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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Niederlande

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Niederlande (Statistisches, Geschichte).

Landwirtschaft. Die Einteilung der Bodenfläche war 1889 folgende: Wiesen und Weiden 1,138,932 Hektar (34,6 Proz.), Ackerland 860,186 (26,1 Proz.), Gemüsegärten 28,300 (0,9 Proz.), Obst- und Blumengärten 24,443 (0,8 Proz.), Wald 227,534 (6,9 Proz.), Unland 713,260 (21,6 Proz.), Gewässer und Moräste 128,784 Hektar (3,9 Proz.) etc. Bepflanzung des Ackerbodens (in Hektaren): Weizen 85,194, Roggen 204,018, Wintergerste 30,226, Sommergerste 14,851, Hafer 115,448, Buchweizen 48,078, Bohnen 33,494, Erbsen 22,769, Flachs 15,582, Tabak 1321, Krapp 898, Runkelrüben 19,135, Ölsamen 8213, Kartoffeln 147,386. Die Zahl der Fabriken betrug 3470, die der Dampfkessel 4542; die Zahl der Dampfmaschinen betrug 4137, deren Pferdekraft (nominell) 54,033.

Der Handelsverkehr im J. 1889 betrug (in Millionen Gulden): Einfuhr zum Verbrauch 1137, Ausfuhr aus dem freien Verkehr 992, Durchfuhr mit Umladung 371, ohne Umladung 2004. Anteil der vornehmsten Artikel am Totalwert der Einfuhr zum Verbrauch: Eisen und Eisenwaren 7,70 Proz., Getreide 15,72, Droguen 10,28, Kaffee 3,65, Garn 3,71, Rohzucker 3,08, Steinkohlen 2,02, Baumwolle 2,02, Reis 3,15, Steine 2,93, Manufakturwaren 2,02 Proz., desgleichen am Totalwert der Ausfuhr aus dem freien Verkehr: Eisen und Eisenwaren 6,82 Proz., Droguen 9,76, Getreide 10,78, Butter 6,29, Kaffee 2,55, Manufakturwaren 3,38, raffinierter Zucker 3,54, Garn 2,62, Baumwolle 1,59, Schlachtvieh 1,34 Proz. Anteil einiger Länder an der Einfuhr: Preußen 22,4 Proz., Großbritannien 26,8, Belgien 12,4, Rußland 9,9, Niederländisch-Ostindien 9,3, Vereinigte Staaten von Nordamerika 4,9, Hamburg 2,4, Britisch-Ostindien 2,3, Frankreich 1,4 Proz. Anteil einiger Lander an der Ausfuhr: Preußen 45,9 Proz., Großbritannien 26,7, Belgien 13,1, Niederländisch-Ostindien 4,2, Vereinigte Staaten von Nordamerika 3,5, Italien 0,7, Hamburg 1,6, Rußland 0,4, Spanien 0,1 Proz.

Die Handelsflotte betrug 1890: 500 Segelschiffe von 388,003 cbm und 110 Dampfboote von 311, 170 cbm, zusammen 610 von 699,173 cbm. Schiffsverkehr: Eingelaufen mit Ladung 8348 von 13,873,000 cbm (96 Proz.), in Ballast 738 von 583,000 cbm (4 Proz.). Ausgelaufen mit Ladung 6045 von 8,468,000 cbm (58,7 Proz.), in Ballast 2973 von 5,946,000 cbm (41,3 Proz.). Anteil der vornehmsten niederländischen Häfen am Schiffsverkehr:

Häfen Eingelaufene Schiffe Ausgelaufene Schiffe

Tonnengehalt Proz. Tonnengehalt Proz.

Amsterdam 2677000 19,3 1618000 19,1

Rotterdam 7214000 52,0 4058000 47,9

Vlissingen 1798000 13,0 1871000 22,1

Im Budget für 1890 sind die Einnahmen auf 122,209,900 Gulden, die Ausgaben auf 134,648,825 Guld. veranschlagt. Die Staatsschuld betrug 1050¼ Mill. Guld.

Geschichte. Durch den Rücktritt des Kolonialministers Keuchenius wurden Veränderungen im Ministerium notwendig. Die Ultramontanen beanspruchten eine Berücksichtigung durch Aufnahme eines dritten Katholiken in dasselbe. Doch glaubten die Antirevolutionäre auf sie keine Rücksicht nehmen zu müssen, und während der bisherige Minister des Innern und Vorsitzende im Ministerium Mackay die Kolonien übernahm, wurde für das Innere de Savornin Lohman, einer der entschiedensten Antirevolutionäre, berufen, dessen Hauptaufgabe die Ausführung des neuen Schulgesetzes und die Vernichtung der konfessionslosen Schule war. Obwohl Mackay Indien nicht aus eigner Anschauung kannte und daher über Kolonialfragen nur mangelhaft unterrichtet sein konnte, und obwohl die Verhältnisse in Indien, namentlich in Atschin, keineswegs günstig lagen, so wurde ihm doch das Budget bewilligt. In Atschin brachen von neuem Aufstände aus, die Atschinesen machten einen erfolgreichen Angriff auf den niederländischen Schutzstaat Edi. In Java gab es infolge der schlechten Kaffeeernte eine beträchtliche Mindereinnahme, und der Generalgouverneur Pynakker Hordyk forderte seine Entlassung, weil die von ihm der schwer bedrängten indischen Zuckerindustrie bewilligte Ermäßigung der Eisenbahntarife von dem Minister nicht genehmigt wurde. In Surinam lag die niederländische Regierung in Streit mit Frankreich über einen bisher von ihr beanspruchten Landstrich, in welchem sich Gold gefunden und den darauf die Franzosen besetzt hatten; zwar vereinigte man sich, die schiedsrichterliche Entscheidung dem Zaren zu übertragen, einstweilen aber breiteten sich die Franzosen aus.

Im Innern waren die Antirevolutionäre und die Ultramontanen bemüht, die öffentlichen konfessionslosen Schulen durch neuerrichtete kirchliche zu verdrängen und, wo dies nicht möglich war, Einfluß auf die erstern zu gewinnen; die Anschauungen der reformierten Orthodoxen gaben sich in ihrer Opposition gegen das Impfgesetz kund, das sie eine »Vergewaltigung des christlichen Gewissens« nannten. Im Juni legte die Regierung den Kammern endlich den Gesetzentwurf über die neue Heeresorganisation und die Militärdienstpflicht vor: danach sollte das Heer künftig 115,000 Mann mit einer Reserve von 50,000 Mann stark sein; die Dienstpflicht muß persönlich geleistet werden und dauert für die Marine sechs, für das Landheer acht Jahre, woran sich eine fünfjährige Dienstpflicht für die Landwehr schließt; Theologen (auch katholische Ordensmitglieder), einzige Söhne, Ehemänner und Witwer mit Kindern sollten frei sein, Brüder miteinander tauschen dürfen. Die Dienstpflichtigen zerfallen in vier Kategorien: 1) solche, welche vollständig einexerziert werden (1-1½ Jahre), 2) die drei Monate bei den Depottruppen zu üben haben, 3) und 4) Ergänzungsreserven; jährlich sollten 16,300 Mann durch das Los eingestellt und bei der Land- und Seemacht eingeübt werden. Der Dienst beim Landsturm dauert bis zum 40. Jahre. Die Mehrkosten der neuen Organisation wurden auf 1,322,000 Gulden jährlich angeschlagen. Die Ultramontanen sprachen sich aufs heftigste gegen den Gesetzentwurf aus, obwohl der Kriegsminister Bergansius zu ihrer Partei gehörte, und erklärten, daß sie sich die Einführung der persönlichen Dienstpflicht nie und nimmer gefallen lassen würden; die Antirevolutionäre traten ebenso entschieden für sie ein. In der Thronrede, mit welcher die Regierung 16. Sept. die Session der Generalstaaten eröffnete, betonte sie die Dringlichkeit des Militärgesetzes. Die Finanzen des Mutterlandes wiesen einen Überschuß von 2 Mill. für das neue Etatsjahr auf, während das Budget Indiens einen Fehlbetrag von 20 Mill. hatte wegen der mißratenen Kaffeeernte.

Die öffentliche Aufmerksamkeit wurde von den Verhandlungen der Generalstaaten durch den Zustand des Königs abgelenkt, der Ende September wieder eine bedenkliche Wendung genommen hatte. Die Minister überzeugten sich, daß er nicht mehr im stande war, Staatshandlungen vorzunehmen, und auf ihren Antrag beschlossen die Generalstaaten 28. Okt., den