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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Blütenentwickelung

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Blütenbestäubung - Blütenentwickelung

auftritt, nur durch die Annahme erklärt werden, daß die Blüte von Myrmecodia ursprünglich für Kreuzbestäubung eingerichtet war, aber im Laufe der Zeit unter veränderten Lebensumständen (Burck meint etwa durch den Einfluß der honiglüsternen Ameisen) sich der ausschließlichen Selbstbestäubung anbequemte. Ähnliche Zugewachsene oder wenigstens durch die Art der Blumenblattdeckung vollkommen geschlossene, im übrigen aber normale Blüten finden sich auch bei mehreren Anonaceen, z. B. bei Arten von Unona, die sogar Duft entwickeln, bei Artabotrys, deren Blütenblätter so fest aneinander schließen, daß man sie nur mit Anwendung beträchtlicher Kraft auseinander zwängen kann, ferner bei Goniothalamus, Cyathocalyx u. a. Bei allen diesen Blüten muß fortgesetzte Selbstbestäubung eintreten, so daß sie auf der Vorstufe zu Kleistogamie stehen. Letztere hat sich nach Burck bei solchen Pflanzen entwickelt, deren ursprünglich normale, für Insektenbesuch eingerichtete Blüten infolge einer Änderung der Lebensweise oder der Art der Bestäuber allmählich rudimentär und für Selbstbestäubung eingerichtet wurden. Auch die große sexuelle Unfruchtbarkeit vieler, sonst hochorganisierter Orchideen, die sich jedoch zum Ersatz dafür auf vegetativem Weg reichlich vermehren, muß hiermit in Betracht gezogen werden; so bringt unter anderm ein von Baron Eggers auf St. Thomas beobachtetes Oncidium immer nur einige gänzlich unfruchtbare Luxusblüten hervor. Burck führt schließlich eine Reihe von Blumenformen auf, deren Einrichtung seiner Ansicht nach ausschließlich auf Selbstbestäubung abzielt, wie die von Coffea bengalensis, Aristolochia barbata und Arten von Cassia, Fälle, die jedoch einer gründlichen weitern Prüfung bedürfen. Im allgemeinen verdient der Satz von Burck, daß bei einer großen Zahl von Pflanzen »geregelte Selbstbestäubung in der Absicht der Natur liegt«, volle Beachtung.

Das Gebiet der biologischen Blumenstatistik (s. Blütenbestäubung in Bd. 17) wurde neuerdings durch Heinsius in den Niederlanden und durch Mac Leod in den Pyrenäen weiter ausgebaut, wobei sich ergab, daß die schon von Müller und Loew erhaltenen Resultate über Art und Zahl der Insektenbesuche an den verschiedenen Blumengruppen auch unter abweichenden Verhältnissen eine befriedigende Bestätigung finden. Speziell für die Pyrenäen, in welchen Mac Leod im August 1889 und im Juni 1890 besonders im Thal von Luz, in der Umgebung von Gedre und Gavarnie, auf dem Canvieil, dem Pic d'Ayre bei Bareges u. a. O. Beobachtungen sammelte, ist im Vergleich mit den Alpen eine geringere Zahl von Falterbesuchen charakteristisch, welchen auch eine geringere Zahl von Falterblumen entspricht; das Umgekehrte findet bezüglich der kurzrüsseligen Insekten statt, denen daher eine größere Zahl von Blumen mit flachliegendem Honig, als in den Alpen, entgegenkommt. Außerdem untersuchte Mac Leod eine Reihe noch nicht näher bekannter Blumeneinrichtungen von pyrenäischen Pflanzenarten. Gleiches geschah durch Kirchner besonders für Alpenpflanzen in der Umgebung von Zermatt, durch Schulz für Gewächse Südtirols und Mitteldeutschlands, durch Knuth für die Orobancheen Schleswig-Holsteins, durch Warming für die Karyophylleen Dänemarks und Skandinaviens, durch Robertson für Nordamerika (Illinois), durch Scott-Elliot für das Kapland (s. Blütenbestäubung in Bd. 18) u. a. Mit der Zeit wird auf diese Weise ein Beobachtungsnetz über die ganze Erde gezogen werden, das der

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Blütenbiologie ausgezeichnete Dienste leisten kann, wenn es gelingen sollte, die einzelnen Beobachter ähnlich wie auf meteorologischem Gebiet zur Bearbeitung bestimmter, nur durch gemeinsame Thätigkeit lösbarer Fragen heranzuziehen. Vgl. Correns, Beiträge zur Biologie und Anatomie einiger Blüten (Berl. 1890); Loew, Über die Bestäubungseinrichtung 2c. von Oxytropis pilosa (»Flora« 1891), Über die Bestäubungseinrichtung 2c. von Apios tuberosa (das.), Der Blütenbau 2c. von Impatiens Roylei (Englers Jahrbücher, Bd. 14), Blütenbiologische Beiträge (Pringsheims Jahrbücher, Bd. 22); Burch, Über Kleistogamie 2c. und das Knight-Darwinsche Gesetz (Leid. 1890); Heinsius, Bijdrage tot de kennis de bestuiving van inlandsche bloemen door insecten (Groningen 1890); Mac Leod, De Pyreneen bloemen en hare bevruchting door insecten (»Botanisch Jaarboek«, Bd. 3, Gent 1891); Kirchner, Beiträge zur Biologie der Blüten (Stuttg. 1890); Schulz, Beiträge zur Kenntnis der Bestäubungseinrichtungen und Geschlechtsuerteilung bei den Pflanzen (Kassel 1890); Knuth, Die Bestäubungseinrichtungen der Orobancheen von Schleswig-Holstein (»Botanisch Jaarboek«, Bd. 3, 1891); Warming, Om Caryophyllaceernes Blomster (Kopenh.

1890); Robertson, Flowers and Insects (»Botanical Gazette«, Bd. 14 u. 15).

Blütenentwickelung. Die Entwickelung der Blüten ist für die richtige Auffassung der Blütenteile sowie die Erkenntnis der Verwandtschaftsbeziehungen unter den Pflanzen von wesentlicher Bedeutung. Allerdings wurde von der ältern, vorzugsweise durch A. Braun und später durch Eichler vertretenen morphologischen Schule der hohe Wert blütenentwickelungsgeschichtlicher Untersuchungen nur in denjenigen Fällen anerkannt, in welchen die Ergebnisse derselben mit den sonstigen Aufstellungen der Morphologie sich in Übereinstimmung befanden; bei Widerstreit zwischen der Entwickelungsgeschichte und der morphologisch vergleichenden Betrachtungsweise wurde der letztern ausschließlich der Vorzug gegeben. Naturgemäß blieb unter diesen Umständen die Kenntnis der B., für welche besonders durch Payer ein vielversprechender Anfang gemacht worden war, merklich hinter den Fortschritten andrer botanischer Disziplinen zurück, da auf jenem Gebiet mehr die hergebrachte Vorstellungsweise als die exakte Untersuchung der Thatsachen Geltung zu haben schien. Allerdings wurde von einer Reihe von Forschern, wie Sachs, Warming, Rohrbach, Frank, Solms-Laubach, Pfeffer, Hieronymus, Köhne u. a., die B. einzelner Pflanzenfamilien genau untersucht und von ihnen mehrfach auf die unlösbaren Widersprüche zwischen dem thatsächlichen Befund und der morphologischen Deutung aufmerksam gemacht. Eine Erklärung der Stellungsverhältnisse von einem realen Kausalitätsprinzip aus wurde zuerst von Hofmeister versucht; später führte dann Schwendest er die Blattstellung auf mechanische Ursachen zurück. Da der Blütensproß eine mit Blattgebilden besetzte Achse darstellt, unter deren fortwachsendem Scheitel die in Form von Zellhöckern angelegten Seitenglieder von unten nach oben allmählich hervorsprossen, so lag es nahe, die für die Stellung und Ausgliederung der Blätter maßgebenden mechanischen Faktoren auch auf die Blütenteile zu übertragen. Während die ältere Morphologie, die von dem Satze ausging, daß die Blätter am Achsenscheitel längs einer denselben umkreisenden Spirallinie (der »genetischen Spirale«, s. Blatt, Bd. 2, 2. 1013) entstehen sollen,