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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Platane

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Platane (Abstammung).

stumpfern, seichten Buchten herrscht bei den Sommerblättern, die fünflappige mit spitzern, tiefen Buchten an den Herbsttrieben; dementsprechend tritt die lappenlose Form vorwiegend in der Kreideperiode auf und wird am Ende derselben selten, wiederholt sich aber bei den tertiären und lebenden Arten besonders an den astbeginnenden Blättern. Die dreilappige Form mit Buchten ersten Grades tritt zuerst am Ende der Kreideperiode, mit Buchten zweiten Grades im Eocän, in noch jüngerm Tertiär auch schon mit Buchten dritten Grades auf; in der Gegenwart charakterisieren die drei Lappen mit Buchten zweiten Grades die amerikanischen Arten. Die fünflappige Form erscheint zuerst im Miocän mit Buchten zweiten Grades und erreicht ihre höchste Entwickelung gegenwärtig bei den orientalischen Arten. Der Blattgrund ist an den frühzeitigen Trieben keilförmig oder abgerundet, bei den ältern abgeschnitten, ausgeschnitten oder herzförmig; die Keilform charakterisiert dementsprechend die Arten der Kreide und des Eocän; im Miocän treten schon die sämtlichen, höher entwickelten Formen des Blattgrundes auf, um in der Gegenwart bei den orientalischen Arten die höchste Stufe zu erreichen. Bezüglich der Bezahnung sind primäre, d. h. von den primären Seitennerven gebildete, und sekundäre Zähne zu unterscheiden; letztere bilden sich bei unsrer P. nur selten aus, treten wenig hervor und verschwinden bald wieder; ihre Zähne sind also ungleichwertig, wie dies bei den lebenden amerikanischen u. einigen ausgestorbenen Arten der herrschende Fall ist. Der Besitz primärer und sekundärer, aber gleichwertiger Zähne zeichnet einige ältere fossile Arten (P. Newberryana, Raynoldsi, marginata und Guillelmae) aus und stellt also einen ausgestorbenen Charakter des Platanenblattes dar.

Auf Grund einer genauen Analyse aller dieser Merkmale bei den lebenden und fossilen Formen entwarf Janko nun folgendes Bild von der phylogenetischen Entwickelung der P. Sie treten in der Kreide Amerikas und Grönlands zuerst mit drei Arten: P. primaeva, Heeri und Newberryana, auf, von denen die beiden ersten, mit primären Blattzähnen versehenen zu einander in näherer Beziehung stehen als zur dritten, welche eine gemischte, gleichwertige Bezahnung der Blätter besaß; P. Heeri überlebte die Kreideperiode übrigens nicht. Im Eocän entwickelte sich aus P. primaeva als älteste Form P. rhomboidea mit dreinervigen und dreilappigen Blättern, aber Buchten ersten Grades, dann folgte P. Haydeni mit Buchten ersten und zweiten Grades; P. Newberryana setzte sich in P. Raynoldsi fort, die ebenfalls gleichartige, primäre und sekundäre Blattzähne hatte. Aus P. Haydeni, welche in der Bezahnung variierte, gingen weiter die eng miteinander verwandten P. aceroides und Guillelmae hervor, deren weite, einen großen Teil Amerikas und Eurasiens umfassende Verbreitung oben erwähnt wurde; bei erstgenannter Art fixierte sich die ausschließlich primäre, bei letzterer die gemischte Bezahnung. Im Miocän entstand aus P. Guillelmae als Nebenform mit ungeteilten Blättern P. marginata, während die weitverbreitete P. aceroides nach der Trennung des Territorialzusammenhanges zwischen Amerika und Eurasien sich in zwei Äste, einen amerikanischen und einen europäisch-orientalen, spaltete; ersterer entwickelte in Kalifornien die Varietäten dissecta und appendiculata, letzterer die nur aus einem einzigen fossilen Blattrest bekannte P. academiae in Toscana. Die besonders in den Polargegenden verbreiteten P. Guillelmae und marginata starben dann infolge klimatischer Änderungen aus; ebenso erging es den tertiären Platanenwäldern Deutschlands, Frankreichs, Italiens, der Schweiz und der Balkanhalbinsel; nur in einigen Teilen Kleinasiens und auf mehreren Inseln des Mittelmeers blieb die europäische Stammform der P. erhalten. Der nordamerikanische Platanenstamm war jedoch zäher als der europäische; P. aceroides fand ihre direkte Fortsetzung in P. occidentalis, welche in den mexikanischen Gebirgen die dort endemische P. mexicana erzeugte, während die Varietät dissecta sich in Kalifornien zu racemosa und die Form appendiculata in Mexiko sich zu Lindeniana entwickelte. In Eurasien entstanden aus P. aceroides zwei Stämme, von denen der eine in Südeuropa die dreilappige Varietät cuneata und die fünflappige insularis und der andre im Kaukasus und in Lycien die großblätterige, schwachgezahnte Form caucasica bildete. In der Kultur entwickelten sich noch die der letztgenannten Varietät entsprechende acerifolia, ferner die den Typus von P. occidentalis nachahmende pyramidata und die das Platanenblatt auf höchster Stufe der Formentwickelung zeigende flabelliformis, während in Spanien aus P. occidentalis die merkwürdige, die amerikanische Formenreihe zum Abschluß bringende var. hispanica mit ebenfalls fünflappigen Blättern, aber kleinen, stumpfen Lappen entstand. Der genetische Zusammenhang zwischen sämtlichen ausgestorbenen und lebenden Platanenarten erhellt aus obigem Stammbaum.

^[Abb.: Stammbaum der Platane.]