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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Brasilien

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Branntweinsteuer - Brasilien

wird (10 L. reinen Alkohols aus selbst gewonnenen, nicht mehligen Stoffen), steuerfrei gelassen werden, weil die betreffenden kleinen Brennereien kaum mehr ihre Rechnung fänden und zur Aufgabe des Betriebes genötigt würden, so daß Weintreber und Treber von Kernobst nicht mehr verwertet werden könnten. Hiergegen wurden jedoch grundsätzliche Bedenken erhoben. Die Aufwandsteuern sollen schlechthin den Aufwand treffen, gleichviel, ob die zu belastenden Gegenstände gekauft oder durch Eigenerzeugung gewonnen würden. Bei Freilassung des Haustrunks sind die gewerblichen Produzenten und diejenigen im Nachteil, welche ihren Bedarf durch Ankauf decken müssen. Die frei zu lassenden Konsumenten seien keineswegs die bedürftigsten. Dann sei neben der mit Sicherheit zu erwartenden Steuerdefraude wohl vorauszusehen, daß die Herstellung des Haustrunks einen erheblichern Umfang einnehmen und eine Minderung der Einnahmen bewirken werde. Wird doch der Steuerentgang, welcher in Frankreich durch Freilassung der bouilleurs de crû (auf dem Lande lebende Brenner des eignen Erzeugnisses an Wein und Früchten) entsteht, auf 50 Mill. Frank geschätzt. Auf der andern Seite ist freilich zu berücksichtigen, daß der gewerbliche Großbetrieb mit geringern Kosten arbeitet und darum auch einen höhern Steuersatz leichter tragen, bez. auf die Käufer überwälzen kann, während bei gleichem Produktenpreis und gleicher Steuer der Kleinbetrieb unter Umständen einen Teil der letztern selbst tragen muß und damit der Vernichtung preisgegeben wird. Dieser Thatsache ist in der modernen Besteuerung, so unter anderm auch bei dem bayrischen Malzaufschlag 1889 Rechnung getragen worden. Das neue Gesetz über die B. kommt nun den geäußerten Wünschen auf dem gedachten Wege entgegen, indem es, eine Steuerfreiheit grundsätzlich nicht anerkennend, den ganz kleinen Brennereien, d. h. solchen, welche im wesentlichen nur den Hausbedarf decken, erhebliche Ermäßigungen zugesteht. Die Materialsteuer soll in denjenigen Brennereien, welche in einem Jahre nicht mehr als 50 L. reinen Alkohols erzeugen, nur zu 4/10, in solchen, welche mehr als 50 L., jedoch nicht über 1 hl herstellen, nur zu 8/10 des normalen Satzes erhoben werden. Gewerbliche Brennereien zahlen statt der Maischbottichsteuer eine Zuschlagsabgabe von 20 Pf., bez. kleinere von 16 und 18 Pf. für 1 L. reinen Alkohol. Bei kleinern landwirtschaftlichen Brennereien, welche Getreide verarbeiten, stellt sich der Zuschlag auf 12 und 14 Pf., je nachdem sie nicht mehr als 100 oder nicht über 150 L. reinen Alkohol erzeugen. Nach dem neuen Gesetze können auch Brennereien, welche der Materialsteuer unterliegende Stoffe verarbeiten, eine Zuschlagsabgabe statt dieser Steuer entrichten, und zwar von nur 8 Pf., wenn sie in einem Jahre nicht mehr als 50 L., und von 16 Pf., wenn sie mehr als 50 L., aber nicht über 1 hl reinen Alkohol herstellen.

Nach dem Gesetz von 1887 war von dem vom Zollausland in Fässern eingehenden Arrak, Kognak und Rum ein Zoll von 125 Mk. für 100 kg, von allem übrigen Branntwein 180 Mk. für 100 kg zu erheben. Nun bot diese Unterscheidung für die praktische Durchführung der Besteuerung nicht geringe Verlegenheiten, da es nicht leicht ist, festzustellen, welche Spirituosen wirklich reiner Arrak, Kognak oder Rum sind. Die Reichsregierung wollte deswegen jede Unterscheidung fallen lassen und von jedem eingeführten Alkohol einen Zollsatz von 150 Mk. für 100 kg erhoben wissen. Der Reichstag stimmte jedoch nicht bei; und so ließ man denn eine praktisch

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unschwer festzustellende Unterscheidung bestehen. Für die Liköre sind fortab zu zahlen 180 Mk. für 100 kg, für alle übrigen Branntweine in Fässern 125 Mk. und in Flaschen, Krügen oder andern Umschließungen 180 Mk. für 100 kg.

Der Nettoertrag an Steuern und Zoll schwankte in den Jahren 1882-87 zwischen 46 und 53 Mill. Mk. und zwischen 1,23 und 1,45 Mk. auf den Kopf der Bevölkerung. Nach Erlaß des neuen Branntweinsteuergesetzes war er gestiegen auf:

1887-88: 118,6 Mill. Mk. 2,52 Mk, auf den Kopf der Bevölkerung

1888-89: 143,1 2,96

1889-90: 152,9 3,12

Dagegen erbrachten Wein und Obstwein 0,31-0,33 Mk. und Bier in der Brausteuergemeinschaft 0,67-0,78 Mk. auf den Kopf.

Brasilien (Geschichte). Noch ehe der erste Kongreß der bereinigten Staaten von B. den ihm vorgelegten Verfassungsentwurf zu Ende beraten hatte, kam es im Januar 1891 zu einer Ministerkrisis. Die nach dem Sturz des Kaisertums eingesetzte Regierung hatte die Fehler und Gebrechen, die man der Monarchie vorgeworfen, Nepotismus und Verschleuderung der Staatsgelder, in erhöhtem Grade gezeigt, sowohl bei den Wahlen als in der Finanzverwaltung. Der Finanzminister Ruy Barbosa hatte ein Defizit von 150 Mill. geschaffen und durch die Übernahme der staatlichen Zinsgarantie für zahlreiche Aktiengesellschaften, die wie Pilze aus der Erde wuchsen, den Staat für die Zukunft stark belastet, während der provisorische Präsident und die Minister sich bereichert und sich viele Anhänger verschafft hatten. Die Regierung hatte ferner mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika aus politischen Rücksichten einen Handelsvertrag abgeschlossen, der die Zolleinnahmen Brasiliens schwer schädigen mußte. Nun verlangten die Minister vom Kongreß, daß die Neuwahlen für die Kongresse der einzelnen Staaten sofort, noch vor Annahme der Verfassung, also unter der Diktatur stattfinden sollten, damit die Regierung dieselben beherrschen und auch von den Staatenkongressen alle oppositionellen Elemente fernhalten könne. Aber im Kongreß hatte sich allmählich eine unabhängige Partei gebildet, welche sich weigerte, alle Akte der Regierung blindlings zu genehmigen. Der letzte Antrag derselben wurde also mit vier Stimmen Mehrheit abgelehnt, worauf das Ministerium seine Entlassung nahm. Um nicht in dessen Schicksal verwickelt zu werden, stellte der Präsident Deodoro da Fonseca es so dar, als ob die Minister wegen einer Meinungsverschiedenheit mit ihm über eine Hafenanlage in Torres zurückträten. Uchoa wurde Präsident des neuen Kabinetts, in dem der Finanzminister Baron Lucena den größten Einfluß besaß. Fonseca erreichte es auch, daß die Verfassung 23. Febr. 1891 vom Kongreß angenommen und verkündet und er 25. Febr. zum Präsidenten auf 4 Jahre gewählt wurde, aber nur mit 129 von 234 Stimmen; 98 Stimmen erhielt der Präsident des Kongresses, Prudente Moraes. Der von der Regierung vorgeschlagene Kandidat für die Vizepräsidentschaft, Admiral Wandenkolk, wurde dagegen nicht gewählt; statt seiner mit 152 Stimmen der Kandidat der Opposition, General Floriano Peixoto. Auch bei den Neuwahlen für den ersten ordentlichen Kongreß der Vereinigten Staaten von B. übte die Regierung einen rücksichtslosen Druck aus und erlangte dadurch die Mehrheit. Doch auch die Opposition ging aus dem Wahlkampf gestärkt hervor. Die Sitzungen des Kongresses begannen 15. Juni und wurden mit einer Rede des Präsidenten eröffnet, deren Inhaltsleere