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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Jugendspiele; Julfeuer; Juncker; Junker; Jura; Jurien de la Gravière; Juristentag

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Jugendspiele - Juristentag

aus welchem überall das Bild tiefen sittlichen und politischen Elendes, des Zwanges sowie erbitterter Spott und Hohn hervortreten. Beide Faktoren, das verdorbene Hebräisch mit seinen Chaldäismen und Rabbinismen, das Deutsche mit allen seinen verschiedenen Mundarten, mischten sich als ein selbständiges volkstümliches Ganze zusammen, zu dem im Osten noch polnische Elemente kamen. Die Eigentümlichkeit des Judendeutsch besteht in der Verbindung hebräischer Worte und Wortwurzeln mit deutschen Worten und Flexionsformen, derart, daß das hebräische Wort eine deutsche Endung erhält und deutsch flektiert wird. Die Konjugation ist durchweg deutsch. Mit deutschen Präpositionen und Hilfszeitwörtern werden hebräische Partizipien und Adjektive in der wunderlichsten Weise komponiert; zu diesen Zusammenwürfelungen kommt noch eine Menge hebräischer und rabbinischer Ausdrücke für Gegenstände des religiösen, bürgerlichen und häuslichen Lebens, welche man absichtlich nicht in das Deutsche übertragen oder mit ihm verbinden oder flektieren wollte, und endlich die ganze Flut deutsch-dialektischer Ausdrücke sowie alt- und mittelhochdeutscher Wurzeln. So steht diese Sprache wildwüchsig und ungestalt da als eine höchst eigentümliche, manchen Handelsjargons vergleichbare Erscheinung. In ihr entwickelte sich eine im Osten heute noch blühende Litteratur, die innerhalb Deutschlands erst mit den Reformbestrebungen im Judentum zu erlöschen begann. Das Jüdisch-Deutsche hat seine eigne Schrift, welcher die hebräische Buchstabenschrift (Quadratschrift) zu Grunde liegt. Ganz abweichend aber sind die Buchstaben der jüdisch-deutschen Handschrift, die heute noch bei den östlichen J. stark im Gebrauch ist, da in ihr die Kinder in den jüdischen Schulen unterwiesen, sowie Handelskorrespondenzen und Bücher geführt werden. Diese Schreibschrift beruht auf dem syrischen Alphabet.

Als eine Eigentümlichkeit der J. werden auch deren Namen aufgefaßt. Was die Vornamen betrifft, so spiegelt sich in denselben die Geschichte des Volkes in der Zerstreuung wieder, indem zu dem altheimischen Vorrat noch das Erborgte fremder Völker, unter denen die J. lebten, hinzukam. Anders ist es mit den Familiennamen, die in der großen Mehrzahl sich als besondere jüdische erkennen lassen, indem sie teils alttestamentlichen Ursprungs oder von alttestamentlichen Namen abgeleitet sind, teils durchaus unhistorische Färbung zeigen, welche einen aufgezwungenen Ursprung andeuten. In Frankreich wurde durch Dekret Napoleons vom 20. Juli 1808 den J. die Annahme beständiger Familiennamen bei Strafe der Landesverweisung anbefohlen. In Preußen wurde durch Edikt vom 11. März 1812 die Staatsbürgerqualität der J. von der Annahme fester Familiennamen abhängig gemacht. In Galizien wurden unter Joseph II. durch Militärkommissionen den J. Familiennamen aufgezwungen, die zum Teil sehr grotesker oder unsauberer Art sind (vgl. Name, Bd. 11, S. 993); doch bedienen sich dort die orthodoxen J. derselben im Verkehr untereinander noch heute nicht, sondern halten (wie im Orient noch immer) an dem alten Brauche fest, nach welchem jedes Individuum sich bloß mit dem eignen Vornamen und dem des Vaters benennt.

Vgl. Flinders Petrie, Racial photographs from the Egyptian monuments (Lond. 1888); Sayce, The white race of Palestine (in »Nature«, Bd. 88, Nr. 979, das. 1888); Tomkins, Remarks on Flinders Petrie's Collection of ethnographic types (im »Journal of the Anthropol. Inst. of Great Britain« 1889); Neubauer, Notes on the race types of the Jews (das. 1886); Jacobs, On the racial characteristics of modern Jews (das. 1886); Alsberg, Die Rassenmischung im Judentum (Hamb. 1891). Über Namen und Sprache der J. vgl. besonders: Zunz, Namen der J. (Leipz. 1837); Wagenseil, Belehrung der jüdisch-deutschen Red- und Schreibart (Königsb. 1690); Chrysander, Jüdisch-deutsche Grammatik (Leipz. 1750); Selig, Lehrbuch zur gründlichen Erlernung der jüdisch-deutschen Sprache (das. 1792); A. Rée, die Sprachverhältnisse der heutigen J. (Hamb. 1844); Avé-Lallemant, Das deutsche Gaunertum, Bd. 3 (Leipz. 1862).

Jugendspiele, s. Gesundheitspflege, S. 380.

Julfeuer, s. Sonnenfestfeuer.

Juncker, E. (Pseudonym für Else Schmieden, geb. Kobert), Erzählerin, geb. 6. Nov. 1841 zu Berlin, erhielt auf dem in der Mark Brandenburg gelegenen Gute ihres Vaters Privatunterricht und wurde später Schülerin des Predigers Sydow in Berlin. 1860 vermählte sie sich mit dem jetzigen Kammergerichtsrat Schmieden in Berlin. Sie veröffentlichte die Romane: »Lebensrätsel« (Berl. 1878, 2 Bde.; 4. Aufl. 1886); »Schleier der Maja« (2. Aufl., das. 1885, 2 Bde.); »Werner Eltze« (das. 1887, 3 Bde.); »Im Schatten des Todes« (das. 1889, preisgekrönt); die Novellen: »Im Zenith« (2. Aufl., das. 1884); »Höhere Harmonie« (das. 1884); »Der Verlobungstag und andre Novellen« (das. 1888); »Im zweiten Rang u. a.« (das. 1891).

Junker, Wilhelm, Afrikareisender, starb 13. Febr. 1892 in St. Petersburg.

Jura, im Kaukasus, s. Geologische Gesellschaft, S. 371.

Jurien de la Gravière, Jean Pierre Edmond, franz. Admiral, starb 5. März 1892 in Paris.

Juristentag. Die Verhandlungen des 21. deutschen Juristentages, welche vom 10.-12. Sept. 1891 in Köln stattfanden, haben wie ihre Vorgänger gezeigt, daß die oft geäußerte Ansicht, mit dem Zusammenbruch des Deutschen Bundes habe der J. Zweck und Bedeutung verloren, nicht zutreffend ist. Allerdings kann es sich nicht mehr darum handeln, die Entwickelung eines einheitlichen Rechtes für Deutschland und Österreich zu fördern. Aber um so mehr ist es seither dem J. vergönnt gewesen, für den engern Kreis des Deutschen Reiches mit Erfolg an der Herstellung der Rechtseinheit mitzuarbeiten. Und auch der deutsch-österreichische Charakter dieser Vereinigung ist keineswegs gegenstandslos geworden; denn wenn auch eine formelle Rechtseinheit für beide Reiche nicht mehr angestrebt werden kann, so bringt doch die Gleichheit in Sitte und Kultur das Bedürfnis nach gleichem Recht mit sich. So strebt denn auch Österreich nach einer Reform des Zivilprozesses auf derjenigen Grundlage, auf welcher die Zivilprozeßordnung für das Deutsche Reich beruht; ebenso sind die Ziele, welche deutsche wie österreichische Juristen sich in den Fragen einer Umgestaltung des Strafgesetzbuchs stecken, zum Teil der gleichen Art; ferner sind das Handelsgesetzbuch und die Wechselordnung beiden Ländern gemeinsam, so daß auch ein gemeinsames Interesse an der gleichheitlichen Fortbildung von Handels- und Wechselrecht besteht. Auch anderwärts sehen wir die Juristen stammverwandter, aber politisch getrennt lebender Völker zu gleichem Streben vereinigt, so im nordischen J., welchem dänische, norwegische und schwedische Juristen angehören. Das Zusammenhalten der deutschen und österreichischen Juristen im deutschen J. ist daher heute noch voll berechtigt, was auch in Österreich neuer-^[folgende Seite]