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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Reaktion; Reblaus

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Reaktion - Reblaus.

monokulare Tiefensehen. Denn wir wissen, daß ein leuchtender und ein schattenwerfender Körper sich stets vor der beleuchteten, bez. schattenauffangenden Fläche befinden müssen, und daß die beleuchtete hellere Seite eines Gegenstandes stets der Lichtquelle näher liegen muß als die schattige dunklere Seite. 6) Die Richtung, in welcher ein Objekt im Verhältnis zu uns liegt, ändert sich, wenn wir uns bewegen, um so weniger, je entfernter das Objekt ist. B. Binokulare Sehtiefe. Durch das Zusammenwirken beider Augen kommen folgende zwei Faktoren neu hinzu. 1) Die Stärke der Konvergenz beider Gesichtslinien steht in direktem Verhältnis zur Nähe eines Gegenstandes. So gibt die Stärke der Konvergenzbewegung einen Begriff und Maßstab der Entfernung des betreffenden Gegenstandes. 2) Die Unähnlichkeit der Netzhautbilder bei geringer Tiefe belehrt uns über diese letztere. Ganz nahe Gegenstände werden oft doppelt gesehen.

Die R. ist nun nicht bloß auf die begrenzte Anzahl der jeweilig zu sehenden und zu tastenden Gegenstände beschränkt, sondern erweitert sich mit Hilfe der Erinnerung und der Association zur Vorstellung eines uns von allen Seiten umgebenden Raumes. In diesem Raume bezeichnen wir als vorn befindlich die bei natürlicher Stellung deutlich gesehenen Objekte, als hinten befindlich die nach halber Achsenumdrehung des Körpers ebenso zu sehenden. Mäßig schwere Augenbewegungen in wagerechter Ebene nach der einen oder andern Körperhälfte hin verschaffen uns die Vorstellungen rechts und links. Die Unterscheidung endlich von oben und unten, die gar nichts mit der umgekehrten Stellung der Netzhautbilder zu thun hat, geht einfach auf die Verschiedenheit der Muskelempfindungen zurück, welche bei der Bewegung des Auges zum Himmel und zur Erde eintreten. Das Auge muß eine verhältnismäßig schwere Bewegung ausführen, wenn die Hand in die Höhe tastet, und es hat eine sehr geringe Anstrengung zu leisten, wenn es in diejenige Richtung blickt, in welche die schweren Körper fallen, und in welcher auch unsre Füße stehen. Die Orientierung in dem so durch Tast- und Gesichtssinn bestimmten Raum wird sekundär durch den Hörsinn gefördert. Unter R. des Ohres verstehen wir dessen Fähigkeit, Schalleindrücke zu lokalisieren, eine Fähigkeit, die wahrscheinlich auf Kopfbewegungen beruht, welche von den Bogengängen aus hervorgerufen werden. Der Beitrag des Gehörs zur Ausbildung einer R. ist ein dreifacher. a) Bei bekannter Normalstärke eines Tones gibt die Abweichung eines solchen eben gehörten Tones von seiner Normalstärke nach unten einen Anhalt für die Beurteilung einer Entfernung, da die Stärke eines Schalles um so geringer ist, je weiter entfernt die Schallquelle ist. b) Bei unbewegtem Kopfe und bei Mangel schallbrechender Wände verschafft der Unterschied in der Stärke, mit dem das rechte und das linke Öhr von einem Schall getroffen werden, eine Schätzung der Lage (rechts, links, Mitte) der Schallquelle. Denn jedes der beiden Ohren wird von einer auf seiner Seite gelegenen Schallquelle stärker affiziert als das andre Ohr. c) Da die Stärke eines Schalles dann am stärksten ist, wenn der tönende Gegenstand ungefähr in der nach außen gezogenen Achse des rechten, bez. linken Gehörganges liegt, und wir, um genau zu hören, die entsprechende Kopfbewegung zu machen pflegen, so unterrichtet uns diese Veränderung der Kopfstellung über die Lage der Schallquelle im Raum. Die Vorstellung einer Bewegung von Gegenständen im Raume entsteht: 1) wenn bei bewegtem Auge das Gesichtsbild sich nicht verändert; 2) wenn bei ruhigem Auge die Gesichtsbilder wechseln; 3) wenn Objekte an einer Hand sich befinden, die kontrahiert wird; 4) wenn Töne an- und abschwellen und andre Umstände eine Bewegung der Schallquelle vermuten lassen. Vgl. Lotze, Medizinische Psychologie (Leipz. 1852); Wundt, Physiologische Psychologie (3. Aufl., das. 1887).

Reaktion, in Physiologie und Psychologie Gegenwirkung des Körpers auf einen Reiz (s. d.). Man benutzt in der experimentellen Psychologie die R., um mit Hilfe des Hippschen Chronoskops die Zeitdauer zu messen, welche zur Auffassung eines Sinneseindruckes nötig ist. Im Augenblick des objektiven Auftretens eines Reizes, z. B. des durch Aufschlagen einer herabfallenden Kugel erzeugten akustischen Reizes, wird ein elektrischer Strom ausgelöst (geschlossen), der die Zeiger des Chronoskops in Bewegung setzt und sie wieder anhält, sobald die Hand der Versuchsperson durch einen Druck den elektrischen Kontakt beendet (geöffnet) hat. Die Zeit, welche zwischen dem Auftreten des Reizes und der R. durch die Bewegung der Versuchsperson verfließt, nennt man die einfache Reaktionszeit (Exner). Der Vorgang, welcher dieser Zeit entspricht, setzt sich aus folgenden einfachen Vorgängen zusammen: 1) aus der Leitung vom Sinnesorgan bis in das Gehirn, 2) aus dem Eintritt in das Blickfeld des Bewußtseins (s. d.) oder der Perzeption (s. Apperzeption), 3) aus dem Eintritt in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit oder der Apperzeption, 4) aus der Willenserregung, welche im Zentralorgan die registrierende Bewegung auslöst, und 5) aus der Leitung der so entstandenen motorischen Erregung bis zu den reagierenden Muskeln und dem Anwachsen der Energie in demselben. (Wundt.) L. Lange hat nun gezeigt, daß diese einfache R. länger dauert, wenn die Aufmerksamkeit der Versuchsperson auf den zu erwartenden Sinnesreiz gerichtet ist, als wenn dieselbe sich der Bewegung oder den Bewegungsempfindungen zuwendet. Die erste, die vollständige, unverkürzte R. bezeichnete man seitdem auch als sensorielle, die zweite, verkürzte dagegen als muskuläre. Über die Bedeutung des Unterschiedes zwischen der sensoriellen und muskulären R. ist man sich noch nicht einig. Während Wundt-Lange dahin neigen, eine wesentliche Verschiedenheit zwischen ihnen festzusetzen und die muskuläre R. als einen einfachen Hirnreflex aufzufassen, während Münsterberg sogar die Anwendbarkeit einer reflexartigen muskulären R. auf komplizierte Wahlvorgänge behauptet, leugnen Martius und Dessoir diesen rein physiologischen Charakter der muskulären R. und suchen den Anteil der Aufmerksamkeit an ihr nachzuweisen. Im Durchschnitt beträgt die einfache Reaktionszeit bei mäßiger Stärke der Reize ⅛-⅕ Sekunde, doch wechselt der Zahlenwert gemäß dem Sinnesorgan, welches affiziert wird, danach, ob der Reiz isoliert oder mit andern auftritt, und gemäß dem Alter, dem körperlichen Befinden, der Aufmerksamkeit und der Übung der Versuchsperson. Bei Vergiftungszuständen, bei gewissen Störungen des Nervensystems (besonders bei Tabes) sowie bei gewissen Geisteskrankheiten scheint die Reaktionszeit erheblich verlängert zu sein. Vgl. Exner in Pflügers Archiv, Bd. 7 u. 8; Münsterberg, Beiträge zur experimentellen Psychologie, Heft 1 (Freiburg 1888); Martius in »Philosophischen Studien«, Bd. 6 (Leipz. 1890).

Reblaus. Dem energischen Vorgehen gegen die Reblausgefahr auf Grund internationaler Vereinba-^[folgende Seite]