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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Dünger (Kunstdünger)

Erhaltung der Fruchtbarkeit der Felder vollkommen Unentbehrliches sei, sondern auf allen Bodenarten unter gewissen Voraussetzungen durch Kunstdünger zu ersetzen ist. In neuester Zeit haben diese Frage die Schriften von P. Wagnerund eine Abhandlung von Maercker, "Stallmist oder Kunstdünger?" (Berl. 1891) in bedeutungsvoller Weise geklärt. Maercker faßt die Resultate seiner Ausführungen in folgende Hauptsätze zusammen, welche als der gegenwärtig erreichte Standpunkt der Erkenntnis in der Kunstdüngerfrage anzusehen sind:

1) Der Ersatz der in dem Stalldünger enthaltenen Pflanzennährstoffe durch solche in künstlichen Düngemitteln ist mit Leichtigkeit und mit dein besten Erfolg ausführbar, da den betreffenden Bestandteilen des Stalldüngers keinerlei spezifische Wirkung innewohnt. Im strengsten Sinn gilt dieser Satz für das Kali und die Phosphorsäure; für den Stickstoff wird in vielen Fällen, und zwar immer im leichten Boden und unter Umständen auch im schwerern, weniger intensiv bewirtschafteten Boden, an die Stelle der stickstoffhaltigen künstlichen Düngemittel die Stickstoffbeschaffung durch die stickstoffsammelnden Leguminosen treten. Dagegen wird der intensiv bewirtschaftete bessere Boden von den letztern schwerlich einen nennenswerten Vorteil ziehen können und vorzugsweise auf die intensiv wirkenden stickstoffhaltigen Düngemittel und den Stalldünger angewiesen bleiben.

2) Eine Wirtschaft ausschließlich mit künstlichen Düngemitteln ist auf die Dauer sowohl im leichten als im schwerern Boden nur möglich, wenn man für einen Ersatz der organischen Substanz des Bodens Sorge trägt, oder auf andre Weise die mechanische Beschaffenheit des Bodens in einem guten Zustand erhält. Solches kann entweder durch den oft wiederholten Anbau von Pflanzen mit starken Wurzelrückständen geschehen, oder durch eine Gründüngung mit Pflanzen, welche für diesen Zweck angebaut werden, oder endlich unter gewissen Verhältnissen durch die Anwendung von Kalk.

3) Im leichten Boden läßt sich unter allen Umständen die Stickstoffsammlung durch passende Leguminosenarten mit der Beschaffung der organischen Substanz vereinigen, und die durch diese Pflanzen dem Boden erworbene Substanz genügt erfahrungsmäßig vollkommen, um alle für den leichtern Boden erforderlichen Eigenschaften auf mechanischem Gebiet mindestens ebensogut wie durch die Anwendung des Stalldüngers herzustellen. Die vorliegenden Versuche und der seit längern Jahren erfolgte Ausbau und die Prüfung des Systems Schultz-Luditz beweisen, daß eine solche Wirtschaftsweise ohne Stalldünger nicht nur vorübergehend, sondern auf die Dauer zum Vorteil der Erträge und der Rente ausführbar ist.

4) Im milden, humusreichen Lehmboden (Zuckerrübenboden) kann eine lange Zeit ausschließlich mit künstlichen Düngemitteln auch ohne Berücksichtigung der Ergänzung der sich allmählich aufzehrenden organischen Substanz gewirtschaftet werden; mit der Zeit verschlechtert sich jedoch bei einer solchen Wirtschaftsweise die mechanische Bodenbeschaffenheit derart, daß eine ordnungsmäßige Bestellung und Bodenbearbeitung nicht mehr durchführbar wird. Durch die Anwendung von Ätzkalk läßt sich indessen vorläufig eine günstige mechanische Bodenbeschaffenheit wiederherstellen und damit die Fortsetzung der stalldüngerlosen Wirtschaft verlängern. Es ist jedoch noch nicht erprobt, wie lange die günstige Wirkung des Kalkes in dieser Richtung anhält, und ob man im stände ist, durch regelmäßig erfolgende Kalkgaben längere

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Zeit einen guten mechanischen Zustand zu erhalten.

Wahrscheinlich wird die Wirkung des Kalkes, wenn auch erst nach einer längern Zeit, ihr Ende erreichen.

5) In einem schwerern, thonigen Boden, besonders in einer bedeutendern Höhenlage, ist eine Wirtschaftsweise ohne die Berücksichtigung der Ansammlung von organischer Substanz schwerlich durchführbar und jedenfalls bedenklich. Dagegen bieten sich in solchen Bodenarten zwei Wege zur Beschaffung der organischen Substanz. Der erste, bei weitem annehmbarere ist der Anbau von stickstoffsammelnden Gewächsen als Zwischenfrüchte. Nach den bis jetzt vorliegenden Erfahrungen scheint derselbe keine unüberwindlichen Schwierigkeiten zu bieten, und die Anwendung des Systems Schultz-Lupitz dürfte, wenn auch noch manche Erfahrung zu sammeln ist, bei einer extensivern Wirtschaftsweise wohl durchführbar sein. Der zweite Weg besteht in dem Anbau von sogen, stickstofferhaltenden Gewächsen, wie weißem Senf u. dgl., mit einer Stickstoffdüngung, welche durch solche Pflanzen dem Boden erhalten wird, während sie Veranlassung zur Bildung außerordentlich großer Mengen von organischer Substanz bietet.

6. Dagegen hat der Anbau von stickstoffsammelnden und stickstofferhaltenden Pflanzen bei dem intensiven Betrieb der Zuckerrübenwirtschaften wegen der dort einzuhaltenden Fruchtfolge wenig Aussicht auf einen praktischen Erfolg.

In neuerer Zeit wendet man der Kalkdüngung erhöhte Aufmerksamkeit zu, nachdem die Wechselbeziehung derselben zu dem Stickstoff des Bodens, bez. zu dem Anbau stickstoffsammelnder Pflanzen erkannt wurde. Die größte Wirkung besitzt der Kalk im gebrannten Zustand als Ätzkalk, eine geringere als gemahlener ungebrannter Kalkstein. Reiner Kalk (Fettkalt) ist dem magnesiahaltigen dolomitischen Kalk (Magerkalk) und dem Kalkmergel vorzuziehen. Die Wirkung des Kalkes beruht weniger auf der Zufuhr dieses Nährstoffes als auf der indirekten Einwirkung desselben auf die Umsetzung der Bodennährstoffe, auf der Bindung des atmosphärischen Stickstoffs unter Mitwirkung von Spaltpilzen und auf der günstigen Beeinflussung der physikalischen Eigenschaften des Bodens. Dietrich wies schon vor längerer Zeit nach, daß der Kalk aus den unlöslichen alkalischen Silikaten des Bodens (Feldspat, Glimmer 2c.) außer der Kieselsäure auch Kali und Natron löslich macht, so daß also durch eine Kalkdüngung zugleich auch noch die letztern drei Verbindungen zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig übt der Kalk auf bindigen, zähen, nassen Thonboden eine mechanisch lockernde Wirkung aus, welche die Krümelbildung befördert und die Bindigkeit auf längere Zeit vermindert. Sandiger Boden, für welchen sich noch am ehesten rohes Kalksteinpulver eignet, wird dagegen bis zu einem gewissen Grade bindiger. In nassen, sauren Böden werden durch den Ätzkalk nachteilige Eisenverbindungen unschädlich gemacht und die Humussäuren neutralisiert. Das Absorptionsvermögen des Bodens für die wichtigsten Pflanzennährstoffe wird erhöht.

So zeigte nach Heiden eine in 10 Jahren sechsmal gekalkte Bodenparzelle bei Kali ein um 17,5 Proz., bei Ammoniak um 23,1 Proz., bei Phosphorsäure um 44,6 Proz. und bei Salpetersäure um 63,5 Proz. höheres Absorptionsvermögen als der Boden der nicht gekalkten Parzelle. Ein gekalkter Boden vermag sich in höherm Grade den atmosphärischen Stickstoff anzueignen als ein nicht gekalkter, weshalb die Hülsenfrüchtigen Pflanzen, welche für Stickstoffdüngung durchaus nicht, dagegen für Kalkdüngung in hohem