenen 6. Fingers, bez. einer 6. Zehe nachgewiesen. Derselbe hat auch gezeigt, daß das Erbsenbein der menschlichen Handwurzel nichts ist als ein nicht zur Entwickelung gekommener, bez. in der Entwickelung verkümmerter Finger. Die Ansicht, daß der Fünffingertypus, bez. Fünfzehentypus den Ausgangspunkt der Hand- und Fußbildung im Tierreich darstelle, ist aufgegeben, seitdem man weiß, daß es Tiere gibt, die außer dem gewöhnlichen Daumen noch einen »Vordaumen« und auch auf der Kleinfinger-, bez. Kleinzehenseite noch einen 7. Finger, bez. eine 7. Zehe aufweisen. Nach Pfitzner ist die 5. (kleine) Zehe des Menschen gegenwärtig im Schwinden begriffen. Vgl. Guyot-Daubès, Les anomalies des doigts, de la main et du pied (»Revue d'Anthropologie«, 1889); Bardeleben, Hand und Fuß (»Tageblatt der Berliner Naturforscherversammlung«, 1886).

Missolunghi, Hauptstadt des griech. Nomos Akarnanien und Ätolien, ist nach Philippson jetzt nicht mehr als Festung anzusehen, da von Mauer und Graben nur noch Reste vorhanden sind. Trotz ihrer ungesunden Lage und ihrer 7 km betragenden Entfernung vom Meere ist M. im Aufschwung begriffen und zahlt jetzt 9500 Einw. Eine gute Fahrstraße führt über Agrinion nach Arta, eine andre durch die Lagunen nach dem Lido, wo die Schiffe ankern. Eine Eisenbahn nach Agrinion ist im Bau.

Mitisverfahren, s. Eisen, S. 219.

Mitre, Bartolomeo, ehemaliger Präsident von Argentinien, kehrte 1891 aus Europa nach Buenos Ayres zurück und wurde sofort als Präsidentschaftskandidat aufgestellt, da man von ihm die Beseitigung der finanziellen Schwierigkeiten der Republik erwartete.

Mittelsichten (mittelsichtige Wechsel), Wechsel, die auf Fristen gestellt sind, welche die Mitte zwischen kurzer und langer Sicht halten.

Mitternachtssonne, das Verweilen der Sonne oberhalb des Horizonts auch bei ihrer tiefsten Stellung, zwölf Stunden nach ihrem höchsten, mittägigen Stande. Die Sonne scheint eine kurze Zeit zu ruhen, ehe sie sich wieder erhebt, und erzeugt eigentümliche Beleuchtungseffekte, namentlich sehr warme Schatten und ein besonderes Zwielicht, von dem es in der Frithjofssage heißt: »Die Mitternachtssonn' auf den Bergen lag, blutrot anzuschauen; es war nicht Nacht, es war nicht Tag, es war ein eignes Grauen.« Um dieses Phänomen zu schauen, werden zahlreiche Reisen nach dem Nordkap angetreten und regelmäßige Dampferfahrten dafür eingerichtet, die aber freilich häufig unter der Ungunst des Wetters leiden, wenn man sich nicht für einen verlängerten Aufenthalt in den betreffenden Regionen einrichtet. Die M. steht natürlich für Orte verschiedener Breite ungleich hoch am Horizont, und die Dauer ihrer Sichtbarkeit nimmt mit der Annäherung nach dem Pole zu; sie beträgt für Hammerfest, Europas nördlichste Stadt, und für das Nordkap fast drei Monate (von Mitte Mai bis Ende Juli). Doch ist die Beobachtung in den spätern Sommertagen, an denen die Sonne für einige Minuten untergeht, um alsbald wieder etwas östlicher aufzugehen, nicht weniger lohnend. Die Erscheinung würde auf die Regionen innerhalb der Polarkreise beschränkt sein, wenn die Erde nicht von einer Atmosphäre umgeben wäre; infolge der atmosphärischen Strahlenbrechung kann sie aber auch noch ein Stück außerhalb der Polarkreise beobachtet werden. Sie tritt ein, wenn der Abstand der Sonne vom Himmelspol (90° weniger der Deklination) kleiner ist als die geographische Breite des Beobachtungsortes. Solange diese Bedingung erfüllt ist, herrscht immerwährend Tag, dessen Dauer um so größer ist, je höher die geographische Breite des Ortes ist (vgl. Tag, Bd. 15, S. 490). Mit zunehmender Breite nimmt aber auch der Unterschied zwischen dem höchsten und niedrigsten Sonnenstand im Laufe von 24 Stunden ab; der Kreis, den die Sonne (wenn man von der Änderung der Deklination absieht) in dieser Zeit beschreibt, nimmt mehr und mehr eine horizontale Lage an, je mehr man sich dem Pole nähert. Seine Neigung ist nämlich gleich der Äquatorhöhe (90° weniger der geographischen Breite) des Beobachtungsortes, und doppelt so groß ist der Unterschied zwischen der größten und kleinsten Sonnenhöhe in 24 Stunden; während zur Zeit des höchsten Sonnenstandes in 66½° Breite die Sonne mittags in 47° Höhe, 12 Stunden später aber am Horizont steht, betragen zu derselben Zeit die größte und kleinste Sonnenhöhe in 70° Breite 43½ und 3½°, in 75° Br. 38½ und 8½°, in 80° Br. 33½ und 13½°, in 85° Br. 28½ und 18½°, endlich am Pole sind beide 23½°. Selbst zur Zeit des höchsten Sonnenstandes fallen also die Strahlen der Sonne nur unter einem kleinen Winkel auf die horizontale Bodenfläche, und ihre Wirkung ist hier nur gering. Anders auf geneigtem Boden, wo die Strahlen mehr senkrecht auftreffen und daher wirksamer sind. Dazu kommt, daß hier das Schmelzwasser des Wintereises abfließt, welches in den Ebenen stehen bleibt. Deshalb entwickelt sich an den Abhängen, unterm Einfluß des beständigen Sonnenscheins, eine ungleich reichere Vegetation als in der Ebene, und Baer hat mit Recht von Nowaja Semlja gesagt, daß die ebene Polarfläche einer Wüste, der geneigte Boden am Fuß der Berge aber, wo er nicht von Geröll oder Schneelagern eingenommen wird, einem Garten gleichen könne. In den höhern Breiten bleiben die Strahlen der M. so kräftig, daß man mit einem Brennglas Feuer anzünden kann; sie lassen die Sterne nicht hervortreten und beeinträchtigen den Glanz des Mondes beträchtlich.

Möbius, 2) Theodor, Philolog, starb 25. April 1890 in Leipzig.

Moharek, Stadt, s. Bahreïninseln.

Mohr, Hermann, Männergesangskomponist, geb. 9. Okt. 1830 zu Nienstedt, entsagte seinem ursprünglichen Beruf als Schlosser, besuchte das Schullehrerseminar in Eisleben, kam 1853 nach Berlin, besuchte dort das königliche Kirchenmusikinstitut und setzte seine musikalischen Studien fort bei den Lehrern A. W. Bach, Löschhorn, Jul. Schneider und Wüerst; er war Direktor des Luisenstädtischen Konservatoriums in Berlin und lebt jetzt als Lehrer am Konservatorium in Philadelphia. M. schrieb Chorkompositionen, von denen sein »Hymnus« für das erste Gesangfest des Deutschen Sängerbundes mit einem Preis ausgezeichnet wurde, während eine Kantate für Männerchor: »Handwerkerleben«, sowie mehrere Chorlieder (unter andern »Schöner Rhein«, »Bundeslied«) in vielen Gesangvereinen gesungen werden. M. veröffentlichte auch Kompositionen für Klavier, namentlich instruktiver Tendenz.

Möhring, Ferdinand, Männergesangskomponist, geb. 18. Jan. 1816 zu Altruppin, erhielt seine musikalische Ausbildung bei A. W. Bach und Grell in Berlin, wirkte seit 1845 als Organist und Gesanglehrer