Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Naturforscherversammlung

638

Naturforscherversammlung (Bremen 1890).

die Entstehung desselben. Nach der von Humboldt angeregten und in neuester Zeit besonders von Mendelejew vertretenen Ansicht wird diese Entstehung auf das Eindringen von Wasserdampf durch Spalten und Risse der festen Erdrinde in das Erdinnere zurückgeführt. Der Wasserdampf trifft mit feurig-flüssigem, kohlenstoffhaltigem Eisen zusammen, zersetzt sich und bildet unter teilweiser Oxydation des Kohlenstoffs Kohlenwasserstoff. Nach dieser Theorie sollte man vermuten, Erdöl besonders in der Nähe thätiger Vulkane, wo doch die Vorbedingungen jener Umsetzung in besonderm Maße vorhanden sind, anzutreffen. Dies ist aber keineswegs der Fall, auch wird niemals Petroleum in Erdschichten gefunden, die keine tierischen Reste enthalten, und dies spricht gleicherweise gegen die zweite Theorie, welche die Bildung des Erdöls mit pflanzlichen Resten, mit Steinkohlenlagern in Verbindung bringt. Nirgends finden sich Kohlenlager in unmittelbarer Nähe der Erdölgebiete. So bleibt denn nur die Bildung von Erdöl aus tierischen Resten übrig, und auf diese hat schon L. v. Buch hingewiesen. Vortragender hat sich bemüht, für eine solche Bildungsweise Belege zu schaffen. Überall kommt Erdöl vor in Gemeinschaft mit stark salzhaltigem Wasser. Sandsteinbänke mit vielen Tierresten fand man oft auch durchtränkt mit Erdöl; in den Muschelschalen mancher Muschelkalke tritt Erdöl in ansehnlicher Menge auf. Fraas sah es hervorsickern aus den Korallenriffen an der Küste des Roten Meers, fossile Korallen zeigen oft dieselbe Erscheinung. Die bituminösen Schiefer sind durchsetzt mit Resten von Fischen, Sauriern und Weichtieren. Möglich, daß an manchen Stellen größere Mengen von Tieren zusammengeschwemmt, dann überlagert wurden und daß sodann Druck und vielleicht Wärme die Erzeugung des Erdöls besorgten. Freilich bleibt zunächst der Verbleib des tierischen Stickstoffs unerklärt. Aber man darf annehmen, daß bei den Tierleichen zunächst ein Zerfall der stickstoffhaltigen Substanzen stattgefunden hat, und daß dann nur die tierischen Fette als Rohstoff für die Erdölbildung übrigblieben. Die schwere Verwerflichkeit der Fette ist durch zahlreiche Vorkommnisse erwiesen. Dafür spricht unter anderm das Leichenwachs in alten Gräbern, der Fettgehalt prähistorischer Knochen, der Nachweis von Fett im Meeresboden des Atlantischen Ozeans noch in Tiefen von 1500 m, auch herstammend von dort abgelagerten Tierresten etc. Redner hat nun Thran unter einem Drucke von 15-20 Atmosphären und bei Temperaturen bis zu 350° der Destillation unterworfen und Produkte erhalten, welche dem Petroleum sehr ähnlich sind und wie dieses aus gewöhnlichen Lampen tadellos brennen. Die Ausbeute ist eine sehr vollständige, sie beträgt 75 Proz. vom Gewicht des Thrans, und der fehlende Rest kommt auf Rechnung des Sauerstoffs im Thrane, welcher andre Verbindungen bildet. Das amerikanische Petroleum wird gegenwärtig aus 35-40,000 Brunnen Pennsylvaniens gewonnen und mittels Rohrleitungen von zusammen 70,000 km Länge nach den Raffinerien und den Hafenplätzen geschafft. In Baku arbeiten gegenwärtig 237 Bohrlöcher, deren jedes täglich im Durchschnitt 300 Faß Erdöl liefert, während in Amerika auf die einzelne Quelle 8, 15 oder 20 Faß kommen. Die Tiefe der Bohrlöcher beträgt in Amerika durchschnittlich 5 bis 600 m, in Baku 194 m. Hier hat man 1890 eine Quelle erbohrt, die 22,000 Faß am Tage lieferte. Die größte der bis jetzt erschossenen hat 60,000 Faß ergeben, indes werden diese Quellen immer seltener. Von den Nebenprodukten der Petroleumreinigung hat neuerdings das Schmieröl eine sehr große Wichtigkeit erlangt. Die badischen Staatseisenbahnen verbrauchen jährlich für 372,000 Mk. Im Verhältnis der Ausdehnung ihres Netzes würden die gesamten deutschen Eisenbahnen hiernach für 10 Mill. Mk. verbrauchen. Nimmt man dazu den Bedarf der Pferdebahnen, Fabriken etc., so wird man den deutschen Bedarf an Schmieröl nicht zu hoch auf 20-30 Mill. Mk. anschlagen. Von den jährlich insgesamt erzeugten 50 Mill. Faß Rohöl entfallen allein auf Amerika und Rußland 48 Mill.; 1889 lieferte Baku über 20 Mill., Amerika 27 Mill.; es scheint indes für Baku der Höhepunkt der Leistung überschritten zu sein; man hat zu hastig gefördert und deshalb seit Frühjahr 1890 mit der fieberhaften Arbeit innehalten müssen. Etwa 5 Mill. Faß gehen von Batum ins Ausland, also eine weit geringere Menge als aus Amerika, welches auch mehr fertige Ware versendet als Rußland, von wo noch mehr Rohöl kommt. An Brennöl verbraucht Deutschland jährlich 11,4 Lit. auf den Kopf der Bevölkerung. Zum Schlusse sprach Redner über die seit 1883 in Angriff genommene Verwertung der amerikanischen Gasquellen zur Städtebeleuchtung und zur Heizung. Hunderte von Kilometern weit wird das Gas fortgeleitet, um an Stelle des Leuchtgases benutzt zu werden, so besonders nach Pittsburg, wo seine Ausnutzung am weitesten vorgeschritten ist. Der dortige Tagesverbrauch beläuft sich auf 5 Mill. cbm, was, da das Erdgas nur die halbe Leuchtkraft des Steinkohlengases besitzt, einem Verbrauch von 2400 Ton. Steinkohlen, bez. einem Geldwert von 17,000-19,000 Mk. entspricht. Eine einzige Gesellschaft (es gibt deren über 100) verfügt über ein Rohrleitungsnetz von 540 km; für eine Flamme, die unaufhörlich brennen kann, zahlt man in Pittsburg monatlich 60 Pf., für die Heizung eines Stubenofens 3, eines Kochofens 4 Mk. Die Benutzung des Erdgases ist zu einer so wichtigen Sache geworden, daß an mehreren der Hauptquellen Städte entstanden sind. Noch 1890 wurde in Ohio (das Gebiet der Gasquellen beschränkt sich keineswegs auf Pennsylvanien, selbst in Kalifornien sind solche vorhanden) eine Gasquelle von mehr als 1 Mill. cbm. Tagesleistung erbohrt. So reich indes der Vorrat des Landes an Erdgasen auch ist, so ist er doch naturgemäß nicht unerschöpflich, von sachkundiger Seite hat man sogar seine Erschöpfung binnen 9 Jahren vorausgesagt und dringend vor der Verschwendung des Stoffes gewarnt. Redner gedachte noch des Vorkommens des Erdöls in Peru, Argentinien, Italien (Montechino) und Deutschland (Elsaß, wo es sogar schon vor 130 Jahren als Leuchtstoff verwendet wurde; an einer Stelle tritt es als Springquell von 15 m Höhe zu Tage). Es sei nicht unwahrscheinlich, daß man auch an andern Orten Deutschlands, etwa bei Tegernsee, Erdölquellen finden werde, und auch im afrikanischen Seengebiet sei das Vorkommen von Erdöl nicht ausgeschlossen.

Den zweiten Vortrag hielt Winckler (Freiberg) über die Frage nach dem Wesen der chemischen Elemente. Als eine der größten Errungenschaften des Jahrhunderts gilt allgemein die Erkenntnis, daß die Kräfte, die wir als Wärme, Licht, Elektrizität etc. unterscheiden, nichts andres sind als verschiedene Arten einer aus derselben Quelle fließenden Bewegung. Der Erringung einer gleichen weitgehenden Erkenntnis harrt gegenwärtig die Chemie, welche die Natur ihres Stoffes ihrem innersten Wesen nach zu ergründen sucht. Man muß aber bekennen, daß sich diese Frage zur Zeit noch vollkommen der Beantwortung entzieht, ja daß es selbst an den Unter-^[folgende Seite]