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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Geometrie - Geothermische Tiefenstufe

Schneidenden von den Nichtschneidenden trennen (s. Parallelenaxiom: Fall 1^b), symmetrisch zu der Senkrechten AB von A auf g. Diese Geraden heißen die Parallelen durch A zu g und werden als Rechts- und Linksparallele unterschieden; man sagt, sie schneiden A rechts und links im Unendlichen, und die gerade Linie gilt also in der nichteuklidischen G. als im Unendlichen nicht geschlossen. Da der Kreis stets geschlossen zu denken ist, auch wenn sein Radius über jedes Maß hinauswächst, so geht hier der Kreis von unendlich großem Radius nicht in eine Gerade über, sondern in eine ebenfalls gleichförmige, in sich verschiebbare Linie: den Grenzkreis. Auch im Grenzkreis bildet jede Sehne mit ihren Radien gleiche Winkel. Der Winkel BAP heißt der Parallelwinkel für die Distanz AB. Da jede Senkrechte auf AB zwischen A und B den Strahl AP schneidet und jede hinter B nicht schneidet, so nimmt der Parallelwinkel mit wachsender Distanz beständig ab, und zwar von 90° für die Distanz 0 bis zu O° für die Distanz unendlich^[unendlich-Zeichen]. Es gehört also zu jeder bestimmten Distanz ein bestimmter Parallelwinkel und umgekehrt; und da die Parallelen sich mehr und mehr einander nähern, bis sie im Unendlichen zusammentreffen, so sind in der nichteuklidischen G. alle Streifen, d. h. Stücke der Ebene Zwischen zwei Parallelen, einander gleich. Dies ist der wesentlichste Unterschied zwischen ihr und unsrer G. Wendet man (Fig. 2) den Streifen BAP um die Achse g, so entsteht ein neuer Streifen zwischen AP und απ, von dem der vorige die Hälfte ist; und doch sind beide gleich und lassen sich durch Schieben zur Deckung bringen. Hier hat man einen schlagenden Beweis dafür, daß die Beziehungsbegriffe Teil-Ganzes einerseits und kleiner-größer anderseits für das Unendlichgroße auseinanderfallen (s. Grenzbegriff). Zwei Nichtschneidende derselben Ebene besitzen eine kürzeste Verbindung, welche auf beiden zugleich senkrecht steht, und von der aus die Abstände jeder von der andern nach beiden Seiten hin gleichmäßig ins Unendliche zunehmen. Hieraus folgt sofort, daß im Dreieck die Winkelsumme kleiner als zwei Rechte ist, im Viereck also kleiner als vier Rechte, und daraus, daß nie mehr als zwei Punkte einer Geraden von einer andern gleichen Abstand haben. Der Ort der Punkte, welche von einer gegebenen Geraden gleichen Abstand haben, ist also keine Gerade, sondern eine eigenartige, gleichförmige, in sich verschiebbare Linie: die Abstandslinie. Man sieht, daß die Eigenschaften unsrer Geraden in der nichteuklidischen G. sich auf die Gerade als kürzeste Linie, den Grenzkreis als Grenzfall des Kreises und die Abstandslinie verteilen. Wie zu erwarten, werden die Flächensätze durch die Abstandslinie erhalten; es gilt der Satz: die Flächen zweier Dreiecke verhalten sich wie die Unterschiede ihrer Winkelsummen von 180°. Es gibt ein absolut größtes Dreieck, dessen Seiten einander parallel, also dessen Winkel alle drei =0° sind; es wird mittels der Distanz des Parallelwinkels von 45° konstruiert, und seine Fläche ist endlich. In der nichteuklidischen G. existiert ein natürliches Längenmaß: der Abstand k, für welchen das Verhältnis konzentrischer entsprechender Grenzbogen gleich der Zahl e, der Basis des natürlichen Logarithmensystems, ist. Die nichteuklidische G. findet auf der »Pseudosphäre« Beltramis ihre Versinnlichung. Vgl. Fresenius, Die psychologischen Grundlagen der Raumwissenschaft (Wiesb. 1868); Stumpf, Über den psychologischen Ursprung der Raumvorstellungen (Leipz. 1873); Simon, Elemente der G. (Straßb. 1890); Derselbe, Zu den Grundlagen der nichteuklidischen G. (das. 1891); Schotten, Inhalt und Methode des planimetrischen Unterrichts (Leipz. 1890); Frischauf, Elemente der absoluten G. (das. 1876); Klein, in Bd. 9 ff. der »Annalen«; Simon, Elemente der G. mit Rücksicht auf die absolute G. (Straßb. 1890).

^[Abb.: Fig. 1]

^[Abb.: Fig. 2]

Geothermische Tiefenstufe. Von der preußischen Bergbauverwaltung sind in den letzten Jahren umfangreiche Temperaturbeobachtungen in den fünf tiefsten Bohrlöchern ausgeführt worden, um die g. T., d. h. diejenige Tiefe zu bestimmen, für welche eine Wärmezunahme von 1° stattfindet. Dabei ergab sich:

Bohrpunkte Tiefe der Beobachtung Größe der geothermischen Stufe

Schladebach bei Merseburg 6 m bis 1716 m 36,87 m

Sennewitz bei Halle 754 " " 1084 " 36,66 "

Lieth bei Altona 426 " " 1259 " 35,07 "

Sudenburg bei Magdeburg 30 " " 568 " 32,36 "

Sperenberg bei Berlin 220 " " 1066 " 32,00 "

Die höchste Temperatur, welche in dem Bohrloch zu Schladebach in 1716 m Tiefe gemessen wurde, betrug 56,6°. Sowohl in Bezug auf die Anzahl der Messungen, als auch in Bezug auf die Tiefe, bis zu welcher die Beobachtungen reichten, steht Schladebach allen andern Punkten vorall, und es dürfte die gefundene Zahl von 36,9 in für 1° die größte Wahrscheinlichkeit besitzen. Dazu kommt noch, daß bei den Beobachtungen in Schladebach, dem gegenwärtig tiefsten Bohrloch der Erde (dasselbe geht bis 1748 m), ein neues Verfahren benutzt wurde, bei welchem die Temperaturmessungen vor der Verrohrung ausgeführt wurden und dadurch zuverlässigere Resultate erzielt werden konnten, als bei den früher in den andern Bohrlöchern angewandten Methoden. Aus den in Schladebach angestellten Beobachtungen ergab sich außerdem, daß eine regelmäßige Zunahme der Temperatur mit der Tiefe nur in ganz gleichgestalteten Erdschichten vorhanden ist. Durch einen Wechsel im durchbohrten Gesteinsmaterial wird das Leitungsvermögen geändert und dadurch eine Unregelmäßigkeit im Gange der Wärmezunahme bedingt, welche durch das Hinzuströmen von wärmern oder kältern Quellwässern noch vermehrt wird. Durch derartige Verhältnisse wird der Unterschied erklärt, welcher bei den in verschiedenen Bohrlöchern bestimmten Werten der geothermischen Tiefenstufen auftritt, so daß z. B. in dem wasserdurchlässigen und