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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Luftspitze - Lügendichtungen
Die zur Verhinderung der Eisbildung erforderliche Wärmezufuhr erfolgt durch äußere Beheizung der Maschine mittels einer Gasflamme, Petroleumflamnie :c. Diese ist unter dem Boden d des größern Cylinders, m welchem besonders die Kältebildnng vor sich gehen würde, angebracht und erhält event, behufs erhöhter Heizkraft eine Zufuhr von Preßluft. Der Boden d ist entweder eingestülpt oder mit Rippen versehen, welche die Abgabe der Wärme an die Luft im Cylinder V beschleunigen sollen. Um ^en ^eizraum läuft ein Kanal u, den die Druckluft durchströmt, bevor sie in den obern Cylinder ^^ eintritt. Sie nimmt hierbei so viel Wärme auf, daß sie durch die Expansion in ^^ keine zu niedrige Temperatur erhält Ein Regulator K beeinflußt die Einströmung der Luft in den kleinen Cylinder und die Zufuhr des Brennmaterials zur Heizflamme und beherrscht so den Gang der Maschine. Die Zuführung von Druckluft zur Flamme erfolgt vom Schieberkasten aus durch das Rohr u. Pröll hat ferner eine vereinigte Druckluft- und Gasmaschine entworfen, bei der eine bessere Ausnutzung der Verbrennungswärme des Gases bezweckt wird. Während nämlich bei der Gasmaschine infolge der im Cylinder stattfindenden Gasexplosion eine große Verbrennungswärme frei wird, welche durch kräftige Kühlung des Cylinders beseitigt werden muß, macht die Kältebildung bei der Expansion der Druckluft eine Vorwärmung derselben erforderlich. Durch die Vereinigung beider Maschinenarten und eine entsprechende Leitung der Druckluft, bez. Verwendung der Verbrennungsprodukte der Gasmaschine kann der größte Teil der jetzt bei der Gasmaschine mit dem Kühlwasser verloren gehenden Wärmemenge für den Arbeitsprozeß der Druckluftmaschine nutzbar gemacht werden. Durch die Konstruktion wird die Vorwärmung der Luft in die Maschine verlegt. Es bedarf also keiner besondern Heizanlage, und die damit verbundenen Übelstände kommen in Wegfall. Für die Gasmaschine ist das System Benz gewählt, weil sich ihre Arbeitsweise (Zweitakt) dem Luftmotor besser anpaßt als die sonst gebräuchlichen Viertaktmaschinen. Die dem Venzschen Motor zuzuführende Preßluft, zu deren Beschaffung sonst eine Luftpumpe erforderlich ist, wird direkt aus der Druckluftleitung entnommen. Gascylinder und Druckluftcylinder liegen unmittelbar hintereinander, ihre Kolben sitzen an einer gemeinschaftlichen Kolbenstange, welche mittels einer Bleuelstange auf die Kurbel der Schwungradwelle wirkt. Von dieser wird eine parallel zur Cylinderachse gelagerte Steuerwelle betrieben, welche die Steuerung der beiden Cylinder betreibt. Durch den Mantel des Gascylinders wird statt des sonst nötigen Kühlwassers die Preßluft geleitet, ehe sie in dem Druckluftcylinder zur Arbeitsabgabe gelangt.
Hierdurch wird sowohl der Gascylinder gekühlt, als auch der Luft infolge ihrer Erwärmung ein größeres Arbeitsvermögen erteilt. Die Auspuffgase des Gascylinders treten in eine Ummantelung des Luftcylinders, geben hier ihre Wärme an den Cylinder wieder ab und gehen erst dann ins Freie.
Luftspitze, s. Spitzen.
Lugebil, Karl, Philolog, geb. 23. Nov. 1830 zu St. Petersburg, studierte daselbst 1848 - 52, wurde 1854 Oberlehrer der lateinischen Sprache am vierten Gymnasium, reiste 1859-61 in Deutschland, Italien und Griechenland, habilitiertesich1862anderPetersburger Nniversität und wurde an derselben 1868 außerordentlicher, 1872 ordentlicher Professor der griechischen Sprache und Litteratur. Er starb 9. Jan.
1880 in St. Petersburg. Von seinen Schriften erwähnen wir: »v6 V6N616 (Ü0iikä6 (^6U6t.vMä6«
(Petersb. 1858), »Über das Wesen und die historische Bedeutung des Ostrakismos in Athen (Leipz. 1861), »Zur Geschichte der Staatsverfassung von Athen« (das. 1871). Für die russischen Gymnasien bearbeitete er eine Ausgabe des Nepos« (3. Aufl., Petersb.
1889) und »Erstes griechisches Lesebuch für Gymnasien^ (das. 1885).
Lügendichtungen, die einfachsten und leichtesten Erzeugnisse der Lust zu fabulieren, die ihres Erfolgs bei einfachen Menschen sicher find. Die ältere Sprache bezeichnete sie vor allem als Gedichte, d. h. Erdichtungen und Erfindungen von unmöglichen Dingen, welche das Lachen oder Staunen des Hörers bezweckten, sei es durch widersinniges Verkehren oder durch aufschneiderisches Übertreiben des Wirklichen.
Sie sind der Volkspoesie aller Völker eigen, aber auch die Kunstdichtung verschmäht ihre Mittel nicht.
In Deutschland ist das älteste schriftlich festgehaltene Erzeugnis dieser Gattung der sogen. »2Io äu8 üoi'uin«, ein lateinisches Gedicht aus dem lO.oder 11. Jahrh. Es ist ein Lügenmärchen, dessen Inhalt sich zum Teil als indogermanisch erweist, da er sich nicht nur mit neuern deutschen, sondern auch mit litauischen, serbischen, romanischen und andern Märchen berührt. Manches braucht nur in einem andern Tone erzählt zu werden, um in weitverbreitete Mythen einzugreifen, in das Märchen vom Schlaraffenland, in die uralte Rätselpoesie. Was in diesen und andern Märchen an unglaublichen Dingen erzählt wird, fischt Münchhausen zum großen Teil seinen Zuhörern auf. Aus dem 14. und 15. Jahrh, stammt eine Reihe von deutschen Gedichten, welche beseelte und unbeseelte Wesen die verkehrtesten, seltsamsten, aberwitzigsten Dinge treiben lassen und diese ohne Zusammenhang aneinander reihen, jedenfalls Erzeugnisse fahrender Leute. Das bekannteste unter ihnen ist das »Wachtelmäre«, in welchem, ebenso wie heute die Enten in den Zeitungen, die Wachteln Lügen bedeuten. Ein Teil der in diesen Dichtungen einer verkehrten Welt vorkommenden unsinnigen Einzelheiten findet sich wieder in den komischen Rezepten, wie sie besonders in den Fastnachtspielen erteilt werden, wo auch das Lied vom i)r. Eisenbart vorgebildet ist, und in einer Neihe von Volksliedern aus dem 16. und 17. Jahrh., insbesondere in denen vom Schlaraffenlands. Die umfassendste Kompilation dieser Dichtungen bietet der kleine Roman vom Finkenritter aus dem Jahre 1559, den man dem großen Fischart hat zuschreiben wollen. In ihm finden sich Züge aus unsern Märchen, z. V. das von Knoist und seinen Söhnen, und eine Menge volkstümlicher Scherze und Neckereien, wovon noch mancherlei im heutigen Volkslied, in Kinderreim und Kinderspiel fortlebt. Alle diese Stücke spiegeln den Geist der Narrheit wider, der über dem zwischen Mittelalter und Reformation lebenden Geschlecht ruhte, das Fastnachtstreiben der Eulenspiegel und andrer Thoren. Sie bieten aber nicht nur im allgemeinen dem verkehrten und vergeblichen Menschentreiben einen Spiegel, sondern verfolgen auch in einzelnen Zügen bestimmte satirische Zwecke. In derselben Weise wird die verkehrte Welt benutzt in der satirischen Dichtung eines Tieck, eines Glahbrenner, des »Kladderadatsch«, der »Wespen« 2c. Harmloser sind die Lügenschwänke und -Schnurren, die sich in Aufschneidereien ergehen und unter den zahlreichen Geschichtchen der Facetien-und Anetdotensammlungen seit dem 15. Jahrh, das Ergötzen der Lesewelt bewirkten. Als erste Aufschneider stellen sich