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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Deutschland (Bevölkerung)

Robert Hamerling hat sein langjähriger, intimster Freund, P. K. Rosegger, ein wertvolles Buch Persönlicher Erinnerungen« veröffentlicht, wozu auch die von Albert Möser gedruckten Briefe Hamerlingsan Möser gesellt werden dürfen. Von den wenigen eigentlich biographischen Werken, die erschienen sind, heben wir Hayms Biographie Max Dunckers als ganzes Kunstwerk hervor; sie hat mit ihrer Beleuchtung des deutschen Kronprinzen und nachmaligen Kaisers Friedrich viel Aufsehen gemacht. Desgleichen Ludwig Anzengrubers Leben von Anton Bettelheim, gleichfalls das Werk eines Freundes und Fachmannes; eine kleine Selbstbiographie, ergänzt durch einen alten Aufsatz von Karl Müllenhoff, schrieb Klaus Groth, und Lebenserinnerungen im eigentlichen Sinn erschienen von Felix Dahn, Wilhelm Lübke, Thekla v. Gumpert. Von den neuen Briefwechseln, die erschienen, sind es folgende, denen eine dauernde Bedeutung für unsre Litteratur zukommt: der Briefwechsel Friedrich Hebbels (Bd. 1), der eine höchst willkommene Ergänzung seiner Tagebücher ist, und die unter dem Titel »Zur eignen Lebensgeschichte von Alfred Dove herausgegebenen Briefe Leopold v. Rankes, die uns den unpersönlichen Geschichtschreiber herzlich nahe bringen, ebenso wie die Erinnerungen an Döllinger von Luise v. Kobell aus einem vertrauten langjährigen Umgang und nach gleichzeitigen Tagebuchnotizen. Ein kleines Meisterwerk in dieser Art veröffentlichte auch Adolf Frey in seinen »Erinnerungen an Gottfried Keller«, die uns den Menschen und Dichter vielfach neu beleuchten. Der Briefwechsel Mörike-Storm, herausgegeben von Jakob Bächtold, ist eine wichtige Ergänzung der schon vorhandenen Briefwechsel Mörikes mit H. Kurz und M. v. Schwind, beleuchtet aber mehr Storm als Mörike, denn jener hat fleißiger geschrieben. Von Sammlungen kritischer Studien und Essays seien genannt: Der dritte Band von Döllingers »Akademischen Vortragen«, aus seinem Nachlaß von Lasson herausgegeben; die »Episteln und Vorträge« von Wilhelm Jordan; die Beiträge zur Ästethik^[korrekt Ästhetik] und Geschichte der Poesie »Aus meiner Studienmappe« von Friedrich Spiel Hagen (Essays über Auerbach, Frenzel, Edgar Poe u. a.); die »Litterarischen Essays« von Ernst Gnad. Eins der merkwürdigsten kritisch-ästhetischen Werkchen ist das »Kunstbüchlein« vom Wiener Dichter Richard Kralik, das in der wahrhaft klassischen Form eines Organons die paradoxesten Forderungen aufstellt. Nicht leicht hat ein andrer Ästhetiker tiefere Einsichten in das Wesen der Poesie als Richard Kralik, er sagt viel Beherzigenswertes; aber indem er die alten Sagen als den einzigen würdigen Stoff der Poesie bezeichnet, die nicht ein Abbild ihrer Zeit geben, nicht neue Motive aufsuchen, sondern immerfort die über allem Wandel der Zeiten erhabenen Sagenstoffe behandeln sott, isoliert sich Kralik, man kann sagen, von der ganzen Litteratur, von beiden Parteien, den Idealisten und Naturalisten. Gerade als wir diese Übersicht schließen, erscheint das umfangreiche Buch von Johannes Proelß über das »Junge Deutschland«, das durch Erschließung neuer Quellen (z. B. des Archivs der Cottaschen Buchhandlung) eine Bereicherung unsrer Kenntnisse jener Zeit bildet. Das »Junge Deutschland« von Georg Brandes (6. Band seiner »Hauptströmungen«) hat in eleganter Form eine fesselnde, aber keine erschöpfende Darstellung geboten; Proelß ist viel gründlicher, wenn er auch in der Wertschätzung Gutzkows und der andern zu weit gehen dürfte.

Deutschland. Nach den endgültigen Ergebnissen der Volkszählung vom 1. Dez. 1890 betrug die Bevölkerung (mit Helgoland) 49,428,470 Seelen (24,230,832 männlich, 25,197,638 weiblich), welche sich auf die einzelnen Staaten wie folgt verteilen:

Staaten Bevölkerung 1890 1885 Zunahme (- Abnahme) Seelen Proz.

Preußen ohne Helgoland 29955281 28318470 1636811 5,3

Preußen mit Helgoland 29957367

Bayern 5594982 5420199 174783 3,2

Sachsen 3502K 84 3182003 320681 10,1

Württemberg 2036522 1995185 41337 2.1

Baden 1657867 1601255 56612 3.5

Hessen 992883 956611 36272 3,8

Mecklenburg-Schwerin 578342 575152 3190 0.6

Sachsen-Weimar 326091 313946 12145 3.3

Mecklenburg-Strelitz 97978 98371 - 393 - 0,4

Oldenburg 354968 341525 13443 3,9

Braunschweig 403773 372452 31321 8,4

Sachsen-Meiningen 223832 214884 8948 4,2

Sachsen-Altenburg 170864 161460 9404 5.3

Sachsen-Koburg-Gotha 206513 198829 7684 39

Anhalt 271963 248166 23797 9,5

Schwarzburg-Sondersh. 75510 73606 1904 2,9

Schwarzburg-Rudolst. 85863 83836 2027 24

Waldeck 57281 56575 706 1,2

Reuß ältere Linie 62754 55904 6850 12,3

Reuß jüngere Linie 119811 110598 9213 8,3

Schaumburg-Lippe 39163 37204 1959 5,3

Lippe 128495 123212 5283 4,3

Lübeck 76485 67658 8827 13,1

Bremen 180443 165628 14815 8,9

Hamburg 622530 518620 103910 20,0

Elsaß-Lothringen 1603506 1564355 39 151 2,5

Deutsches Reich ohne Helgol. 49426384 46855704 2570680 5,5

Deutsches Reich mit Helgol. 49428470 - - -

Genauere Angaben über die einzelnen Staaten s. bei den betreffenden Artikeln. Die Bevölkerung des Deutschen Reiches ist seit 1871 von 41,058,792 auf 49,428,470 Einw. gestiegen, hat sich also um 8,369,673 Köpfe oder 20,4 Proz. vermehrt. Die Zunahme war während der einzelnen Zählungsperioden keine gleichmäßige. Im Zeitraum 1885-90 betrug sie im Durchschnitt jährlich 1,07 Proz. und blieb hinter der Periode 1875-80 (1,14 Proz.) nur um ein Geringes zurück, übertraf jedoch die Zunahme in den Perioden 1871-75 (1 Proz.) und 1880-85 (0,7 Proz.). Die starke Zunahme im letztvergangenen Jahrfünft erklärt sich einmal durch die stärkere natürliche Vermehrung infolge des Überschusses der Geburten über die Sterbefälle, sodann durch die geringere Auswanderung gegenüber der vorhergehenden Periode. In den Jahren 1885-90 war die durchschnittliche jährliche Zunahme in folgenden Landesteilen stärker als in einer der frühern Zählungsperioden seit 1871: in den preußischen Provinzen Westfalen (jährlich 1,93 Proz. der mittlern Bevölkerung), Brandenburg (1,03 Proz., besonders im Regierungsbezirk Potsdam um 2,72 Proz.), Rheinland (1,62 Proz., besonders im Regierungsbezirk Köln um 1,84 Proz.) und Schleswig-Holstein (1,13 Proz.), außerdem in den Regierungsbezirken Hannover (1,71 Proz.) und Lüneburg (0,96 Proz.); ferner in Oberbayern (1,81 Proz.), den sächsischen Kreishauptmannschaften Leipzig (2,32 Proz.), Zwickau (1,91 Proz.) und Bautzen (0.78 Proz.), endlich den Bundesstaaten Hamburg (3,64 Proz.), Lübeck (2,45 Proz.), Reuß ältere Linie (2,31 Proz.), Anhalt (1,83 Proz.), Braunschweig (1,61 Proz.), Sachsen-Koburg-Gotha (0,76 Proz.) und Elsaß-Lothringen (0,49 Proz., in Lothringen 0,84, im Oberelsaß 0,39 Proz.). Eine Ab-^[folgende Seite]