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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Phosphoreszenz

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Phosphoreszenz (Leuchtbakterien, leuchtende Pilze).

atmung, und bei P. phosphorescens, welches sich auch im sauerstofffreien Medium kultivieren läßt, bemerkt man dann keine Spur von Leuchten. Fügt man zu dem Meerwasser, das durch leuchtende Bakterien phosphoreszierend gemacht ist, außer ein wenig Indigokarmin einen leichten Überschuß von Natriumhydrosulfit, welches dem Meerwasser seinen Sauerstoff entzieht, so sieht man, wie die verschiedenen Arten in verschiedener Zeit ihre Leuchtfähigkeit einbüßen: P. phosphorescens früher als P. luminosum und indicum, alle aber leuchten noch eine Zeit nach der vollständigen Entfärbung des Indigo. Führt man dann durch Schütteln mit Luft oder Hinzuschütten einiger Tropfen von Wasserstoffsuperoxyd neuen Sauerstoff herbei, so beginnen die letztgenannten beiden Arten bereits zu leuchten, bevor sich die geringste Spur von Indigblau gebildet hat, während die erstere unmittelbar vor der Bläuung aufleuchtet. Diese Leuchtbakterien nehmen also den freien Sauerstoff dem entfärbten Indigo sowohl als dem Natriumhydrosulfit gleichsam vor dem Munde weg, sie geben mithin ein empfindlicheres Reagens für denselben ab als diese Chemikalien.

Einzelne Zoologen sind zu der Ansicht gelangt, daß auch das Leuchten gewisser größerer Seetiere, wie der am Mittelmeer vielgenossenen Meerdattel (Pholas dactylus), deren leuchtender Saft Mund und Finger der Essenden leuchtend macht, und der Knollenquallen (Pelagia) von einem Zusammenleben (Symbiose) mit solchen Leuchtbakterien herrühre, und man hat danach sogar bereits Bacterium Pholas und B. Pelagia aufgestellt. Dubois will dagegen (ebenfalls in neuerer Zeit) durch Versuche ermittelt haben, daß das Leuchten der Muschel auf einem rein chemisch-physikalischen Prozeß beruht, der abhängig von der Gegenwart zweier chemischer Substanzen ist, deren eine im Wasser lösliche und in Kristallen darstellbare von ihm Luciferin genannt wird, während die andre (Luciferase) ein lösliches Ferment gleich der Diastase darstellt und, sobald sie mit jener in Berührung kommt, das Leuchten der Meerdattel bewirken soll. Jedenfalls ist es aber sehr gewagt, diesen Vorgang mit Gadeau de Kerville auf alle Leuchttiere ausdehnen zu wollen.

Daß übrigens eine Infektion lebender Seetiere mit Leuchtbakterien möglich ist und vorkommen kann, haben die neuen Untersuchungen von Giard gezeigt, doch handelt es sich um kein symbiotisches, sondern ein parasitisches Zusammenleben, bei dem die Wirte allmählich zu Grunde gehen. Er hatte am Strande einen leuchtenden kleinen Krebs (Talitrus-Art) gefunden, der, statt wie seine Genossen, munter umherzuspringen, langsam dahinkroch. Unter dem Mikroskop konnte Giard bald erkennen, daß das Leuchten von Bakterien von seinen stark veränderten Muskeln ausging. Er impfte andre Individuen von Sandhüpfern und Springkrebsen (sowohl Talitrus- als Orchestia-Arten) mit dem mikrobenreichen Blute und erzeugte die Leuchtkrankheit bei den meisten, ja es gelang auch bei größern Krabben, so daß sein Laboratorium abends einen feenhaften Anblick darbot. Die Impfungen wurden bis zur sechsten leuchtenden Generation fortgesetzt, ohne daß eine Abschwächung der Leuchtkraft bemerkbar wurde. Die Krankheit verläuft regelmäßig, und das Tier stirbt nach 3-4 Tagen, worauf das Leuchten noch einige Stunden anhält und dann erlischt. Das von Berthelot spektroskopisch untersuchte Phosphoreszenzlicht ist grünlich. Wohl zu unterscheiden hiervon sind die mit eignen Leuchtapparaten versehenen niedern Krebse (Schizopoden) der Tiefsee aus den Gattungen Euphausia, Nyctiphanes u. a., die zum Teil ebenso vollkommen ausgerüstete Leuchtapparate besitzen wie die Leuchtfische, von denen Band 17, S. 658, die Rede war.

W. Müller berichtet in seiner Arbeit über »Neue Cypridinen« (1890) über das Leuchten gewisser mikroskopischer Muschelkrebse, welches im herrlichsten Smaragdgrün oder Lasurblau erfolgt und oft so stark ist, daß die Schwärme für sich starkes Meeresleuchten erzeugen. Chierchia sah in den Nächten vom 5. bis 8. März 1885 in der Nähe von Sokotora lebhaft smaragdgrün leuchtende Streifen und Kreise der Meeresoberfläche, die von Milliarden von Muschelkrebsen hervorgebracht wurden. Ein einziger Netzzug ergab von einer Art (Pyrocypris Chierchiae Müller) 20,000 Individuen, denen sich aber noch viele einer andern Art zugesellten. Im Glase sah er am Schwanzteil eine leuchtende Flüssigkeit austreten, ähnlich wie bei den Sepien das Aufstoßen der schwarzen Farbe erfolgt, und wenn die Tiere sich bewegten, was meist im weiten Bogen erfolgt, erschienen sie wie kleine Kometen, die einen leuchtenden Schweif hinter sich ziehen. Nach einem solchen Ausstoßen schienen die Tiere sich wieder zu sammeln und standen als kleine leuchtende Punkte still, bis sie wieder eine Ladung des Leuchtstoffes angesammelt hatten. Die Menge demselben, welche von dem einzelnen Tiere ausgestoßen wurde, erschien im Verhältnis zu seiner Kleinheit und der Erzeugungszeit enorm, bald war das Wasser davon so stark leuchtend, daß man dabei Geschriebenes lesen konnte, und ein mit dem Finger auf harter Unterlage zerquetschtes Tier ergab denselben Effekt wie der Kopf eines Zündhölzchens, welches man im Dunkeln zerquetscht. Müller vermutet übrigens, daß die leuchtende Flüssigkeit von der mit starken Drüsen versehenen Oberlippe ausgeschieden wird, und daß der Anschein, sie ströme am Hinterteil aus, nur durch die Bewegung des Tieres hervorgebracht wurde. Auch in andern Fällen, bei denen das Meer in besonders starkem Silberglanz leuchtete oder, wie sich ein Beobachter ausdrückte, zu brennen schien, konnte die Ursache auf Cypridinenschwärme zurückgeführt werden.

Über leuchtende Pilze sind in den letzten Jahren mehrere Arbeiten veröffentlicht worden. Sie teilen sich in zwei Klassen, solche, bei denen nur das auf der Unterlage (Erde, Holz und andre vegetabilische oder tierische Substanzen) schmarotzende Nährgewebe (Mycelium), und solche, bei denen der Fruchtkörper leuchtet. Die erstere Klasse ist bei uns stark vertreten und bringt das Leuchten des faulen Holzes, von Rindenstücken, faulenden Blättern und Schwämmen sowie des Grubenholzes hervor, an welchem das Mycel derbere Stränge bildet, die an den Spitzen leuchten. Dieses Mycelleuchten ist bisher beim Hallimasch (Agaricus melleus), Holzkeulenpilz (Xylaria Hypoxylon), verschiedenen Rüblingarten (Collybia tuberosa, cirrhata), beim Schwefelporling (Polyporus sulfureus) u. a. beobachtet worden. Pilze, bei denen der Hut und der ganze oberirdische Körper phosphoresziert, finden sich mehr in wärmern Ländern, und in Neukaledonien soll ein solcher von den jungen Mädchen als Haarschmuck bei ihren Nachtfesten benutzt werden. Als besonders hell leuchtende Arten sind namentlich Blätterschwamm- (Agaricus-) Arten bekannt, wie A. olearius am Fuße der Ölbäume in den Mittelmeerländern, A. igneus auf Amboina, A. noctilucens von Manila, A. Gardneri in Brasilien. Der erstgenannte ist Gegenstand