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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Juristentag (Köln 1891)
dings wieder mehr und mehr empfunden wird. Inner- j halb des Deutschen Reiches aber hat in den letzten Jahren der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches das Interesse an den Arbeiten des Juristentags er- i heblich gesteigert. Der Besuch des Iuristentages in Köln ließ das erkennen; es waren 563 Mitglieder anwesend, während in den Vorjahren die Zahl 400 ! regelmäßig nicht überstiegen wurde.
Der zuletzt erwähnte Gesetzentwurf bildete naturgemäß den Hauptgegenstand der Verhandlungen. Seit dem 13. I. (Salzburg 1876) tauchte vereinzelt in den der Begutachtung unterstellten Fragen der Ausdruck »bürgerliches Gesetzbuch« auf.
Im ersten Jahre nach Abschluß des Entwurfs, auf dem 19. I. zu Stettin (1888) standen 13 Fragen zur Beratung, wovon 8 sich auf den Entwurf bezogen; der folgende Tag zu Straßburg (1889) befaßte sich ausschließlich mit diesem Entwurf und zwar in 15 Punkten; auf der Tagesordnung zu Köln <1891) endlich standen 10 solche Fragen, außerdem noch ein handelsrechtlicher Gegenstand, drei strafrechtliche Fragen und eine Frage über Kolonialrecht; die Beratung war durch 19 Gutachten vorbereitet.
Jeder der drei Abteilungen waren fünf Beratungsgegenstände zugeteilt, wovon die dritte Abteilung jedoch nur drei erledigen konnte; aus Mangel an Referenten wurde von der Tagesordnung die Frage abgesetzt, ob an Stelle der Ehescheidungsstrafen in der Weise, wie der Entwurf des bürgerlichen Gesetzbuches dies beabsichtigt, nur eine Verpflichtung des für den schuldigen Teil erklärten Ehegatten zur Gewährung des Unterhaltes an den andern der Unterstützung bedürftigen Gatten einzuführen sei. Ferner wurde die Frage, ob Änderungen des geltenden Rechtes in betreff des Verhältnisses zwischen Geld- und Freiheitsstrafen erwünscht seien, deshalb vertagt, weil es sich empfehle, die Veröffentlichung der Verhandlungen abzuwarten, welche die internationale kriminalistische Vereinigung auf ihrer dritten Jahresversammlung Ende August 1891 gepflogen hatte.
Nach Erstattung des von Professor Eck-Berlin als Schriftführer des Iuristentages vorgetragenen Berichts über die..Fortschritte der Gesetzgebung in Deutschland und Österreichseitdemletzten I. begannen die Abteilungssitzungen, welche die Arbeitszeit des 10. und 11. Sept. in Anspruch nahmen. Das Ergebnis der hier gepflogenen Beratungen wurde durch die von den Abteilungen hierzu aufgestellten Berichterstatter in der zweiten Plenarsitzung 12. Sept. zur Kenntnis gebracht.
Über die Mittel zur Bekämpfung der Mißbräuche, welche sich bei den Abzahlungsgeschäften herausgestellt haben, war kein Abteilungsbeschluß zu stände gekommen. Es wurde zwar allgemein angenommen, daß erhebliche Mißstände in dieser Richtung vorhanden seien, aber die Mitglieder waren verschiedener Meinung nicht nur darüber, ob diese Geschäfte ganz zu verbieten oder ob nur die Mißbräuche abzuschneiden seien, sondern ebenso über die Mittel, mit oenen das letztere erfolgreich angestrebt werden könne.
Bemerkenswert erscheint besonders der Vorschlag, daß der Veräußerer, welcher von dem Rechte der Zurück nähme des verkauften Gegenstandes Gebrauch macht, Äon den bisher erfolgten Zahlungen nur so viel solle behalten dürfen, als nach richterlichem Ermessen der Abnutzung entspreche, und daß, wenn mehrere Gegenstände zugleich oder nacheinander verkauft worden seien, der Richter nach freiem Ermessen bestimmen solle, welche Gegenstände als durch die bisherigen Leistungen vollständig bezahlt zu erachten seien.
Hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Schenkungen wegen Verletzung des Pflichtteiles wurde das französische System einpfohlen, wonach die Schenkungen unter Lebenden denen von Todes wegen in diesem Punkte gleichgestellt sind, dagegen abgelehnt der Standpunkt des gemeinen Rechtes, welches die Verletzung des angemessenen Verhältnisses zwischen Schenkung und Vermögen voraussetzt. Der Pflichtteil soll von dem unter Einrechnung sämtlicher Schenkungen ermittelten Nachlaßbetrag berechnet werden.
Die Regelung des Inventarrechts veranlaßte sehr eingehende Beschlüssederersten Abteilung, welche einen möglichst wirksamen Schutz der Gläubiger und Vereinfachung des Inuentarrechts bezwecken.
Bezüglich der an die Indossierung von Lagerscheinen zu knüpfenden Rechtswirkungen wurde hervorgehoben, daß von der Indossierung zum Zwecke der Verpfändung nur sehr geringer Gebrauch gemacht werde. An die Indossierung der Lagerscheine ist zu knüpfen der Übergang aller Rechte aus dem indossierten Papier gegen das Lagerhaus und dieselbe rechtliche Wirkung, welche mit derübergabe der Güter selbst eintreten würde. Die gesetzliche Einführung von Lagerpfandscheinen wurde aus obigem Grunde
gemißbilligt.
Der Stellung des Testamentsvollstreckers hat die zweite Abteilung ein ganzes System von Vorschlägen gewidmet. Hiernach soll der Testaments-Vollstrecker nicht als gesetzlicher Vertreter des Erben behandelt werden; vielmehr ist ihm gegenüber den Erben eine freiere und unabhängige Stellung einzuräumen. Insbesondere muß das dem Erben zugedachte Recht, durch seinen Widerspruch Ausführungshandlungen des Testamentsvollstreckers zu hemmen, beseitigt und der Erbe auf den Weg der Klage gegen den Testamentsvollstrecker verwiesen werden. Dem letztern gebührt in allen Fällen, in denen die Erreichung der ihm vom Erblasser anvertrauten Zwecke es fordert, ein selbständiges Klagerecht gegen den Erben. Anderseits ist der Testamentsvollstrecker nicht nur den Erben, sondern allen Beteiligten gegenüber zur Ausführung des letzten Willens zu verpflichten und für die gehörige Erfüllung der Amtspflichten verantwortlich zu machen. Die Bestimmung des Umfanges der rechtlichen Macht des Testamentsvollstreckers ist in erster Linie in den Willen des Erblassers zu stellen. Der Wille des Erblassers kann vorbehaltlich gewisser Schranken die Befugnisse des Testamentsvollstreckers auch über den vom Gesetz begrenzten Kreis erweitern. Für den Fall, daß ihm die Verwaltung des Nachlasses eingeräumt wird, ist diese vom Gesetz im Sinne der freien Vertrauensstellung des Testamentsvollstreckers auszugestalten; dem letztern gebührt der Besitz; er ist als rechter Kläger und Beklagter in Ansehung des Nachlasses zu behandeln; während der Dauer seiner Verwaltung ist die Zwangsvollstreckung in den Nachlaß nur auf Grund eines gegen ihn vollstreckbaren Titels zuzulassen. Wer sich dem Erblasser gegenüber zur Übernahme der Testamentsvollstreckung bereit erklärt hat, darf nach Eintritt des Erbfalles mindestensdie nächste Fürsorge nicht ablehnen; wer das Amt formell übernommen hat, darf es nicht einseitig, sondern nur aus erheblichen Gründen mit Bewilligung des Nachlaßgerichts niederlegen.
Bezüglich der Verschollenheits- und Todeserklärung beschloß die Abteilung: die Unfallverschollenheit ist unter die Anlässe der Todeserklärung aufzunehmen. Der Tod des Verschollenen ist von dem Zeitpunkt an zu datieren, in welchem der gesetz-