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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vereinigte Staaten von Nordamerika

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Vereinigte Staaten von Nordamerika (Geschichte).

das Jahr darauf mit der Farmers' State Union von Louisiana zu der National Farmers' Alliance and Corporation Union und sandte Organisatoren nach allen übrigen Südstaaten aus, um in allen Schulbezirken Unterallianzen ins Leben zu rufen. Die Bewegung griff rasch um sich, namentlich in dem Baumwollgebiet, wo die Farmer sich der Willkür der Baumwollmakler und der Geldverleiher entziehen wollten. Überall bildeten sich Distrikts-, County- und Staatsallianzen, und im Oktober 1887 hielten die Vertreter derselben ihre erste Nationalkonvention zu Shreveport in Louisiana ab, wo zu gleicher Zeit die unter dem Namen National Wheel besonders in Kentucky, Tennessee, Arkansas blühende Farmervereinigung tagte. Es wurde eine Verschmelzung der beiden Organisationen angebahnt und 1888 auf der zu Meridian in Mississippi abgehaltenen Tagung vollzogen. Die eine Vereinigung nannte sich Farmers' and Laborers' Union und nahm Landwirte, Farmarbeiter, Handwerker, Lehrer, Ärzte und Geistliche vom Lande auf, wenn sie der weißen Rasse angehörten. Mittlerweile hatte die Bewegung auch im Nordwesten Wurzel gefaßt, wo die Getreidebaues namentlich gegen die Eisenbahnen Front machten und auch eine bedeutende Ermäßigung der Fracht- und Personenraten durchsetzten. Im J. 1889 traten Bevollmächtigte der südlichen und der nordwestlichen Allianz zu St. Louis in Missouri zu einer Konvention zusammen und beschlossen, sich unter dem Namen National Farmers' Alliance and Industrial Union zu verschmelzen, so daß sich der große Bauernbund gegenwärtig vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean und von Kanada bis Mexiko erstreckt. Jeder Staat muß wenigstens 50 Unterallianzen haben, um eine Staatsallianz zu bilden. Präsident des Bundes ist Leonidas L. Polk (s. d.), Hauptorgan »The National Economist«, der in Washington erscheint, außerdem werden im Interesse der Allianz nahezu 900 Wochenschriften veröffentlicht. Die erste nationale Einrichtung der amerikanischen Landwirte ist die Farmerallianzbörse in New York, deren Hauptzweck darin besteht, den in Geldverlegenheit befindlichen Mitgliedern gegen gute Sicherheit Hilfe zu gewähren und sie vor Wucherern zu schützen, ihnen Gelegenheit zu geben, sich ihren Bedarf an Ackerbaugeräten und landwirtschaftlichen Maschinen, Saatkorn und andern Sämereien sowie ihre Lebensbedürfnisse zu möglichst niedrigen Preisen einzukaufen und ihre Erzeugnisse thunlichst vorteilhaft abzusetzen. Ferner beabsichtigt der Bund den größern Teil der amerikanischen Getreideausfuhr selbst zu besorgen und sie auf der andern Seite des Ozeans in großen Speichern zu lagern, wozu englische Kapitalisten das Geld hergeben wollen. Das sogen. Trustprinzip ist gänzlich ausgeschlossen, Extraprofite werden nicht gemacht und die Geschäfte nur zum Kostenpreis geführt. Dieser Transport der Ernte und ihre Aufspeicherung für den auswärtigen Markt ohne die Dazwischenkunft von Produkten-, Getreide- und Baumwollbörsen wird durch ein System von Ernteberichten erleichtert, die jetzt im Bunde und in seinen Staats- und Unterallianzen vorbereitet werden. Man hofft, daß die Vereinigung mit der Zeit nicht weniger als 5 Mill. Landwirte als Mitglieder zählen wird.

Die Farmer und der Farmerbund stimmten bei den letzten Wahlen nicht für die demokratische Partei als solche, sondern weil sie mit ihr im Kampfe gegen die übermäßigen von den Republikanern beschlossenen Schutzzölle zusammenstanden. Sie waren schließlich zu der Einsicht gelangt, daß ihnen die hohen Eingangszölle auf Weizen, Hafer, Gerste, Mais, Kartoffeln etc., mit denen man ihnen Sand in die Augen streuen wollte, wenig oder gar nichts nützen, da sie selbst von diesen Früchten in der Regel einen solchen Überfluß ziehen, daß sie alljährlich Hunderte von Millionen Bushel davon ausführen. Der ihnen für ihre Produkte gewährte Zollschutz hat daher im allgemeinen bei dem gewaltigen Überwiegen der Ausfuhr über die Einfuhr nicht die geringste Bedeutung, während ihnen sowie Millionen andrer Konsumenten in der Form von Schutzzöllen 25-50 Proz. und mehr auf fast alle Artikel gelegt sind, deren sie notwendig bedürfen. Angesichts dieser Thatsachen brachte die Farmerallianz die Partei der Mac Kinley-Bill mit zu Fall, und sie behauptet, unter der Zahl der neugewählten Repräsentanten 37 aus ihrer Mitte zu haben, wogegen andre nur 17 zählen. In Südcarolina haben die Allianzler den Gouverneur auf ihr Programm verpflichtet und gewählt, und sie behaupten, im stande zu sein, die Bundessenatoren aus Nord- und Südcarolina, aus Alabama und Kansas nach ihrer Wahl zu bestimmen. Am 2. Dez. traten sie zu Ocala in Florida zu ihrem Jahreskonvent zusammen; es wohnten ihm 160 Delegierte aus allen Landesteilen bei, welche 35 Staaten mit 2 Mill. Mitgliedern repräsentierten. Hilfsgenossin dieses Bundes ist die Colored Farmers' National Alliance and Cooperative Union, die nur aus farbigen Bauern besteht und bereits 1 Mill. Mitglieder besitzen soll, das würde zusammen 3 Mill. ergeben. Das in Ocala aufgestellte Programm des großen Farmerbundes umfaßt folgende Punkte: 1) Abschaffung der Nationalbanken, Gründung von Unterschatzämtern oder Depositorien in den verschiedenen Staaten, welche dem Volke Geld zu Zinsen von höchstens 2 Proz. jährlich auf dem Verderben nicht ausgesetzte Farmerzeugnisse und auf Grundbesitz leihen, rasche Vermehrung des Kurantgeldes auf nicht weniger als 50 Doll. pro Kopf; 2) Verbot des Handelns in »futures« mit allen Erzeugnissen der Landwirtschaft und des Handwerkes; 3) unbeschränkte Freiprägung des Silbers; 4) Verbot des Landbesitzes von Ausländern und Rückkauf der Ländereien, die sich im Besitz von Ausländern befinden, sowie der fremden Syndikate, Wiedererlangung aller Ländereien, welche Eisenbahnen und andre Körperschaften nicht thatsächlich nötig gebrauchen, durch die Regierung und Vergebung derselben nur an wirkliche Ansiedler; 5) Abschaffung der Begünstigung einer Industrie auf Kosten einer andern sowie des schweren Tarifs auf notwendige Lebensbedürfnisse, ein gerechtes und billiges System einer progressiven Einkommensteuer, Beschränkung aller Bundes- und Staatseinnahmen auf die notwendigen Regierungsausgaben sowie sparsame und ehrliche Verwaltung; 6) strenge, ehrliche und gerechte Staats- und Nationalregierungskontrolle und Aufsicht über die öffentlichen Verkehrs- und Transportmittel und, falls sich die jetzt herrschenden Mißbräuche nicht auf andre Weise abstehen lassen, Bundesverstaatlichung dieser Mittel. Unter diesen Forderungen widersprechen einige jeder gesunden Finanz- und Volkswirtschaft und haben keine Aussicht auf Verwirklichung, wie denn überhaupt der Einfluß der Farmerallianz auf die Gesetzgebung vorläufig noch kein großer ist.

In der ersten Hälfte des Novembers gelangte nach der Bundeshauptstadt Washington die Nachricht, daß der Ausbruch eines Indianerkriegs zu befürchten sei. Ursachen und Anlässe zu einem solchen Aufstand sind stets vorhanden und sind auf beiden Seiten zu suchen. Die Rothäute, mit Ausnahme der fünf zivi-^[folgende Seite]