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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tier

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Tier (Färbung und Zeichnung der Tiere).

abstammt, sondern daß sich beide aus der in ihrer Zeichnung der Hauskatze ähnlichen afrikanischen Falbkatze entwickelt haben. Aus den Zibetkatzen sind außer den Katzenarten auch die Hyänen hervorgegangen. Die Übereinstimmung zeigt sich besonders bei der gestreiften Hyäne, jedoch ist im allgemeinen die Zeichnung eine vorgeschrittenere; es ist bereits das Schwinden der Zeichnung vorbereitet, welches bei den Hunden noch weiter gediehen ist, doch sind auch bei den hundeartigen Raubtieren noch Spuren von Zibetkatzen- und Katzenzeichnung vorhanden, und zwar sind bei allen Teile von solchen Streifen zu erkennen, welche auch bei den Hyänen besonders entwickelt sind, so daß die Zeichnung der hundeartigen Raubtiere sich wie ein Überrest jener der Hyänen ausnimmt. Auch bei andern Säugetieren läßt sich diese Gesetzmäßigkeit in der Zeichnung der Tiere nachweisen. So zeigt das Zebra Querstreifung, auf der Mittellinie des Rückens aber und auf der Stirn Längsstreifung. Beim Quagga ist hinten schon Einfarbigkeit aufgetreten, am Hals ist Querstreifung, auf der Stirn noch Längsstreifung. Auch Esel und Pferd haben häufig auf dem Rücken eine dunkle Längsmittellinie. Unter den hirschartigen Tieren sehen wir beim Damhirsch Längsreihen weißer Flecke, die beim Weibchen deutlicher erkennbar sind als beim Männchen; in der Jugend haben aber auch Edelhirsch und Reh, die erwachsen einfarbig sind, Längsreihen von weißen Flecken, und eine ganze Reihe weiterer Tiere, welche im Alter keine Zeichnung besitzen, trägt solche in der Jugend. So bei den Säugetieren die Jungen vom Tapir, Schwein und Wildschwein; auch bei der überwiegenden Mehrzahl von Reptilien und Amphibien sind die Jungen längsgestreift, und das Gleiche findet sich bei vielen Nacktschnecken und jungen Raupen. Unter den Vögeln zeigen die geschilderte Umwandlung der Zeichnung besonders gut die Raubvögel. Die Jungen fast aller unsrer einheimischen Raubvögel haben nach Abwerfen der Daunen ein Jugendkleid, welches braun gefärbt und mit schwarzen Längsspritzen gezeichnet ist, die zuweilen so aneinander gereiht sind, daß sie schwarze Längslinien darstellen, später aber in längsgestreifte Flecke sich auflösen. Die Weibchen behalten dieses Kleid häufig; zuweilen wird es aber auch bei ihnen, wenigstens im Alter, in ein quergestreiftes umgewandelt. Dies ist die Regel beim Männchen schon zur Zeit seiner Reife. Überall überhaupt zeigt sich bei den Vögeln die »Präponderanz des männlichen Geschlechts«. Bei Amseln, Drosseln oder Würgern behalten die Weibchen das jugendliche Kleid, während die Männchen selbst nahe verwandter Gattungen und Arten später weit mehr voneinander abweichen. Bei den Vögeln nimmt im Gegensatz zu den Säugetieren die Rückenseite zuerst die neuen Eigenschaften an. Die Längsstreifung erhält sich am längsten an der Unterseite. Wenn sich die Zeichnung verliert, so geschieht dies zuerst auf dem Rücken und zwar wiederum zuerst bei den Männchen. Die Querstreifung kann wenigstens in Form von Querbinden an der Unterseite des Schwanzes und der Flügel oder an der ganzen Unterseite bestehen bleiben. Zuletzt wird dann auch die Unterseite einfarbig. Zuweilen trifft man alle Stufen der Umbildung am Körper eines und desselben Vogels: Kehle längsgestreift, Brust längsgefleckt, nach unten in kurze, abgerissene Fleckenzeichnung übergehend, welche den Übergang zur Querstreifung bilden, die am Schwanze ausgesprochen ist, während die ganze Rückenseite schon einfarbig geworden. Das Gesetz der wellenförmigen Entwickelung ist also auch hier ausgeprägt. Unter den wirbellosen Tieren hat Eimer die gesetzmäßige Umbildung der Zeichnung an Schmetterlingen, und zwar zunächst an den dem Segelfalter ähnlichen Arten der Gattung Papilio, verfolgt. Auch hier zeigt sich der gleiche Entwickelungsgang in der Zeichnung: 1) Längsstreifung, 2) Fleckung durch teilweise Auflösung der Streifen, oft auch nur seitliche Verschmelzung oder Verkürzung oder teilweises oder völliges Schwinden einzelner Binden, 3) Querzeichnung oder Querstreifung durch seitliche Verbindung der Flecke oder auch der Längsstreifen, 4) Einfarbigkeit durch fast oder ganz vollständiges Zurücktreten der Zeichnung oder auch durch Verbreiterung der Querverbindungen und der ursprünglichen Längsbinden, so daß die Grundfarbe schließlich ganz oder bis auf Reste verdrängt wird. Auch bei den Schmetterlingen läßt sich ein allmähliches Fortschreiten der Zeichnung von hinten nach vorn, eine postero-anteriore Entwickelung verfolgen, und es treten auch neue Zeichnungen nur hinten auf. Das Undulationsgesetz jedoch, d. h. das bei den Wirbeltieren geschilderte wellenförmige Vorrücken der hinten neu auftretenden Zeichnung nach vorn mit zunehmendem Alter, kann bei den Schmetterlingen nicht in Betracht kommen, da diese die Puppe fertig verlassen. Die große Mannigfaltigkeit der Zeichnung der Formen, Abarten und Arten wird weniger durch das Auftreten neuer Zeichnungen bedingt, als durch Umbildung der alten, indem die eine, z. B. ein gewisser Streifen in einer Gruppe, schwindet, in einer andern sich mehr ausbildet, oder indem beides zugleich vor sich geht, hier Fort-, dort Rückbildung, oder endlich, indem an Vorder- und Hinterflügel, Ober- und Unterseite die Veränderung nicht in gleichem Maße vor sich geht. Des weitern wird die Mannigfaltigkeit bedingt durch die Korrelation, indem mit Veränderung einer Zeichnung häufig noch eine andre oder mehrere zugleich auftreten, z. B. steht mit der schönen Ausbildung der Afteraugenflecke beim Segelfalter die Ausbildung der blauen Randbinde in Beziehung. Die Ursache kann in der ursprünglichen morphologischen und physiologischen Gleichwertigkeit der betreffenden Teile liegen, wie auch die Symmetrie von gleicher stofflicher Zusammensetzung und gleicher physiologischer Thätigkeit der beiden Körperhälften herrührt. Solche korrelativ vor sich gehende, sprungweise Umbildung ohne Zwischenstufen bezeichnet Eimer als kaleidoskopische Umbildung. Die Entdeckungen und Beobachtungen Eimers über die gesetzmäßige Aufeinanderfolge der verschiedenen Zeichnungen wurden von Weismann durch Untersuchungen an den Raupen von Schwärmern bestätigt. Nach diesem Forscher laufen alle Daten der Entwickelungsgeschichte darauf hinaus, daß von den drei bei Sphingidenraupen vorkommenden Zeichnungsformen, der Längsstreifung, den Schrägstrichen und den Flecken, die erstere die ältere ist. Unter den Arten, welche mit Schrägstrichen oder mit Flecken geziert sind, finden sich viele, deren Jugendstadien längsgestreift sind, das Umgekehrte aber findet sich nicht, niemals zeigt die junge Raupe Flecke oder Schrägstriche, wenn die erwachsene Raupe nur längsgestreift ist; die erste und älteste Zeichnung der Sphingidenraupe war also die Längszeichnung. Von Bedeutung ist, daß auch bei den Raupen die neuen Zeichnungen zuerst am hintern Teile des Körpers zu entstehen pflegen. Durch diese Untersuchungen hat die Art und Weise der Zeichnung eine große Bedeutung für die Beurteilung der Verwandtschaft der Tiere und für die Systematik gewonnen.