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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Frankreich (Handelspolitik, Verkehrswesen)

Die Ausfuhr des Jahres 1890 ist, wie erwähnt, im ganzen nur um 16 Mill. Fr. gestiegen. Hierbei ist jedoch zu beachten, daß die Ausfuhr von Rohstoffen um 65 1/2 Mill. Fr. gesunken ist. Die Steigerung der Nahrungsmittelausfuhr ist die bedeutendste, sie beträgt über 11 Mill. Fr., welche den Gemüsen, Tafelfrüchten, Spirituosen, Butter und hauptsächlich dem Zucker (78 Mill. gegen 51 Mill.) zu gute kommen. Erheblich vermindert hat sich nur die Schlachtviehausfuhr (um 78 Proz.). Die Rohstoffausfuhr zeigt insbesondere in Wolle, Seide, Häuten, Pferden, Maultieren und Kupfer eine Verminderung, welcher in andern Rohstoffen nur eine unbedeutende Zunahme gegenübersteht. Die Ausfuhr von Fabrikaten weist ein Mehr von 68 Mill. Fr. auf, welches sich hauptsächlich auf folgende Artikel verteilt: Wollengewebe 376,4 Mill. Fr. (+12,8), Seidengewebe 274 (+13,2), Lederwaren 145,9 (+10,6), Pariser Artikel 114 (+6,3), Wäsche 61 (+4,2), Papier, Bücher und Stiche 53,5 (+10,2), Frauenkleidung 48,7 (+17,4), Fayence und Glas 48,6 (+8,6), Maschinen 47,8 (+5,5), Modewaren 47,2 (+11,1), Möbel- und Holzwaren 39,4 (+4). Abgenommen hat die Ausfuhr von Baumwollgeweben 108,4 (-7,8), Wollengarnen 36,8 (-18,7), Leder 103,5 (-4,3), Goldwaren 42,3 (-16,5), Uhren 18,8 (-2,9), Werkzeugen 82,6 (-2,3). Nach den für das Jahr 1891 vorliegenden Daten über den französischen Außenhandel zeigt die Einfuhr und der Gesamthandel gegen das Vorjahr abermals eine Steigerung, wogegen die Ausfuhr eine nicht unbeträchtliche Abnahme erfahren hat. Es betrug nämlich die Einfuhr und Ausfuhr nach Warengruppen (in Millionen Frank):

Einfuhr Ausfuhr

Nahrungsmittel 1592,8 797,5

Rohstoffe 2533,2 779,1

Fabrikate 655,7 1816,9

Andre Waren l39,7 233,6

Zusammen: 4921,4 3627,1

[Handelspolitik.] Am 1.Febr. 1891 sind von seiten Frankreichs diejenigen Handelsverträge, welche Zolltarifbestimmungen enthielten, nämlich die Verträge mit Belgien, den Niederlanden, Spanien, Portugal, der Schweiz und Schweden-Norwegen, für den 1.Febr. 1892 gekündigt worden, wogegen anderseits von Belgien und der Schweiz auch die mit F. bestehenden Konventionen zum Schutz des litterarischen, künstlerischen und gewerblichen Eigentums gekündigt wurden, eine Maßregel, von welcher die französischen Autoren und Verleger das Wiederaufleben des unbefugten Nachdruckes befürchten. Die Verträge und Abmachungen mit Dänemark, Rußland, Österreich-Ungarn und einigen andern Staaten, welche bloß Meistbegünstigungsverträge sind, bleiben bestehen und werden nur ebenso wie die noch fortdauernden Verträge mit China, Japan, Siam und Korea später abgeändert werden. Die unkündbaren Verträge mit Deutschland, der Türkei (Kapitulationen), Marokko und Persien bleiben von den bevorstehenden Veränderungen unberührt. Der von der Regierung der Kammer vorgelegte Entwurf eines autonomen Zolltarifs (Doppeltarif mit Maximal- und Minimaltarif, letzterer für jene Nationen, welche dem französischen Handel Begünstigungen einräumen) ist im Zollausschuß noch in protektionistischem Sinne bedeutend verschärft worden, so daß er auch in seinen Minimalsätzen Zollsätze von geradezu prohibitivem Charakter enthält. Er rief daher in weiten Kreisen der Bevölkerung, welchen wichtige Lebensmittel durch die Einfuhrzölle verteuert werden sollen, namentlich auch bei den Vertretern jener Industriezweige, welche auf den Bezug von Halbfabrikaten oder Hilfsstoffen und auf den Export ihrer Produkte angewiesen sind, lebhafte Proteste hervor. Trotzdem wurde der Tarif von der Kammer im wesentlichen angenommen. Speziell für Baumwollgarne, bezüglich deren die Industriellen von Lyon, St.-Etienne und Calais gemeinsam mit den Arbeitern nachdrückliche Vorstellungen gegen die beantragten Zölle unter Hinweis darauf erhoben, daß für die Manufakturen der erwähnten Industriestädte die hauptsächlich aus England bezogenen Baumwollgarne als Rohstoff unentbehrlich seien, wurden die bisherigen Vertragszölle beibehalten und nur im Maximaltarif um 30 Proz. erhöht. Doch trat insofern ein Umschwung in der Auffassung des Zollgesetzes hervor, als die Regierung durch den Minimaltarif in ihrem Rechte zum Abschluß von Handelskonventionen, welche allerdings der Genehmigung der Kammer unterliegen, nicht beeinträchtigt und hierbei an die Sätze dieses Minimaltarifs, welche nur als Richtschnur bei der Unterhandlung zu dienen haben, nicht gebunden sein soll. Zunächst wurde die Regierung ermächtigt, die mit 1. Febr. 1892 gekündigten Handelsverträge und Konventionen, mit Ausschluß der Tarifbestimmungen, gegen einjährige Kündigung zu verlängern und auf die Länder, welche F. das Meistbegünstigungsrecht einräumen, den Minimaltarif ganz oder teilweise anzuwenden. Dies ist denn auch mit Bezug auf die oben erwähnten Staaten, ausgenommen Spanien und Portugal, mit welchen Ländern kein Übereinkommen getroffen wurde, geschehen. Gegen diese beiden Staaten sowie gegen Italien werden demnach die prohibitiven Zollsätze des Maximaltarifs angewendet, so daß zwischen diesen Ländern thatsächlich ein Zollkrieg besteht. Für den direkten Verkehr mit den übrigen Ländern ist hingegen 1.Febr. 1892 der neue Minimaltarif mit seinen allerdings auch sehr hoben Zollsätzen in Kraft getreten.

Von Maßregeln auf dem Gebiete des Handels ist noch zu erwähnen, daß den französischen Gesandtschaften, und zwar zunächst versuchsweise den Botschaften in Berlin und Wien Handelsattachés beigegeben werden.

[Eisenbahnen, Schiffahrt, Post und Telegraph.] Das französische Eisenbahnnetz hatte am Schluß des Jahres 1890 eine Länge von 36,891 km. Hiervon entfallen auf die Hauptbahnen im Betrieb der großen Gesellschaften 30,710, auf die Staatsbahnen 2528, auf nicht konzessionierte Bahnen 309, auf Lokalbahnen 3121, auf Industriebahnen 223 km. Im J.

1890 wurden im ganzen 508 km neue Eisenbahnlinien eröffnet. In den Eisenbahntarifen wurde durch die Abschaffung der Fahrkarten- und Eilgutsteuer eine Ermäßigung herbeigeführt. Auch ist eine Herabsetzung der Personen- und Eilguttarife der Privatbahnen, dann die Abschaffung der sogen. Penetrationstarife, welche die Beförderung ausländischer Güter (z.B. spanischer Weina), um ihnen das Eindringen nach F. zu ermöglichen, zu wohlfeilern Sätzen als zu denen für den Transport einheimischer Güter zum Zweck hatten, erfolgt.

Die Schiffahrtsbewegung in den französischen Häfen, ein- und ausgelaufene beladene Schiffe zusammengerechnet, mit Ausschluß der Küstenschiffahrt, belief sich im J.1890 auf 49,308 Schiffe mit einem Tonnengehalt von 23,259,941 T., gegen einen Verkehr von 46,619 Schiffen mit einem Tonnengehalt von 22,233,088 T. im Vorjahr; der Zuwachs beträgt demnach 2689 Schiffe und 1,026,853 T. Hierzu