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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Teuchert-Kauffmann; Theater in Deutschland 1889-90

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Teuchert-Kauffmann - Theater in Deutschland.

fassung hätte diese, sobald 7000 Bürger die Revision verlangten, die Frage, ob revidiert werden sollte oder nicht, innerhalb Monatsfrist dem Volke zur Abstimmung vorlegen sollen; aber unter dem Vorwand einer genauern Prüfung der Echtheit der Unterschriften ließ der Staatsrat die gesetzliche Frist verstreichen, ohne die Abstimmung anzuordnen. Als Anfang September das Amtsblatt noch keine Mitteilung über das Revisionsbegehren enthielt, erklärten die Liberalen die Verfassung für verletzt und brachten die Sache vor den Schweizer Bundesrat. Statt jedoch den Erfolg dieses Schrittes abzuwarten, zogen die radikalen Elemente der Partei es vor, zur Gewalt zu greifen. In verschlagenster Weise wurde eine förmliche Verschwörung ins Werk gesetzt, deren Ausbruch die sonst so geriebene Regierung völlig überraschte. Am 11. Sept. mittags wurde in Bellinzona Sturm geläutet, das Zeughaus überrumpelt und das Regierungsgebäude von den Aufständischen besetzt, wobei der Staatsrat Rossi erschossen wurde. Drei weitere anwesende Mitglieder der Regierung wurden verhaftet und gleichzeitig Staatsratspräsident Respini in Lugano, wo er sich zufällig aufhielt, gefangen gesetzt. Eine liberale Volksversammlung in Bellinzona proklamierte die Absetzung des Staatsrats und Großen Rates und setzte eine provisorische Regierung von Radikalen ein, die sich sofort der Geschäfte bemächtigte.

In der übrigen Schweiz rief die Kunde von diesem Patsche Erstaunen und Unwillen hervor, da man ein solches Verlassen des Rechtsbodens seit 1848 nicht mehr für möglich gehalten hatte. Auf die erste telegraphische Nachricht sandte der Bundesrat den Obersten Künzli aus dem Aargau als eidgenössischen Kommissar mit zwei Bataillonen über den St. Gotthard, die schon 12. Sept. in Bellinzona eintrafen. Der Kommissar löste die provisorische Regierung auf, entwaffnete die von ihr aufgebotenen Banden, befreite die Gefangenen und übernahm provisorisch die Leitung des Kantons, indem er sich mit gemäßigten Vertrauensmännern beider Parteien umgab. Gegen die Urheber des Aufstandes wurde eidgenössische Strafuntersuchung eingeleitet und an England, wohin sich der mutmaßliche Mörder Rossis, ein Bildhauer Castioni aus Stabio, geflüchtet hatte, das Begehren um Auslieferung desselben gestellt. Zugleich hieß aber der Bundesrat den Rekurs der Tessiner Liberalen gut und wies den eidgenössischen Kommissar an, innerhalb der kürzesten zulässigen Frist die Volksabstimmung über die Verfassungsrevision zu veranstalten. Die einfache Wiederherstellung der gestürzten Regierung hielt er einstweilen für unthunlich, da es ihm daran gelegen war, das Volk des Kantons Tessin unter dem Schutze einer neutralen Behörde zur Revisionsabstimmung schreiten zu lassen. Die Bundesversammlung, welche auf den 22. Sept. einberufen wurde, billigte diese Haltung, indem der Nationalrat nach einer viertägigen erregten Debatte, in welcher namentlich die Reden der Bundesräte Ruchonnet und Welti großen Eindruck machten, mit 97 gegen 35 Stimmen, d. h. mit allen außer denen der ultramontanen Rechten, den Anträgen des Bundesrats zustimmte, welchem Beschluß auch der Ständerat beitrat. Die Rechte hatte ebenfalls die Genehmigung der bundesrätlichen Maßregeln beantragt, wollte aber damit die Einladung zur sofortigen Wiedereinsetzung der gestürzten Regierung, also ein indirektes Tadelsvotum, verbinden, während sich der Bundesrat darin freie Hand vorbehielt. Am 5. Okt. fand die Volksabstimmung im T. statt und ergab einen Sieg der Liberalen, indem mit 11,899 Ja gegen 11,810 Nein die von den Klerikalen so heftig bekämpfte Revision durch einen Verfassungsrat beschlossen wurde. Nach der Konstatierung des Abstimmungsergebnisses zögerte der Bundesrat mit der Wiedereinsetzung der legalen Regierung nicht länger, aber er machte dabei Vorbehalte zu gunsten des eidgenössischen Kommissars, die einer vorläufigen Bevormundung derselben gleichkamen, und beschloß zugleich, die Besetzung des Kantons einstweilen fortdauern zu lassen. Als Grundlagen einer Pacifikation stellte der Bundesrat in mehreren Versöhnungskonferenzen, zu welchen er die hauptsächlichsten Vertreter beider Parteien nach Bern berief, gerechtere Einteilung der Wahlkreise, gründliche Verbesserung der mangelhaften, der Parteiwillkür Vorschub leistenden Abstimmungseinrichtungen und Bestellung einer aus Konservativen und Liberalen gemischten Regierung auf. Durch den freiwilligen Rücktritt zweier bisheriger Mitglieder der Regierung, darunter des den Liberalen besonders verhaßten Staatsratspräsidenten Respini, ist die Möglichkeit für das letztere gewährt und überhaupt der Boden für eine Versöhnung der Parteien geebnet worden. Sollten diese wider Erwarten nicht dazu kommen, sich freiwillig zu verständigen, so wird die eidgenössische Behörde ihren Erklärungen zufolge von sich aus die nötigen Maßnahmen treffen, um diese Quelle ewiger Beunruhigung für die Schweiz zu verstopfen, und jedenfalls die eidgenössische Intervention diesmal nicht eher aufhören lassen, bis Garantien für eine dauernde Ordnung in dem zerrütteten Kanton geschaffen sind.

Teuchert-Kauffmann, Edler von Traunsteinburg, Friedrich Felix Freiherr von, österreich. General, geb. 17. Jan. 1831 zu Ödenburg als Sohn des Generalmajors Franz Kauffmann, Edlen von T., Adoptivsohn des Feldzeugmeisters Friedrich Freiherr v. Teichert (gest. 1872 in Ischl), erhielt seine militärische Ausbildung in der Neustädter Militärakademie, wurde 1847 Leutnant, 1849 Oberleutnant und machte den Feldzug d. J. in Ungarn mit. 1852 Hauptmann im Generalquartiermeisterstab, nahm er an dem Feldzug 1859 in Italien mit Auszeichnung teil und avancierte in demselben Jahr zum Major im Adjutantenkorps, 1863 zum Oberstleutnant, 1866 zum Obersten und Kommandanten des 37. Infanterieregiments, in welcher Eigenschaft er an dem Feldzug 1866 gegen Preußen teilnahm. 1871 wurde T. Kommandant der 9. Infanteriebrigade, 1873 Generalmajor, 1878 Kommandant der 24. Infanterietruppen-Division und in demselben Jahr Feldmarschallleutnant. 1882 dem Generalkommando in Prag zugeteilt, wurde er 1. Jan. 1883 Stellvertreter des dortigen kommandierenden Generals. 1884 erfolgte seine Ernennung zum Kommandanten des 14. Korps in Innsbruck und Landesverteidigungskommandanten in Tirol und Vorarlberg; 1. Jan. 1889 avancierte er zum Feldzeugmeister und trat im März 1891 in den Ruhestand. T. ist seit 1883 Inhaber des 88. Infanterieregiments.

Theater in Deutschland 1889-90. Die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des deutschen Theaters während der Jahre 1889 und 1890 sind: 1) die auf dem Münchener Hoftheater versuchte Bühnenreform zur Vereinfachung der szenischen Apparate, 2) die Begründung privater Bühnenvereine und 3) die Beendigung der Gastspielreisen des Meininger Hoftheaters, welches im J. 1874 den Anstoß zu einer völligen Umgestaltung des deutschen Bühnenwesens in Bezug