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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Naturforschergesellschaft (Versammlung in Halle 1891)
körperlich und geistig möglichst widerstandsfähig gegen die Anstrengungen, Sorgen und Gefahren des Lebens gemacht werden. Je frühzeitiger dies geschieht, um so besser. Man hat die Meinung ausgesprochen, daß es die erste Aufgabe der Makrobiotik sei, die Krankheitsursachen, unter denen die Ansteckung den hervorragendsten Platz einnimmt, zu beseitigen oder zu schwächen. Vortragender ging auf diese Punkte näher ein, bezeichnete die dem menschlichen Wissen und Können dabei gesteckten Grenzen und gab der Ansicht Raum, daß auch in dieser Beziehung der gut disziplinierte und widerstandsfähige Mensch sich am besten stehen dürfte. Trotz aller Bestrebungen sei die Lebensdauer der Menschen seit Jahrtausenden offenbar keine längere geworden, indessen sei ein Nachlassen in unsern makrobiotischen Forschungen durchaus zu vermeiden. Die feststehenden allgemeinen Grundsätze müßten jedem einzelnen Falle angepaßt werden. Man dürfe hier nicht schablonisieren und schematisieren. Eine besondere Fürsorge sei sowohl dem Kindes- als auch dem Greisenalter zuzuwenden. Zum Schlüsse wies Redner gelegentlich der Besprechung des Alkoholgenusses in seinen nachteiligen Folgen auf die Lebensdauer, besonders auf die Gefahren des übermäßigen Biergenusses hin und erörterte den schädlichen Einfluß, welchen die nervöse Konstitution unsers Zeitalters und namentlich auch eine Reihe der zu ihrer Bekämpfung angewendeten Mittel nicht nur für die Langlebigkeit der gegenwärtigen, sondern auch der folgenden Geschlechter haben.
In der sich anschließenden Geschäftssitzung wurde Nürnberg zum Orte der nächstjährigen Versammlung erwählt. Es folgte dann eine erregte Beratung der Anträge auf Abänderung der Statuten. Es machen sich drei Parteien bemerkbar. Die eine möchte den gegenwärtigen Zustand zunächst noch unverändert fortbestehen lassen, die zweite erstrebt verschiedene Reformen, und die dritte will zu dem frühern Zustande zurückkehren, die vor kurzem erst gegründete Gesellschaft wieder auflösen. Der Vorsitzende, His-Leipzig, sprach sich dahin aus, daß eine Wiederauflösung der Gesellschaft gleichbedeutend sei mit einer Bankrotterklärung wissenschaftlichen Gemeinsinnes in Deutschland; sie wäre als ein nationales Unglück zu bezeichnen. Es würde durch eine solche öffentlich bekannt, daß die Gesamtheit deutscher Naturforscher und Ärzte sich außer stände sieht, bei Förderung der gemeinsamen Interessen der Wissenschaft einträchtig zusammenzuwirken. Die Form, welche ein solches Zusammenwirken nötig macht, muß gefunden werden, und es bedarf dazu nur des festen Willens und des opferbereiten Entgegenkommens aller Beteiligten. Das Ergebnis der Diskussion war die ziemlich unveränderte Annahme der Anträge des Vorstandes. Diese Anträge waren auf Grund der von den verschiedensten Seiten her ergangenen Anregungen und Vorschläge ausgearbeitet worden und fanden nach Durchberatung im einzelnen schließlich bei der Gesamtabstimmung die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Dieselben laufen im wesentlichen auf folgendes hinaus: der Kreis der Aufnahmefähigkeit wird dahin erweitert, daß allen, welche überhaupt für Naturforschung und Medizin Interesse haben, der Eintritt offen steht. Bei Leitung der Gesellschaft wird dem Vorstand ein größerer Ausschuß zur Seite gestellt, in welchem neben den frühern Vorsitzenden Abgeordnete der Abteilungen sitzen sollen. Die Leitung der bleibenden Gesellschaftsaufgaben und die der Jahresversammlungen werden auseinander gehalten. Erstere fällt dem Vorstand und dem Ausschuß zu; die Jahresversammlungen sollen dagegen wie früher in erster Reihe von den Geschäftsführern geleitet werden, welche ja auch bei deren Veranstaltung die Hauptmühe und Verantwortlichkeit tragen. Ferner ist ein Teil des Statuteninhalts in einer besondern Geschäftsordnung untergebracht. Für den Bezug der »Verhandlungen« ist in Zukunft von den Mitgliedern ein besonderer Beitrag von 6 Mk. zu entrichten. Die Zulassung von »Teilnehmern« ist der lokalen Geschäftsführung anheimgegeben. Für die Zeit der Jahresversammlungen ist ein größerer Spielraum als bisher gewährt worden. Dieselbe kann im Juli, August oder September abgehalten werden, muß indes wie gegenwärtig an einem Montag beginnen. Vom Jahre 1893 ab sollen neu eintretende Mitglieder ein Eintrittsgeld von 10 Mk. zahlen.
In der dritten Sitzung sprach Ackermann-Halle über Eduard Jenner und die Frage der Immunität. Er schilderte ausführlich Leben und Streben des unsterblichen englischen Arztes, welcher in uneigennützigster Weise mit unablässigem Bemühen aus einigen unscheinbaren, ihm zufällig zu Ohren gekommenen Thatsachen einen der großartigsten und segensreichsten Fortschritte entwickelte. Die erste Anregung zu seiner Entdeckung empfing Jenner 1768 durch die Angabe einer Bäuerin, welche ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Pocken einem Ausschlag zuschrieb, den sie an der Hand infolge Berührung mit Pusteln am Euter einer Kuh erhalten hatte. Diese Thatsache, welcher sich bei näherer Nachforschung noch eine große Anzahl ähnlicher anschloß, beschäftigte Jenner derart, daß ihm seine Kollegen scherzweise drohten, sie würden ihn aus dem ärztlichen Verein ausschließen, wenn er nicht aufhöre, beständig von den Pocken zu reden. 26 Jahre beschäftigte sich Jenner eifrig mit der Angelegenheit, bis er endlich 24. Mai 1796 den Versuch wagte, das Kuhpockengift vom Menschen auf den Menschen überzuimpfen. 1798 erschien dann seine Abhandlung über die Kuhpockenimpfung, und schon in den ersten Jahren unsers Jahrhunderts breitete sich diese Impfung über große Teile Europas aus. Bis in die neueste Zeit blieben die Pocken die einzige Krankheit, gegen welche man einen Schutz durch Impfung suchte, gegenwärtig ist es eine ziemlich lange Reihe von ansteckenden Leiden, die man mit größerm oder geringerm Erfolg durch Schutzimpfung bekämpft. Es ist dadurch die Frage, worin der Impfschutz besteht, mit großer Lebhaftigkeit zur Erörterung gelangt, sie hat aber eine befriedigende Lösung noch nicht gefunden. Weder die bakterientötende Kraft des Blutserums noch die Ansicht, es trete ein Mangel an Bakteriennahrung oder eine Anhäufung von Bakteriengiften im Blute ein, weder die Phagocytentheorie noch die Annahme, daß nach der Impfung nur die widerstandsfähigen Zellen übrigbleiben, noch irgend eine andre Hypothese liefern einwandsfreie Erklärungen der merkwürdigen Thatsache der Immunisierung, so daß hier noch ein großes Feld der Forschung offen liegt.
Den letzten Vortrag hielt Ruß-Berlin über nationalen und internationalen Vogelschutz. Während wir als die bedeutsamsten Ursachen der Verringerung unsrer Vögel zunächst die Kulturverhältnisse, die Urbarmachung jeder möglichen Bodenstrecke, das Ausroden von Gebüsch und Hecken, das Niederschlagen aller alten Bäume, Trockenlegung der Sümpfe und Brüche etc. in Betracht zu ziehen haben, wissen wir auch, daß alljährlich zur