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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Historische Litteratur 1890/91 (deutsche Einzelstaaten)
liche Streben, auch dem Gegner gerecht zu werden, voraus. Wertvolle Ergänzungen für die Geschichte der neuesten Zeit, auch zu Sybels großem Werk, bringt die liebevoll gezeichnete Biographie Max Dunckers von R. Haym (Berl. 1891); namentlich aus den Jahren, in denen Duncker als vortragender Rat dem Kronprinzen (später Kaiser Friedrich) zur Seite stand, bieten seine nachgelassenen Papiere viele neue Aufschlüsse über die Haltung seines Herrn, insbesondere gegenüber der schleswig-holsteinischen Frage und dem preußischen Verfassungskonflikt. W. Onckens große, aber viel zu schnell gearbeitete Geschichte Kaiser Wilhelms I. in der Groteschen Sammlung ist noch nicht vollendet.
Von den Einzelfragen der deutschen Verfassungsgeschichte erweckt die nach dem Ursprung der Städteverfassung noch immer besonders reges Interesse. J. E. Kuntze, »Die deutschen Städtegründungen, oder Römerstädte und deutsche Städte im Mittelalter« (Leipz. 1891), ist auf die längst abgethan geglaubte Ansicht von einem Zusammenhang der mittelalterlichen Städteverfassung mit altrömischen Einrichtungen Zurückgekommen, ohne daß es ihm gelungen wäre, derselben neues Leben einzuflößen. Die Gerichtsverfassung von Braunschweig hat W. Varges (Marb. 1890), die Anfänge der Stadtverfassung in Koblenz M. Bär (»Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte«, Germanistische Abteilung, Bd. 12) behandelt; die Teilnahme der Städte an den Reichsversammlungen untersucht für die Zeit Kaiser Friedrichs IH. W.Becker (Bonn 1891). Kallsens Buch: »Die deutschen Städte im Mittelalter« (Hatte 1891), hat keinen oder sehr geringen wissenschaftlichen Wert. Von dem deutschen Reichszollwesen im 13. Jahrh. handelt A. Braunholtz (Berl. 1890), von den Beziehungen der Krone zum niedern Kirchengut unter Friedrich II. H. Geffcken (Jena 1890). Ein wichtiges Kapitel der Kulturgeschichte hat F. H. Quetsch in seiner »Geschichte des Verkehrswesens am Mittelrhein von den ältesten Zeiten bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts« (Freiburg 1891) in Angriff genommen und viel brauchbares, wenn auch nicht immer ganz klar geordnetes Material zusammengetragen; das bedeutendste Kapitel ist dasjenige, welches auf ehemals kurmainzischen Akten beruhend, über das Postwesen am Mittelrhein handelt. Gewissermaßen eine Fortsetzung dieses Werkes, aber einen sachlich engern, örtlich weitern Bereich umfassend, ist das Buch von A. v. Mayer: »Geschichte und Geographie der deutschen Eisenbahnen« (Berl. 1890).
Deutsche Einzelstaaten.
Die Studien über die preußisch-brandenburgische Geschichte haben seit 1888 an der von R. Kos er vortrefflich redigierten Halbjahresschrift »Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte« (Leipz. 1888-91, 4 Bde.) einen neuen und willkommenen Mittelpunkt gefunden; manche kleinere, aber wertvolle Arbeiten, die früher in ihrer Vereinzelung leicht der Beachtung entgingen, sind hier gesammelt. In die Anfänge der hohenzollernschen Herrschaft in Brandenburg führt die fleißige Abhandlung von Erich Brandenburg, »König Sigmund und Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg« (Berl. 1891), welche zu zeigen versucht, daß von einer bisher meist angenommenen deutsch-nationalen Richtung der Politik des Kurfürsten nicht die Rede sein darf, daß dieselbe vielmehr stets durch persönliche Interessen bestimmt war. Von der für das 17. Jahrh. wichtigsten Publikation der »Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg« sind der 13. und 14. Band erschienen (Berl. 1890). Der erstere, bearbeitet von N. Brode, umfaßt die politischen Verhandlungen und militärischen Ereignisse von 1672-75; den Aktenstücken gehen Übersichtliche Einleitungen des Herausgebers voran; besonders erfährt man mancherlei Neues über den brandenburgisch-französischen Separatfrieden von 1673. Im 14. Band teilt A. F. Prior am die auf die Beziehungen zu Brandenburg bezüglichen Akten des österreichischen Archivs aus der Zeit von 1640-1675 mit, die viel wichtiges und interessantes, bisher nicht benutztes Material enthalten. Für die Zeit Friedrichs d. Gr. haben wir ein bedeutendes Buch aus Frankreich erhalten. E. Lavisse, »TTTTT« (Par. 1891), benutzt nicht nur die deutsche Litteratur so gut wie erschöpfend, sondern daneben die bis jetzt unbekannten Berichte der französischen Gesandten am preußischen Hof, aus denen er manchen neuen Zug zu gewinnen weiß, die aber sehr einseitig sind und deshalb mehrfach ein schiefes Bild von den Dingen geben. Einzelne harte Urteile ausgenommen, ist Lavisse auch dem für Franzosen so schwer verständlichen Charakter Friedrich Wilhelms I. gerecht geworden: ganz unbeeinflußt von der Tagespolitik ist auch er allerdings nicht geblieben. Die Form ist vortrefflich. Das sehr interessante Tagebuch eines preußischen Musketiers aus dem Siebenjährigen Kriege hat D. Kerler (Münch.1891), die Memoiren eines Offiziers, der 1750 in die preußische Armee eingetreten ist, hat Helene v. Hülsen (Verl. 1890) herausgegeben. Die interessante Episode des Müllers Arnold, zu dessen gunsten Friedrich d. Gr. sein Kammergericht maßregelte, behandelt K. Dickel (Marb. 1891). Für die Zeit Friedrich Wilhelms III. sind wichtig die Untersuchungen H. Hüffers über »Die Kabinettsregierung in Preußen und Joh. Wilh. Lombard« (Leipz. 1891); können sie auch die Politik des letztern in seiner einflußreichen Stellung als Kabinettsrat des Königs nicht rechtfertigen, so ergibt sich doch aus ihnen, daß die Lombard gemachten Vorwürfe der Bestechlichkeit und Verräterei unbegründet sind. Für die Geschichte des Krieges von 1806 hat P. Foucart neuerdings aus französischen Archiven ein reiches Material zusammengetragen (»TTTTT«, Par. 1887-90, 3 Bde.), das in dem vortrefflichen Buche von O. v. Lettow-Vorbeck: »Der Krieg von 1806 und 1807« (Bd. 1, Berl. 1890), bereits verwertet worden ist. Der erste Band des Werkes geht bis zu den Schlachten von Jena und Auerstädt. Die Schuld an der Katastrophe der preußischen Armee mißt der Verfasser mit großer Bestimmtheit der höhern und höchsten Führung derselben bei; die Verwirrung im preußischen Hauptquartier, die unglückselige Unentschlossenheit des Königs, der immer alle Welt um Rat zu fragen geneigt war, werden offen aufgedeckt. Welch andres Bild ist es da, das eben wieder in dem ausgezeichneten Werk des Grafen Moltke über den Krieg von 1870/71 (Verl. 1891) entrollt worden ist! Aus Bayern erwähnen wir den zweiten Band von F. L. Baumanns vortrefflicher »Geschichte des Allgäu (Kempt. 1890), einer der besten deutschen Provinzialgeschichten, die wir besitzen, in der auch die kulturgeschichtlichen Momente völlig zu ihrem Recht gelangen. Baden hat durch Fr. v. Weech (Karlsr. 1890) eine auf umsichtiger Beherrschung des Stoffes beruhende, gut geschriebene Landesgeschichte erhalten. Einen mehr gelehrten Charakter als dies Werk trägt E. Heycks »Geschichte der Herzöge von Zähringen« (Freiburg 1891), ein Buch, das auf höchst sorgfältigen