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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Säugetiere

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Säugetiere (Stammesgeschichte).

ausgestorben, sondern jedenfalls durch den Menschen ausgerottet worden.

Auch Asien und Südamerika haben zahlreiche Reste von ausgestorbenen Säugetieren geliefert, doch gehören dieselben der jüngern Tertiärzeit und dem Diluvium an. Sehr reich an solchen Resten sind die indischen Siwalikhügel. Auf eine ältere Fauna deutet daselbst das Vorkommen von Anthracotherium, Hyopotamus und Merycopotamus, der letztere jedenfalls ein Nachkomme von Hyopotamus. Alle übrigen indischen Formen schließen sich sehr eng an Arten von Pikermi an, so die dortigen Katzen, die Hyaenarctos, Hyänen, Stachelschweine, Antilopen, Rhinozeroten, Mastodon und Dinotherium sowie die Schweine, Giraffen und Hipparion. Daneben finden sich jedoch auch schon Pferde, Rinder, Elefanten, Kamele und Flußpferde sowie Schimpanse und Orang-Utan und andre Affen. Ganz besonders merkwürdig sind die Siwatherien, im allgemeinen giraffenähnlich, jedoch mit viel komplizierterm Geweih und relativ kurzen Beinen. Auch kommen Bären, Hunde und Zibetkatzen vor. Die Karnulhöhlen enthalten sehr viele noch jetzt in Indien lebende Arten; wieder andre der daselbst gefundenen Tiere bewohnen jetzt Afrika, so Cynocephalus, die gefleckte Hyäne, Schuppentier und Esel. Maragha in Persien hat eine der Pikermifauna sehr ähnliche Tierwelt geliefert, ebenso die Insel Samos, doch kommt hier auch der jetzt in Südafrika lebende Orycteropus sowie ein Schuppentier vor. Auch aus China, Japan und den Molukken kennt man fossile S., vorwiegend Elefanten.

Ungemein reich an fossilen Resten ist Südamerika. Die brasilischen Höhlen enthalten viele Säugetierformen, die jedoch mit Ausnahme der riesigen Edentaten fast durchgehends noch in der Gegenwart dort zu Hause sind. Die Tuffe von Ecuador bergen Pferde, Hirsche, Mastodon, Machairodus und den Vorläufer der Lamas. Die Pampas von Argentinien sind vor allem ausgezeichnet durch die Menge der hier vorkommenden Edentaten. Dieselben sind teils gepanzert, wie die Glyptodonten und Dasypodiden (Gürteltiere), oder aber nackt, wie die Megatheriiden, Megalonyx etc. Die letztern schließen sich noch am ehesten an die lebenden Faultiere an, hatten jedoch riesige Dimensionen, zum Teil Rhinozeros- und Elefantengröße. Dies gilt auch von den Glyptodonten. Unter den in den Pampas vorkommenden Huftieren verdienen besonderes Interesse die Toxodonten, Typotherien, Macrauchenia und die Epitherien. Die Toxodonten und Typotherien lassen sich allenfalls dem lebenden Hyrax an die Seite stellen, besitzen jedoch hohe Zahnkronen ohne Wurzeln und haben auch zum Teil Reduktion der Zehenzahl erfahren. Die Typotherien haben zwar vorn noch fünf, hinten aber nur mehr vier Zehen; bei Toxodon ist deren Zahl bloß noch vier, resp. drei. Auch diese Tiere hatten stattliche Größe. Die Epitherien erinnern einigermaßen an die Miocän-Pferde (Anchitherium), sowohl im Zahnbau als auch in der Organisation der Extremitäten, die Macrauchenien an Tapire, doch sind die Zähne prismatisch geworden, d. h. die Kaufläche ist vollkommen eben, die Krone sehr hoch und setzt erst im Alter Wurzeln an. Als ein weiterer, höchst eigenartiger Huftiertypus erscheinen die Homalodontotherien. Der Zahnbau zeigt vielfache Anklänge an Nashorn. Alle diese fremdartigen südamerikanischen Huftiere stammen jedenfalls von Kondylarthren des nordamerikanischen Tertiärs ab; ebenso waren auch die erwähnten Edentaten ursprünglich in Nordamerika zu Hause. Außer diesen ganz aberranten Formen enthalten die Pampas auch Mastodon, Hirsche, Lamas, Pferde, Bären, Hunde und Katzen (Machairodus) sowie zahlreiche Nager zum Teil von gewaltiger Größe, doch stehen dieselben in nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zu den heutigen südamerikanischen Nagertypen. Jedenfalls hat die ausgestorbene Tierwelt der Pampas lediglich für die gegenwärtige Säugetierfauna Südamerikas eine größere Bedeutung, nicht aber auch für die altweltliche oder nordamerikanische Fauna. Die letztere hat sie nur während des Quartärs insofern modifiziert, als gegen Ende der Tertiärzeit viele der gewaltigen Edentaten bis Mexiko und Florida vorgedrungen sind.

Von fossilen Seesäugetieren ist verhältnismäßig wenig bekannt. Robben treten erst sehr spät auf und schließen sich sehr eng an die lebenden an. Sie dürfen wohl als Nachkommen von Kreodonten (Mesonyx) betrachtet werden, welche sich dem Wasserleben angepaßt haben. Dagegen ist die Herkunft der Wale und Seekühe noch in vollständiges Dunkel gehüllt. Die ältesten fossilen Seekühe (Sirenen) finden sich im Oligocän am Rhein und in Frankreich. Sie stehen der lebenden Gattung Halicore, dem Dugong, am nächsten. Dies gilt auch von den Sirenen des Miocäns, namentlich in Frankreich, Schwaben und Italien vorkommend. Wale treten zuerst im Eocän von Florida, Ägypten und England auf. Diese Zeuglodon weichen hinsichtlich der Länge der Wirbel und der Beschaffenheit des Gebisses vollkommen von den lebenden Walen ab. Die Zähne haben einige Ähnlichkeit mit denen der Robben. Auch die miocäne Gattung Squalodon besitzt eine derartige Bezahnung. Wir haben es wohl mit einem gänzlich ausgestorbenen Formenkreis zu thun. Die übrigen fossilen Wale stehen den noch jetzt lebenden Typen ungemein nahe.

Die Placentalier stammen wohl insgesamt von Formen ab, welche im Puercobed von Nordamerika vorkommen. Ein Teil dieser alten Typen wandert nach Europa aus, und hier erfolgt die Entwickelung der Hirsche, Schweine und andrer Paarhufer sowie der echten Karnivoren, Insektivoren und Nager; Nordamerika dagegen ist die Heimat der Kreodonten und der meisten Einpaarhufer, namentlich der Pferde; Tapire und Rhinozeroten verlegen erst gegen Mitte der Tertiärzeit ihren Wohnsitz nach der Alten Welt, während die Pferde nur von Zeit zu Zeit Vertreter nach der östlichen Hemisphäre entsenden; Nordamerika ist auch die Heimat der Oreodontiden und der Kamele und Lamas. Ebenso waren die Affen und Halbaffen ursprünglich dort zu Hause. Echte Raubtiere erscheinen daselbst erst im Miocän und kehren auch größtenteils bald wieder nach der Alten Welt zurück, freilich in sehr veränderter Form, z. B. als echte Hunde und Hyänen, während die Zibetkatzen, Marder und Bären ausschließlich altweltliche Formen darstellen. Die Stammesgeschichte der Elefanten und Affen ist noch ziemlich dunkel. Die erstern treten nahezu gleichzeitig in beiden Hemisphären auf. Ihre Ahnen sind wohl in Kondylarthren zu suchen. Die Halbaffen verbreiten sich schon frühzeitig von Nordamerika aus nach allen Weltteilen. Die Paviane gehen jedenfalls auf die nordamerikanischen Hyopsodiden zurück. Von den südamerikanischen Platyrrhinen sowie von den Anthropomorphen kennt man im ältern Tertiär noch keine Vertreter. Beide wurzeln jedoch sicher in einer gemeinsamen Stammform, die ihrerseits wieder auf einen halbaffenähnlichen Typus zurückgeht. Die Ahnen dieser Affen sowie jene der Elefanten