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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ungarn

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Ungarn (Industrie, Handel und Verkehr, Verwaltungsreformen).

erfreulichen Aufschwung, die gegenwärtig in 1942 südungarischen Gemeinden 62,525 Familien beschäftigt. Während 1879 nur 2507 kg Galetten im Werte von 3700 Guld. erzeugt wurden, betrug das Ergebnis im J. 1889: 815,659 kg Galetten im Werte von 1,042,600 Guld. (1890 bereits 1,043,096 kg). Infolge der durch die Regierung eingeführten Reformen auf dem Gebiete der Tabaksverwaltung und der rationellern Wirtschaft bei den Staatsforsten sind die betreffenden Erträgnisse in stetem Steigen begriffen. Für Rechnung des Tabaksmonopols wurden erzeugt: 1886: 327,000, 1887: 466,000, 1888: 452,000 und 1889: 523,000 metr. Ztr., und in diesen Jahren entfallen auf ein Katastraljoch Feld: 359,500,517 und 618 kg Tabak. Der Brutto- (Rein-) Ertrag des Staates betrug 1886: 32,5 (19,1), 1887: 34,4 (23,6), 1888: 34,2 (24,5) und 1889: 36,1 (25,1) Mill. Guld. Aus den Staatsforsten belief sich das Bruttoeinkommen im J. 1889 auf 7,1 Mill. Guld. und der Reinertrag auf 5,6 Mill. Guld. (letzterer gegen 1888 um 0,26 Mill. Guld. mehr). Ein wesentliches Mehrerträgnis wurde endlich 1889 auch in den ungarischen Bergwerken erzielt. Der Wert der daselbst gewonnenen Montanprodukte betrug nämlich 25,8 Mill. Guld. (gegen 21,6 Mill. im J. 1888). Hiervon entfielen auf Gold 2,9, auf Silber 1,5, auf Eisen 8,7, auf Steinkohle 9,4 und auf Braunkohle 5,8 Mill. Guld. Kroatien-Slawonien war an diesem Erträgnis mit 299,344 Guld. beteiligt.

Sehr günstig gestaltet sich der Handelsverkehr des Landes. Import und Export des Jahres 1889 erreichten einen Wert von 933,7 Mill. Guld., und die Ausfuhr ist seit sechs Jahren um 70,1 Mill. Guld. gestiegen, dagegen die Einfuhr in dieser Zeit um 14,5 Mill. Guld. gefallen; im J. 1888 überwog letztere den Export noch um 19 Mill. Guld., 1889 jedoch betrug dieser Überschuß nur noch 6,1 Mill. Guld., und seit 1884 ist der Passivsaldo der Handelsbilanz von 90 Mill. auf 6,1 Mill. Guld. herabgemindert worden. Der Warenverkehr betrug in der Periode 1884-89 in Millionen Gulden:

1884 1885 1886 1887 1888 1889

Einfuhr 484,4 435,1 421,1 440,6 465,5 469,9

Ausfuhr 393,6 398,4 419,1 405,9 446,4 463,7

Von obigen Ziffern des Jahres 1889 entfallen auf den Verkehr mit Österreich in der Einfuhr 399,2, in der Ausfuhr 344,6 Mill. Guld. (72 Proz.). Die Ausfuhr, an der Deutschland mit 10, England mit 3,6, Frankreich mit 3,1, die Schweiz mit 2,5, Italien mit 1,1, Serbien mit 1,4, Rumänien mit 1,2 und Bosnien mit 1,5 Proz. beteiligt war, hat gegen 1888 zugenommen: nach Österreich um 24,3 Mill. Guld., nach Deutschland um 1,3, nach Italien um 1,4, nach Serbien um 0,8, nach Bulgarien und den übrigen Ländern der Balkanhalbinsel um 0,4; dagegen abgenommen: nach der Schweiz um 7,4, nach Frankreich um 1,2, nach Belgien und Holland um 2,5 Mill. Guld. In der Einfuhr waren 1889 Industrieprodukte (390 Mill. Guld.), in der Ausfuhr Rohprodukte (300 Mill. Guld.) überwiegend. Gegen 1888 war in der Ausfuhr eine Zunahme bei Schlacht- und Zugvieh (um 15 Mill. Guld.), Zucker, Getränken und Mais, eine Abnahme bei Getreide und Mehl um 10 Mill. Guld. wahrzunehmen.

Der Hebung der ungarischen Handels- und Industrieverhältnisse dienen mannigfache Verfügungen des Handelsministers (die staatliche Begünstigung neuer Industrieunternehmungen, die Berufung eines Industrierats, die Gründung der ungarischen Industriebank, der ungarischen Maschinen- und Schiffsbaugesellschaft und der ungarischen Handelsaktiengesellschaft etc.). Um dem Handel den Seeverkehr zu gewinnen und hierdurch auch der Hafenstadt Fiume (s. Fiume) zu nutzen, wurde für neue regelmäßige Dampferverbindungen mit ausländischen Seehäfen gesorgt. Die ungarischen Staatsbahnen, denen 1890 auch die ungarische Ostbahn einverleibt wurde, umfassen ein Bahnnetz von 8377 km und ergeben nach dem Voranschlag für 1891 bei einer Einnahme von 48,66 Mill. Guld. und einer Ausgabe von 30 Mill. einen Überschuß von 18,68 Mill. Guld., einer 3,52 prozentigen Verzinsung entsprechend. Der Zonentarif (s. Eisenbahn-Personengeldtarife), welcher im ersten Jahre seines Bestandes seit 1. Aug. 1889 einen außerordentlichen Aufschwung in der Personenbeförderung auf allen Linien der ungarischen Staatsbahnen herbeigeführt hat (es wurden 13 Mill. Personen gegen 5 Mill. im Vorjahr befördert, die Mehreinnahme betrug 2 Mill. Guld.), ist mit 1. Jan. 1891 in entsprechender Weise auch auf den Frachtverkehr ausgedehnt worden. Eine wichtige wirtschaftliche Frage für Siebenbürgen ist die Herstellung neuer Anschlüsse an das rumänische Eisenbahnnetz, worüber Verhandlungen zwischen der ungarischen und rumänischen Regierung eingeleitet worden sind. Es handelt sich einerseits um Anschlüsse in südlicher Richtung durch den Rotenturmpaß und den Vulkanpaß, anderseits um eine Linie im O. Siebenbürgens durch den Gyimeschen Paß in die Moldau. In sächsischen Kreisen wünscht man vor allem die Herstellung der Linie von Hermannstadt durch den Rotenturmpaß, welche endlich die wirtschaftliche Isolierung dieser Stadt beheben und die kürzeste Verbindung zwischen Pest und Bukarest herstellen würde. Ende 1888 betrug die Zahl der Banken in U. (mit Ausschluß der Nebenländer): 154, die der Sparkassen 424, der Genossenschaften 547 und der Bodenkreditinstitute 5. Die Banken hatten ein eingezahltes Aktienkapital von 42,7 Mill., einen Reservefonds von 5,8 Mill., und in ihnen waren an Spareinlagen mit Zinsen 72,8 Mill. Guld. angelegt. Bei den Sparkassen betrugen das Aktienkapital 27,4 Mill., der Reservefonds 23,5 Mill. und die Spareinlagen 386,1 Mill. Guld., von denen nur 160,2 Mill. in Hypotheken, aber 152,9 Mill. in Bankwechseln angelegt waren. Bei den Genossenschaften betrugen die Anteile 26,6 Mill., der Reservefonds 1,4 Mill. und die Spareinlagen 22 Mill. Guld. Die Bodenkreditinstitute hatten bei einem Aktienkapital von 12,2 Mill. und einem Reservefonds von 11,9 Mill. Guld. für 133,8 Mill. Guld. Pfandbriefe ausgegeben. Ihre auf Grundstücke eingetragenen Hypotheken beliefen sich auf 130,4 Mill. Guld., außerdem hatten sie auf Schuldscheine 36,9 Mill. Guld. ausgeliehen und 13,4 Mill. Guld. in Wertpapieren angelegt. Von hervorragender volkswirtschaftlicher Bedeutung ist die 10. Aug. 1890 begonnene Regulierung des Eisernen Thores, d. h. der durch ihre Katarakte und Stromschnellen berüchtigten Donaustrecke zwischen Alt-Moldova und Turn-Severin (näheres s. Donau). Über die Sonntagsruhe und über die Krankenversicherung sind vom Handelsminister Gesetzentwürfe eingebracht und vom Reichstag angenommen worden.

Auf finanziellem Gebiet wurden 1889 in U. mehrfache Reformen erfolgreich durchgeführt, vor allem in Bezug auf die Verwaltung, hinsichtlich welcher sich die Notwendigkeit ergab, an Stelle der bisherigen 16 Finanzdirektionen womöglich für jedes größere Komitat eine besondere Behörde zu errichten. Gegenwärtig bestehen in U. 50 und in Kroatien-Slawonien 6 neuorganisierte Finanzdirektionen, und zwar in den