Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: China

145

Chile - China

Aconcagua eine Niederlage und große Verluste durch die guten Gewehre der Kongreßtruppen. Der Oberbefehlshaber der Regierungstruppen, General Barbosa, zog sich darauf auf Valparaiso zurück und wurde 28. Aug. südlich der Stadt, bei Placilla, von Canto, der Valparaiso umgangen hatte, angegriffen. Trotz ihrer überlegenen Artillerie wurden die Regierungstruppen besiegt, als ihr linker Flügel, eine ganze Division, teils die Waffen streckte, teils die Flucht ergriff. Die Verluste an Toten und Verwundeten waren sehr erheblich. Barbosa und Alcérrecas fielen verwundet in die Gewalt der Feinde und wurden sofort erschossen. Die fliehenden Truppen sowie die nachsetzenden Sieger richteten im Verein mit dem Pöbel in Valparaiso schreckliche Verwüstungen und Gewaltthaten an; einen Teil der Stadt schützten die Mannschaften der fremden Kriegsschiffe. Die an der Schlacht nicht beteiligten Regierungstruppen unterwarfen sich, ebenso die Regierungskriegsschiffe. Auch Santiago kapitulierte ohne einen Versuch des Widerstandes und auch dort wurden die Häuser der Gegenpartei geplündert.

Der Sieg der Kongreßpartei war vollständig. Anfangs wurden von ihr einige Grausamkeiten begangen und geräuschvolle Siegesfeste gefeiert. Da Balmaceda gewiß war, keine Schonung zu finden, und ihm die Flucht nach Argentinien abgeschnitten wurde, erschoß er sich 19. Sept. im Hause des ihm befreundeten argentinischen Gesandten Uriburu, wo er sich verborgen gehalten hatte. Die Regierungsjunta der siegreichen Kongreßpartei übernahm nun die Herrschaft im Staate. Sie erkannte das von Valmaceda ausgegebene Silber- und Papiergeld an und ordnete die Neuwahl des Kongresses für 18. Okt. an. Gegen die Anhänger Balmacedas, die von ihm ernannten Beamten, die Mitglieder des von ihm berufenen Kongresses und die Offiziere seines Heeres vom Hauptmann aufwärts schritt sie mit großer Strenge ein; was nicht entfliehen konnte, wurde verhaftet, um vor Gericht gestellt zu werden, nachdem in den Tagen des Siegesrausches viele Balmacedisten ohne und mit Förmlichkeiten erschossen worden waren. Die Neuwahlen für die Kammern im Oktober fielen zu gunsten der Liberalen aus, welche namentlich im Senat die weit überwiegende Mehrheit hatten. Der Kongreß trat 10. Nov. zusammen, worauf sich die Junta de Gobierno auflöste. Die Gereiztheit der Sieger richtete sich auch gegen die fremden Staaten, deren Vertreter angeblich der Regierung Balmacedas Vorschub geleistet hatten, so besonders gegen den Gesandten der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Egan, und die amerikanischen Kriegsschiffe im Hafen von Valparaiso, deren Befehlshaber beschuldigt wurde, in den letzten Entscheidungskämpfen die Balmacedisten, freilich vergeblich, unterstützt und die Flucht ihrer Anhänger begünstigt zu haben. Die Matrosen des amerikanischen Kriegsschiffs Baltimore wurden in Valparaiso im Streite mit dem Pöbel teilweise arg mißhandelt. Die Unionsregierung forderte im Januar 1892 in etwas schroffer Form Genugthuung und drohte mit Krieg. Doch beschwichtigte C. die Erregung, indem es die Schuldigen bestrafte und die verlangte Genugthuung leistete (vgl. Vereinigte Staaten, Geschichte). Bei der auf 18. Nov. 1891 festgesetzten Präsidentenwahl wurde der Schiffskapitän Jorje Montt, das Haupt der Aufständischen, ein ehrlicher, tüchtiger Mann, gewählt. Er berief ein aus Konservativen und Liberalen zusammengesetztes Ministerium und ließ sich besonders die Regelung der Finanzen angelegen sein.

^[Spaltenwechsel]

Zur Litteratur: Echevarria y Reyes, Geografia politica de Chile (Santiago 1889, 2 Bde.); Gomez Vidaurre, Historia geografica, natural y civil del reino de Chile (das. 1889, 2 Bde.); Espinosa, Geografia descriptiva de la republica de Chile (Madr. 1890); H. Kunz, Chile und die deutschen Kolonien (Leipz. 1890); Hervey, Dark days in Chile, an account of the revolution of 1891 (Lond. 1891). Eine Karte von C. veröffentlichten Polakowsky und Opitz (1: 2,500,000; 2. Ausg., Frankf. a. M. 1891).

China. Erst im August 1890 ist ein erneuter Fortschritt in der Erschließung Chinas zu verzeichnen, in dem Tschunking am Jantsekiang, etwa 75 deutsche Meilen flußaufwärts von Itschang und 325 Meilen von Schanghai entfernt, durch die Ernennung eines fremden Zolldirektors und andrer Zollbeamter endgültig als 20. Vertrags Hafen eingerichtet und 1. März 1891 eröffnet wurde. Für die Reorganisation von Armee und Marine, Anlage von Küstenbefestigungen etc. nach europäischem Muster bringt die Regierung fortdauernd große Opfer; auch einiger andrer wichtiger Neuerungen müssen wir gedenkende eine kleine, aber thatkräftige fortschrittliche Partei trotz des hartnäckigen Widerstandes der konservativen Mehrheit durchzusetzen gewußt hat. Ein entschiedener Erfolg und ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte des chinesischen Finanzsystems ist die schon in unserm vorigen Jahresbericht (Bd. 18, S. 154) erwähnte Einführung von geprägten Silbermünzen, während bis vor kurzem das Land nur gegossene (keine geprägten) Kupfermünzen im Wert von 1/4 Pf., Käsch genannt, besaß. Seit 1890 prägt nun die neue Münze von Kanton, welche die größte ihrer Art sein soll, Stücke von 1 Doll. (im Wert gleich dem mexikanischen Dollar), 50, 20, 10 und 5 Cents. Auf der einen Seite zeigen die Münzen einen geringelten Drachen, auf der andern eine entsprechende Inschrift in Mandschu und Chinesisch. Der Eisenbahnbau trifft dagegen immer noch auf den schärfsten Widerstand der konservativen Kreise. Das bereits genehmigte Projekt des fortschrittlich gesinnten, thatkräftigen Generalgouverneurs Tschang Tschihtung, eine Bahn von Lukaukian (Peking) nach Hankeou, die den ganzen Norden des Reiches in einer Länge von etwa 750 deutschen Meilen durchkreuzte, zu bauen, mußte scheitern, nicht bloß weil nur einheimische Kapitalien verwendet und keine fremde Anleihe aufgenommen werden sollten, sondern auch, weil der Genannte nur Schienen aus einheimischem Eisen zu verwenden beabsichtigte. Das Schansi-Eisen ist aber einesteils gar nicht dazu geeignet und andernteils teurer als fremdes Eisen. Auch ein äußeres Ereignis, der Brand des (aus dem 1500 n. Chr. stammenden) Himmelstempels 18. Sept. 1889 während eines Gewitters (wahrscheinlich hatte die konservative Partei den Tempel in Brand stecken lassen), mußte als Vorwand für das Fallenlassen des Bahnbauprojektes dienen.

Dagegen haben die Fortschrittler den Bau und die Eröffnung einiger kleinerer Strecken wirklich durchgesetzt. Noch 1888 wurde die Strecke von Tientsin und Taku nach den Kohlenminen von Kaiping in der Provinz Petschili fertiggestellt; für den Bau derselben und Ausmessung der Verlängerung nach Tungtschau (Peking) und Ankauf von Material wurde eine auswärtige fünfprozentige Anleihe von 6 Mill. Mk. aufgenommen. Für das erste Betriebsjahr zahlte die Kaiping-Eisenbahngesellschaft eine Dividende von 7,2 Proz. pro Aktie. Am 7.Juli 1890 autorisierte der Kaiser durch ein Dekret zur Aufnahme einer auswärtigen Anleihe für den Bau einer Strecke