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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Österreich (Geschichte)
Gravosa, der Vorhafen von Ragusa, ist Marine- und Kohlenstation; Marinestationen sind noch Bocche di Cattaro und Budapest, letzteres für die Flußmonitors.
bezirke sind Trieft, Fiume und Zara. Die Mariucakademie befindet sich in Fiume, die übrigen Ntarineschulen in Pola. Das Personal zählte Anfang 1891 583 Offiziere, darunter 10 Admirale, 100 Seekadetten und 11,539 Mann.
. S. auch den Art. Volksvertretung.
Geschichte.
Nachdem der Kaiser 2. April 1891 das Herrenhaus durch Ernennung von 18 lebenslänglichen Mitgliedern aus sämtlichen Parteien verstärkt hatte, eröffnete er N. April die Sitzungen des Reichsrates mit einer Thronrede, welche die Hoffnung ausdrückte, daß die bevorstehende Session sich als eine Periode erfolgreicher Arbeit erweisen werde; hierzu seien alle diejenigen berufen und willkommen, welche den Staat und das Volk über die einzelnen Parteien stellen und in der Sorge für diese höchsten Interessen durch die Parteibestrebungen unbeirrt bleiben wollen; die rasche Entwickelung des wirtschaftlichen Bebens habe gegenwärtig die Aufgaben für die Gesamtheit besonders zahlreich gestaltet; es sei dringend notwendig, daß die Wünsche der einzelnen Parteien vorerst zurückträten. Es wurden darauf zahlreiche Gesetzesvorlagen angekündigt, welche namentlich das wirtschaftliche Leben betrafen. Die Thronrede betonte schließlich die Nahrung der Einheit uud Macht des Staates sowie die Berücksichtigung der mannigfachen Verhältnisse der Königreiche und Länder und der verschiedenen Interessen des Volkes und hob hervor, daß durch eine ruhige, von Voreingenommenheit freie und auch den Standpunkt der gegnerischen Parteien beachtende Beratung der böhmische Ausgleich angebahnt worden sei, dessen Ausgestaltung und Verwirklichung auch künftig den Gegenstand des unentwegten Strebens der Regierung bilden werde.
Diese inhaltlich so bedeutungsvolle, unter besondern Feierlichkeiten verlesene Thronrede wäre unter gewöhnlichen Verhältnissen vom Abgeordnetenhaus mit einer Adresse beantwortet worden, welche den Standpunkt der Mehrheit darlegte. Eine solche Mehrheit war aber durch die Neuwahlen nicht geschaffen, und alle Bemühungen, eine neue statt der bisherigen durch die Niederlage der Alttschechen zerstörten fö'deralistisch-ultramontanen Mehrheit herzustellen, waren vergeblich gewesen. Allerdings hatte man sich bei der Besetzung des Präsidiums dahin geeinigt, daß der Pole Smolka wie bisher Präsident, der deutsch-liberale Chlumecky 1.Vizepräsident und der deutsch-klerikale Kathrein 2. Vizepräsident sein solle. Aber Graf Taaffe that nichts, um die Verschmelzung der Polen und der Deutschliberalen zu einer neuen Regierungspartei durch bestimmte Versprechungen betreffs seiner Politik oder durch Modifikationen feines Ministeriums zu ermöglichen, förderte vielmehr die Rekonstruktion des ehemaligen Hohenwartklubs als konservativen Klub (<)8 Mitglieder) und Gegengewicht gegen die deutsche Linke. Unter diesen Umständen trugen die mit Recht mißtrauischen Deutschliberalen Bedenken, sich mit den anspruchsvollen Polen zu verbinden, um dann in wichtigen Fragen im Stiche gelassen zu werden. Da die Parteien also sich üder keine Adresse einigen konnten, stellte Smolka 8. Mai den Antrag, daß eine Adresse als Antwort auf die Thronrede unterbleiben und an den Kaiser eine Ab ordnung entsandt werden solle, welche den Dank des Abgeordnetenhauses für die Thronrede auszusprechen hätte. Dieser Antrag wurde mit einem Hoch auf den Kaiser angenommen. Hierauf widmete sich der Budgetausschuß der Beratung des Voranschlags für den Staatshaushalt für 1891, der infolge der Auflösung des Abgeordnetenhauses noch nicht gesetzlich festgestellt war. Die Deutschen stimmten im Ausschusz vorläufig für den ministeriellen Dispositionsfonds, der immer als eine Vertrauensfrageangesehen wurde. Das Budget ergab übrigens einen Überschuß von fast 4 Mill., war also seit Menschengedenken das günstigste. Bei der Generaldebatte im Hause selbst hielt der Ministerpräsident Graf Taaffe 17. Juni eine längere Rede, in welcher er erklärte, die Regierung habe bei ihrem Appell betreffs eines Waffenstillstandes nicht den dauernden Verzicht großer gemäßigter Parteien auf ihren besondern Standpunkt bezweckt, noch auch erwartet, daß die radikalern Elemente sich der Waffenruhe anschließen würden; die Regierung habe vielmehr einerseits die Hintanhaltung ernsterer Konflikte, anderseits die Erfüllung des Sehnens einer großen Mehrheit der Bevölkerung nach Ruhe und nach Erledigung der dringenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme im Auge gehabt; die Neuwahlen bätten eine neue parlamentarische Situation geschaffen, und erdrücke seineaufrichtige Befriedigung darüber aus, daß die gemäßigten Parteien sich bereit zeigten, dem Appell der Thronrede zu folgen, indem sie mit anerkennenswerter Selbstbeschränkung das Parteiprogramm zurückstellten und sich mit der Regierung zu einer von den politischen Gegensätzen möglichst absehenden Arbeit vereinten, insbesondere daß eine große, zahlreiche deutsche Wählerschaften vertretende, bisher abseits stehende Partei, welche ausgezeichnete Fachmänner und bedeutende Kapazitäten besitze, sich wieder aktiv an den Parlamentsgeschäften beteilige. Taaffe wollte mit diesen Schmeicheleien die Deutschliberalen für sich gewinnen, ohne ihnen doch feste Versprechungen zu machen. Plener als Vertreter derselben erwiderte, die deutsche Linke habe infolge der letzten Ereignisse ihre grundsätzliche Stellung als Oppositionspartei aufgegeben und stimme demgemäß für den Dispositionsfonds ;; da sie jedoch in Taaffes Erklärung noch keine völlige Wendung der innern Politik erblicke, und da noch keine dauernde greifbare Bürgschaft, sondern nur Keime für die weitere Entwickelung vorhanden seien, so sei ihre Haltung auf die gegenwärtige Lage zeitlich und inhaltlich beschränkt.
In der That wurde der früher vielumstrittene Dispositionsfonds 24. Juni mit 186 gegen 59 Stimmen (Jungtschechen, Deutschnationale und Antisemiten) angenommen. Bei der weitern Budgetberatung kam es zu einigelt heftigen Szenen, als jungtschechische Heißfporne gegen den Dreibund und den böhmischen Ausgleich donnerten und antisemitische Abgeordnete ihren Gefühlen allzu deutlichen Ausdruck gaben.
Nachdem das Abgeordnetenhaus und das Herrenhaus! das Budget genehmigt und die Wahlen zu den Delegationen vorgenommen hatten, wurden die Sitzun^ gen des Reichvrates 20. Juli vertagt.
Das Mißtrauen der Deutschen rechtfertigte Taaffe bald durch sein Verhalten gegen die jungtschechischen Demonstrationen aus Anlaß der tschechischen Landesausstellung in Prag. Erst als die aufreizenden Reden bei den Verbrüderungsfesten mit den slawischen Deputationen zur Ausstellung alles Maß überschritten, die tschechischen Politiker und Studenten nicht bloß mit den Russen, sondern auch mit den