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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pädagogische Litteratur 1880-90

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Pädagogische Litteratur 1880-90 (praktische Pädagogik).

schweizerische Schulwesen verfolgt; die pädagogische Litteratur ist jedoch dort so rege und zugleich in Deutschland so zugänglich, daß zu besondern deutschen Schriften darüber kein Bedürfnis vorliegt. Als Hauptquellen für die Kenntnis des schweizerischen Schulwesens der Gegenwart können noch genannt werden: Grob und Hunziker, »Statistik über das Unterrichtswesen in der Schweiz« (Zürich 1883, 7 Bde.); Büchelers Artikel »Schweiz« in der Schmid-Schraderschen Encyklopädie (Bd. 8 der 2. Aufl.); Hunzikers Artikel »Suisse« in Buissons »Dictionnaire« (Par. 1887). Ähnlich liegt die Sache mit Österreich, dessen rege pädagogische Presse hüben wie drüben gelesen wird. Als ergiebige rein österreichische Quelle ist da etwa noch das »Pädagogische Jahrbuch« (Wien, seit 1878) zu nennen, das in seinen bisherigen zwölf Jahresheften, geleitet von M. Zens, eine Fülle von Nachrichten geschichtlicher wie statistischer Art über Schulwesen, Lehrerleben und pädagogisches Streben des Kaiserreichs bringt. Eine besondere, aber sehr dankenswerte Aufgabe stellte sich J. P. ^[Johannes Paul] Müller in dem Buche »Die deutschen Schulen im Ausland, ihre Geschichte und Statistik« (Bresl. 1885), nachdem mit einer Monographie gleicher Art Schuricht in seiner »Geschichte der deutschen Schulbestrebungen in Amerika« (Leipz. 1884) vorausgegangen war.

Praktische Pädagogik.

Wenn die bisher besprochenen Zweige der Pädagogik im abgelaufenen Jahrzehnt fröhliches Gedeihen gezeigt, reiche Blätter und Blüten getrieben haben, so gilt das von der praktischen Pädagogik nach allen Richtungen in erhöhtem Maße. Die Masse der Flugschriften, der Lehrbücher, der Verbesserungsvorschläge ist geradezu eine erdrückende. Man kann sich der Frage kaum erwehren, ob diese Unruhe und dieser Drang nach Öffentlichkeit in der That als ein Zeichen gesunder Kraft oder nicht vielmehr als Ausfluß und Anzeichen eines fieberhaften Zustandes anzusehen sei. Zweifellos ist in mehr als einer Hinsicht größere Ruhe und Besonnenheit in der litterarischen Produktion dringend zu wünschen. Allein das trifft im ganzen mehr die eben bezeichneten Felder des ganzen Gebietes, auf die hier der Natur der Sache nach nicht näher eingegangen werden kann: vor allen andern die Litteratur der Fachlehrbücher. Ja auch in Bezug darauf kann nicht geleugnet werden, daß neben zahlreichen unselbständigen und innerlich unberechtigten Erscheinungen, denen nur Gewinnsucht der Verfasser und Verleger zu Grunde liegt, auch vieles Tüchtige und Ernsthafte ans Licht tritt, und daß namentlich auch neben dem fachwissenschaftlichen allmählich immer mehr die eigentlich pädagogischen, didaktischen und methodischen Gesichtspunkte zur Geltung kommen. Das in den letzten Jahren immer höher angeschwollene Streitschrifttum wird hoffentlich von selbst in sein natürliches Bett zurücktreten, wenn die augenblicklich für Volksschulen wie höhere Lehranstalten angebahnten gesetzlichen und verwalterischen Neuerungen erst zum vollen Abschluß und zum wirklichen Leben gelangt sein werden. Als unleugbarer Gewinn aus der regen und oft wirren litterarischen Bewegung in der praktischen Pädagogik kann man aber jedenfalls schon ein Zwiefaches bezeichnen: die erhebliche Bereicherung und Verbesserung der Lehrmittel, namentlich der Anschauungsmittel, und die Begründung einer in ihren Grundzügen allgemein anerkannten Schulgesundheitslehre. Die Lehrmittel können hier, als außerhalb des eigentlichen litterarischen Gebietes stehend, nur erwähnt werden; ihrer Verbesserung dienen namentlich die immer zahlreicher entstehenden Schulmuseen und Lehrmittelausstellungen. Dagegen gehört die Schulhygiene und ihre Litteratur recht eigentlich hierher. Zwar ist diese Wissenschaft als solche nicht erst ein Kind des letzten Jahrzehnts. Indes darf man doch sagen, daß das Vorgehen des preußischen Kultusministers v. Goßler und namentlich die Berliner Hygieneausstellung von 1883 ihr in Deutschland erst wahrhaft zum Bürgerrecht und vollen Leben verholfen haben. In diesem Jahre erschienen zwei Schriften, die auf diesem Gebiet billig vor allen andern zu nennen sind, die 2. Auflage von A. Baginskys »Handbuch der Schulhygiene« (Stuttg.) und H. Cohn, »Die Hygiene des Auges in den Schulen« (Wien), in denen die bisherigen Verhandlungen zusammengefaßt wurden. Auch die Frage der Überbürdung der Schuljugend war nicht mehr ganz neu. Den kräftigsten Anstoß aber erhielt sie durch den übertreibenden Angriff P. Hasses in dem Vortrag »Die Überbürdung unsrer Jugend auf den höhern Lehranstalten im Zusammenhang mit der Entstehung von Geistesstörungen« (Braunschw. 1880). Inzwischen hat durch manches Für und Wider die junge Wissenschaft sich zu einer Ruhe und Reife entwickelt, bei der Arzt und Schulmann sehr wohl nebeneinander bestehen und miteinander auskommen können. Zu jenen Anstoß gebenden Werken ist eine ganze Gruppe verwandter Schriften getreten, wie: Löwenthal, »Grundzüge einer Hygiene des Unterrichts« (Wiesb. 1887); Engelhorn, »Schulgesundheitspflege« (Stuttg. 1888); Eulenberg u. Bach, »Schulgesundheitslehre« (Berl. 1889); Rembold, »Schulgesundheitspflege« (Tüb. 1889); Toselowsky, »Schulhygiene, zusammengestellt aus den Verhandlungen des Berliner medizinisch-pädagogischen Vereins« (das. 1890). Eine eigne »Zeitschrift für Schulgesundheitspflege« von H. Kotelmann erscheint seit 1888 in Hamburg. Wesentlich geklärt und gefördert ist diese wichtige Angelegenheit dadurch, daß mittels Erlasses vom 27. Okt. 1882 der preußische Minister v. Goßler eine der wichtigsten Seiten der Gesundheitspflege in Schulen, die Bewegung im Freien und die Spiele (s. Jugendspiele), in Erinnerung brachte. Auch aus dieser Anregung erwuchs bald eine lebhafte litterarische Bewegung. Es genüge, auf das Buch von G. Eitner, »Die Jugendspiele« (4. Aufl., Leipz. 1890), zu verweisen, das aus der reichen Litteratur das Nötige beibringt. Welche verständige und besonnene Pflege die Schulhygiene auf medizinischer Seite heutzutage nach Überwindung mancher anfänglicher Einseitigkeiten findet, beweisen unter andern die hier einschlagenden Aufsätze in dem von O. Dammer herausgegebenen trefflichen »Handwörterbuch der öffentlichen und privaten Gesundheitspflege« (Stuttg. 1891).

Ist dieses Feld allen Arten von Schulen gemein, so scheiden sich übrigens die verschiedenen Stufen und Zweige des Unterrichtswesens schroffer, als es im wahren Interesse des Volkslebens und in der Natur der Sache begründet liegt, so daß die noch übrige praktische p. L. im engern Sinne für das höhere und für das Volksschulwesen gesondert zu betrachten ist.

Höheres Schulwesen.

Im vorigen Jahrzehnt stand unter Nachwirkung des nationalen Aufschwunges von 1870 und 1871 und unter dem unmittelbaren Einfluß der preußischen allgemeinen Bestimmungen für das Volksschulwesen vom 15. Okt. 1872 dieses an Regsamkeit dem höhern Schulwesen voran. Dies Verhältnis hat sich, wenn nicht umgekehrt, so doch wesentlich verschoben. Durch die um 1880 in Blüte stehende Überbürdungsfrage