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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Fische (Einfluß der Nahrung, Schmarotzer etc.)

ist, sodann daß der Schlag nur dann gut auszulösen ist, wenn man die beiden Finger genau den beiden Polen der horizontalen, aus Platten aufgebauten elektrischen Säulen zu beiden Seiten des Schwanzes anlegt. Aus diesem Verhalten wird verständlich, daß die elektrische Natur des Nilaales so lange Zeit unbekannt bleiben konnte, obwohl man schon lange an ihm ein Gebilde kannte, das den elektrischen Organen der Zitterfische in seinem anatomischen Bau entspricht. Man hatte es als pseudoelektrisch, als den Anfang der Umbildung einer Muskelpartie zu einem elektrischen Organ und den Nilaal als »pseudoelektrischen Fisch« bezeichnet. Nur vereinzelt, so von Babuchin aus Moskau, war (1877) darauf hingewiesen worden, daß man doch durch die Zuckungen eines Krötenschenkels (der in Ermangelung eines Froschpräparats angewandt werden mußte) elektrische Ströme an diesem wie an dem ähnlichen, ebenfalls als pseudoelektrisch bezeichneten Schwanze des Zitterrochens nachweisen könnte, daß es somit wirkliche pseudoelektrische Organe gar nicht gäbe, sondern nur stärker und schwächer elektrische. Bei dem nahe verwandten Nilkarpfen (Mormyrus cyprinoides) konnte Babuch in indessen auch keine schwachen Ströme feststellen. Um diese Fragen zur Entscheidung zu bringen, begab sich Fritsch im Winter 1891 von neuem nach Ägypten, namentlich um die Richtung des elektrischen Schlages beim Nilaal festzustellen. Bezüglich dieser Richtung hatte Pacini gefunden, daß zwischen den Nervenendigungen im elektrischen Organ und der Schlagrichtung bestimmte Beziehungen bestehen, in der Art, daß die Fläche der elektrischen Platten, in welche sich die Nervenendigungen versenken, im Augenblick des Schlages negativ, die andre positiv elektrisch wird. Nur bei einer Art der elektrischen F., dem ebenfalls im Nil vorkommenden Zitterwels, stellte sich eine Ausnahme von dieser Pacinischen Regel heraus, bei dem Nilaal aber bewährt sich, wie Fritsch nunmehr bei seinen zu Kafr ez Sayat im Nildelta angestellten Versuchen festgestellt hat, die Pacinische Regel. Als Hilfsmittel für diese Feststellung diente ihm ein von Du Bois-Renmond gefertigter Multiplikator von 41,000 Windungen, der historisches Interesse besitzt, sofern schon Johannes Müller damit seine Studien am gemeinen Rochen betrieben hat.

Den Einfluß der Nahrung auf die Körperform zeigt bei den Fischen in bemerkenswerter Weise der Gründling (Gobio), von dem wir in unsern süßen Gewässern eine Art mit in die Länge gezogenem Kopf und längern Bartfäden (Gobio fluviatilis Cuv. Val.) und eine kurzschnauzige Art (Gobio obtusirostris Agass.) unterscheiden. Knauthe fand bei jahrelang fortgesetzten Versuchen, daß sich aus dem Laich der kurzschnauzigen Art, wenn die ausgeschlüpften Tiere in sehr nahrungsarmen Teichen zum Aufwuchs gelangten, in überwiegender Zahl langschnauzige Tiere entwickelten; in einem Fall entstanden sogar 85 Proz. der langschnauzigen Form; der Rest verhielt sich in der Mitte zwischen Gobio fluviatilis Cuv. Val. und obtusirostris Agass., nur 3-5 Proz., und zwar die allerkräftigsten Fischchen arteten den Eltern nach und wurden echte G. obtusirostris. Brut und Laich der kurzschnauzigen Gründlinge, in etwas nahrungsreichere Gewässer gebracht, entwickelten sich dergestalt, daß die größern und kräftigern Individuen die Form der Eltern (obtusirostris), die kleinern dagegen mehr oder minder deutlich die langschnauzige annahmen. Versuche endlich, die mit der Brut Gobio fluviatilis, des Gründlinges mit sehr langgezogenem Kopf, in einem ungemein nahrungsreichen

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Tümpel angestellt wurden, führten zu dem Resultat, daß bei 70-80 Proz. von den Fischen der Kopf breit und kurz wurde (obtusirostis). Die Experimente erinnern an die durch Nathusius und Nehring bekannt gewordene Thatsache, wonach bei Schweinen eine in der Jugend reichlich verabreichte Nahrung danach strebt, den Kopf der Tiere breiter und kürzer zu machen, während kärgliche Nahrung das entgegengesetzte Resultat erzeugt (»Zool. Anz.« 1891).

Unter den Schmarotzern und Parasiten, von denen die F. zu leiden haben, sind als besonders gefährlich bestimmte, zu den Protozoen gehörige Organismen erkannt worden die sogen. Sporidien, die die Sporidieninfektionen erzeugen. Solche Sporidien sind gefunden worden in den Epithelkernen der Harnblase des Hechtes, in den Blutkörperchen des Hechtes, in der Schwimmblase der Schleie, in den Muskeln der Meergrundel, des Stichlinges, der Sardine, in den Flossenmuskelzellen der Seenadel und in andern Fischen. Am verheerendsten ist die Sporidieninfektion bei der Barbe aufgetreten. In Deutschland ist die Seuche der Barben konstatiert in den Flußgebieten des Rheins, der Mosel, der Saar, in Frankreich in der Seine, Marne und Aisne; nach den Jahrgängen ist die Heftigkeit der Krankheit wechselnd, in manchen Jahren hat sie zu einem großartigen Fischsterben geführt. Die von der Krankheit befallenen F. taumeln an der Oberfläche des Wassers, als wären sie mit Kockelskörnern vergiftet. Äußerlich macht sich die Krankheit der Barben bemerklich durch mißfarbige Schwellungen der Haut und durch tiefe, kraterartige Geschwüre, die am Kopf, am Rumpf und am Schwanz sich tief in den Körper erstrecken. Die Beulen sind durchschnittlich walnußgroß, erreichen aber eine Länge bis 5 cm und werden bis 2 cm dick; durch ihren Aufbruch bilden sie kraterartige, blutgeränderte Geschwüre. Diese sind sämtlich erfüllt von einer gelben, bald mehr käsigen, bald mehr eiterartigen Masse, die sich unter dem Mikroskop als der Hauptsache nach aus Psorospermien bestehend erweist; außerdem wimmelt es in diesen Geschwüren von großen, beweglichen Bacillen. Die Sporen, d. h. die Fortpflanzungskörper des in der Barbe schmarotzenden Organismus, erscheinen als linsenförmige, glänzende Körperchen, deren Durchmesser rund 0,01 mm beträgt. Jede Spore besitzt einen in Spiralwindungen aufgerollten Faden, der an dem spitzen Pol der Spore herausgeschleudert werden kann, dabei aber mit seinem einen Ende an der Spore befestigt bleibt; der ausgetriebene Faden erreicht an Länge den vier- bis fünffachen Durchmesser der Spore. Wahrscheinlich dient der Faden dazu, um die aus den ausgebrochenen Beulen der F. ins Wasser gelangten Sporen an fremde Gegenstände, besonders wohl F., zu befestigen. Das weitere Schicksal der Spore, der aus ihr entstehenden schmarotzenden Organismus und somit die Art und Weise der Infektion der Barben ist noch völlig unbekannt. Bemerkenswert ist, daß bei der Barbe nur die Muskeln an dieser Sporeninfektion erkranken; Leber, Milz, Ovarien, Eier, Kiemen 2c. finden sich frei. An der Schleie findet sich eine Sporidienkrankheit mit ganz genau der gleichen Spore, hier aber in der Gallenblase, Schwimmblase, Milz und in Anhängseln der großen Arterien. Auch andre Parasiten, besonders Würmer, sowohl im geschlechtsreifen Zustand (Fadenwürmer) als auch eingekapselte Larven (Bandwürmer), finden sich sehr zahlreich in Fischen. Von besonderm Interesse ist die Parasitenfauna der Wanderfische, da sie sich zum