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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Höhere Lehranstalten (Reform in Österreich)
der Mathematik und der Naturwissenschaften auf I der Universität und für die Zulassung zur Prüfung für das Lehramt an höhern Schrüen in diesen Fächern; 2) für die Zulassung zu den Staatsprüfungen im Hochbau-, Bauingenieur- und Maschinenbaufach ;; 3) für das Studium auf den Forstakademien und für die Zulassung zu den Prüfungen für den königlichen Forstverwaltungsdienst', 4) für das Studium des Vergfaches und für die Zulassung zu den Prüfungen, durch welche die Befähigung zu den technischen Ämtern bei den Bergbehörden des Staates darzulegen ist. Dies bedeutet fast völlige Gleichstellung mit den Realgymnasien; und, was daran noch fehlt, hat kein allzu großes Gewicht mehr, da die förmliche Ergänzung eines Reifezeugnisses der Oberrealschule zu einem solchen des Realgymnasiums durch einfache Nachprüfung im Lateinischen unschwer zu beschaffen ist. Der Wunsch der Freunde des Realgymnasiums, den von dieser Anstalt als reif entlassenen Schülern das Studium der Medizin eröffnet zu sehen, ist, wie man sieht, nicht in Erfüllung gegangen, vielmehr durch Einschränkung des Lateinischen von seiner Erfüllung weiter entrückt, wenn auch die durch die Dezemberkonferenz erweckte Besorgnis, daß die Realgymnasien überhaupt fallen sollten, durch die Lehrpläne sich nicht bestätigt.
Dies der Hauptsache nach das Ergebnis der preußischen Schulreform, die 1890 unter so vielem Aufheben ins Leben trat. Ein abschließendes Urteil darüber wird kaum jemand schon jetzt erwarten und am wenigsten hier, wo oer Raum fehlt, ein solches Urteil eingehend zu begründen. Nur einige Punkte, an denen von verschiedenen Standorten aus die Kritik eingesetzt hat, seien kurz angedeutet. Allgemeine Anerkennung findet und verdient das Dringen aus erziehende Einwirkung der Schule wie auf sorgfältiges methodisches und pädagogisches Verfahren der Lehrer der höhern Schulen und die damit eng verbundene Beschränkung der Hausaufgaben auf das nötigste Maß. Ob aber mit der ganz allgemein auegesprochenen Anweisung zur Minderung des Memorierstoffes nicht schon des Guten zu viel geschehen, muß die Art, wie die leitenden Behörden die Lehrpläne ausführen werden, noch zeigen. Die Unterscheidung eines Unterbaues von sechs und eines Oberbaues von drei Jahrgängen in den Vollanstalten entspricht einem gegebenen Bedürfnis und einer durch die Zeugnisse für den einjährigen Dienst im Heere längst eingebürgerten Ansicht der Sache. Ob es nötig war, alle Anstalten geradezu zu verbieten, die über den Unterbau hinausgehen, ohne das Vollmaß von neun Jahresklassen zu erreichen, ist jedoch fraglich. Unbegreiflich ist es auf jeden Fall, daß man bei so scharf betontem Einschnitt nach dem 6. Schuljahre nicht die altübliche Klassenzählung etwa zu gunsten der österreichisch-süddeutschen (von unten auf nach Jahresklassen) aufgegeben hat. Ein Abschlußeramen inmitten der Sekunda und der Zwang für unvollständige Anstalten, mit Untersekunda abzuschließen, erscheinenwidersinnig. Diesogen.Abschlußprüfung selbst wird unter den Praktikern fast einstimmig verurteilt. Sie ist mit ihrem feierlichen Formalismus eine schwere Last für die betroffenen Schulen und deren Leiter, eine neue Plage für jährlich Tausende von Schülern und wird eine wirkliche Entlastung der drei Jahre später stattfindenden Reifeprüfung der Vollanstalten kaum bewirken. Man wird diese Bestimmung um so schwerer empfinden, da als einzig richtige Lösung des Problems der militärischen Berechtigungen längst in Schulkreisen die anerkannt
war, die sogen, wissenschaftliche Befähigung zum einjährigen Heerdienst nur an Reifezeugnisse der höhern, mindestens sechsjährigen Lehranstalten oder an das Bestehen einer außerhalb der Schulen abzulegenden Prüfung zu knüpfen. So hatte es der Minister von Goßler 1890 in Aussicht gestellt: das besondere Zeugnis für den Freiwilligendienst an den Vollanstalten sollte überhaupt fallen. Statt dessen es von einer neu eingeführten, schwerfälligen Prüfung inmitten des Lehrganges der Schule abhängig gemacht zu sehen, ist für die" betroffenen Schulen ein schwerer Schlag. Erfreulich ist die billigere und wohlwollendere Behandlung der Oberrealschulen, denen, wie den sechsjährigen Realschulen, man nur die weiteste Verbreitung wünschen kann. Erfreulich ist ferner die warme Betonung des Deutschen als des eigentlichen Mittelpunktes im Lehrbetrieb der höhern Schulen. Der starke Abstrich am Lateinische!: im Gymnasium mahnt aber alle Freunde der geschichtlich begründeten klassisch-philologischen Jugendbildung zur wachsamsten Vorsicht. Weiter hinunter d.nf die Grenze nun nicht mehr gerückt werden. Indes, der lateinische Aufsatz war längst im Strome der Zeit ein Verlorner Posten, und bisher stehen die preußischen Gymnasien den bayrischen in der Zahl der altklassischen Stunden noch wenig nach, den österreichischen für beide alte Sprachen ein gutes Stück voran.
Österreich.
In Vezng auf die höhern Lehranstalten oder, nach dortiger wie sonst süddeutscher Ausdrucksweise, Mittelschulen des österreichischen Kaiserstaates verweisen wir auf den besondern Artikel »Studienreform in Österreich« II. Zur übersichtlichen Vergleichung der Lehrpläne beschränken wir uns hier auf das Folgende:
Grundlage des Unterrichtsbetriebes an den Gymnasien des cisleithanischen Österreich sind die Verordnung des Ministers für Kultus und Unterricht, Freiherrn Konrad von Eybesfeld (1880 bis 1886), vom 26. Mai 1884 und die dieser Verordnung angehängten ausführlichen Instruktionen für den Unterricht an den Gymnasien. Bei ihrem Erlaß konnten die preußischen Lehrpläne vom 31. März 1882 bereits benutzt werden. Man hat sich jedoch ihnen im Nachbarreich in einer Anzahl von wichtigen Punkten nicht angeschlossen. Schon der ganze Aufbau der Gymnasien ist in Österreich ein andrer, indem die Gesamtanstalt in zwei in sich abgeschlossene Stufen sich gliedert: das Untergymnasium (Klasse, bez. Jahrgang I-IV) und' das Obergymnasium (Klasse V-VIII). Nur Untergymnasien bestehen auch allein, nicht Obergymnasien; doch gab es alleinstehende Untergymnasien im Jahre 1882 unter 165 gymnasialen Anstalten überhaupt uur 32, unter denen 11 unter Vevzicht auf das obligate Griechisch in den Klassen III und IV statt dessen das Freihandzeichnen und eine neuere Sprache (Französisch, Englisch, Italienisch) als Pflichtfach betrieben und deshalb als Realgymnasien bezeichnet wurden. Eine ähnliche Einrichtung fand sich bei 21 vollständigen Gymnasien, die neben dem gewöhnlichen Lehrplan der Humangymnasien einem Teil der Schüler Gelegenheit boten, unter Verzicht auf das Griechische eine neuere Sprache zu betreiben und der Naturwissenschaft vermehrte sowie dem Freihandzeichnen überhaupt planmäßige Pflege zu widmen. Abgesehen von diesen kleinern Besonderheiten ist der allgemeine Lehrplan für die Pflichtfächer folgender: