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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Pflanzenkrantheiten (Parasitäre Krankheiten)
ihnen von den Tieren zugefügten Verwundungen durch Bildung charakteristisch gebauter Gewebewucherungen antworten. Den Anhang stellen die Maserbildungen dar, die sich in der Mehrzahl der Fälle als Unregelmäßigkeiten im Holzbau zeigen, wozu häufig eine abnorme Vermehrung der Zweiganlagen Veranlassung gibt.
Die parasitären Krankheiten ist man vielfach geneigt, als Erscheinungen aufzufassen, die mehr oder weniger aus dem Nahmen der übrigen Lebensvorgänge heraustreten und besondern Gesetzen unterworfen wären. Thatsächlich erweist sich der Parasitismus aber nur als das Endglied einer Kette von den mannigfachen Beziehungen, in denen die Organismen zu einander stehen. Zwischen allen Organismen, die gemeinsam leben, entwickeln sich gegenseitige Beziehungen, die teils fördernd, teils hemmend für die Zusammenlebenden wirken. Schon bei den Pflanzen eines Getreidefeldes zeigen sich derartige gegenseitige Beeinflussungen. Hemmend wirkt ein Halm auf den andern, indem er ihm eine Summe von Licht und mit seinen Wurzeln einen Teil von Nährstoffen entzieht. Fördernd erweist sich der dichte Stand, indem ein Halm den andern stützt und teilweise gegen schädliche Einflüsse schützt. Bei dem vorerwähnten Beispiel der Unkräuter gestaltet sich das Verhältnis schon ungünstiger für eine Seite, weil das Unkraut den Vorteil der schnellern Entwickelung hat, also die Vorhand in der Empfangnahme von Licht und Nahrung gcwiunt. Die Verhältnisse des Zusammenlebens oder der Symbiose werden schon unlösbarere, wenn Pflanzen angewiesen sind, auf andern m wohnen (Epiphytismus).
Die Orchideen und Aroideen unsrer Gewächshäuser liefern dafür die Beispiele. In vielen Fällen werden die beiden Symbionten ohne wesentlichen Einfluß aufeinander sein; aber dieses Gleichgültigkeitsuerhältnis ändert sich, wenn der Epiphyt m solcher Massenhaftigkeit auf der tzerbergspflanze erscheint, daß dieser nicht mehr genügend Licht und Luft zugeführt werden kann. Wenn auch der Epiphyt keine organisierte, lebendige Substanz seinem Wirt entzieht, sondern vielfach an seinen Luftwurzeln besondere Vorrichtungen zur Aufnahme von Gasen und Flüssigkeiten aus der Luft besitzt, so ist dennoch diese durch ihn veranlaßte Entziehung des Lichtes für den Laubkörper des Wirtes eine nicht zu unterschätzende Schädigung.
In den bisher erwähnten Fällen handelt es sich um Pflanzen mit gut entwickeltem grünen Laubapparat, also um Individuen, die durch ihren Ehlorophyllreichtum die Fähigkeit in genügenden: Grade besitzen, rohe, anorganische Nährstoffe in organische Substanz umzuwandeln und durch diesen Prozeß das Baumaterial für die neuangelegten Organe zu beschaffen. Diesen selbständigen Pflanzen stehen solche gegenüber, die durch ihr bleiches Aussehen bereits andeuten, daß in ihnen das Blattgrün nur spärlich auftritt oder gänzlich mangelt, daß mithin ihre Kraft, rohe Bodennährstoffe zu verarbeiten, eine sehr geschwächte ist. Solche Pflanzen sind bereits auf Nahrung angewiesen, die zur Aufnahme für sie schon vorgearbeitet, d. h. die schon einmal einen: Organismus angehört hat und nun im Zerfall begriffen ist (Humus). Bei diesen Humusbewohnern sehen wir den für die Aufnahme der Bodenlösung bestimmten Apparat, den Wurzelkörper, bereits stark zurückgegangen. Von den hierher gehörigen einheimischen Orchideen besitzt z.V.die zierliche Xeotti^ Xi«w3 kvis mit ihren blattlosen, chlorovhyllarmen Stengeln noch
ein Aoventiuwurzelsystem, während die nahe verwandte (^oralloilii^ imi^t3. an ihrem korallenartig verzweigten Wurzelstock überhaupt keine wirklichen Wurzeln mehr aufweist, sondern nur noch haarförmige Pauillen aus den unterirdischen Achsenteilen hervortreibt. Der in eine den Heidekräutern verwandte Familie gehörige Fichtenspargel (KIonotroM Hvpo-M.V8) ist ein Humusbewohner, der schon an eine bestimmte Wurzel gebunden und mit der Nadelholzwurzel so eng vereinigt ist, daß man an eine parasitische Verbindung glauben muß.
Von derartigen Gewächsen, welche ihre Nahrung nur von zersetzter organischer Substanz beziehen können (Saprop hyte'n), bis zu solchm, welche ausschließlich auf das dem lebendigen Organismus noch angehörige Nährstoffmaterial angewiesen^sind (Parasiten), finden wir nun noch weitere Übergänge.
Unter unsern Wiesenpflanzen finden sich in reichlicher Verbreitung die einer Unterfamilie der Skrofulariaceen, nämlich den Rhinanthaceen, angehörigen Pflanzen, wie der Feldwachtelweizen (Hleiam^vi'liiu arven86), der Klappertopf (Kkiulmt1iu8 Oistk g'^iii), dao Läusekraut (I'oäi<Mai'i8) und der Augentrost (Iilupiii'^zi^ olüoin^iis), die durch ihre grüne, reiche Belaubung gewiß nicht den Gedanken erwecken, daß sie zu ihrer Ernährung die Beihilfe andrer Gewächse in Alispruch nehmen. Dennoch finden wir an ihnen Organe, die als fleischige, den Wurzelverzweigungen seitlich anhängende Wärzchen den Wurzeln andrer Pflanzen sich anlegen und denselben die Säfte entziehen. Erreicht nun z. B. ein derartiges Saugorgan (Haustorium) des Klappertopfes eine Graswurzel, so legt sich in der Regel die Rindenschicht des Haustoriums unter Zerstörung des Rindengewebes der Nährwurzel an die Gefäßbi'mdelscheide der letztern an. Der Gefäßkörper des Haustoriums setzt sich in direkte Verbindung mit den Gefäßbündeln der Nährwurzeln und entzieht denselben die benötigten Stoffverbindungen. .Hier ist der Parasitismus als Hilfsvorrichtung wirksam. Bei den nächstverwandten, derselben Hauptfamilie angehörigen Orobancheen ist dagegen die parasitäre Ernährung die ausschließliche.
Noch häusiger als bei den phanerogamen Pflanzen treten uns diese Verhältnisse bei den Kryptogamen, namentlich bei den Pilzen, entgegen. Hier finden wir eine beträchtliche Anzahl von Arten, darunter unsre häufigsten Schimmelpilze, welche gewöhnlich saprophytisch leben, namentlich tote Pflanzenteile der weitern Zersetzung entgegenführen. Diese Arten sind! aber keineswegs obligate Saprophyten, die unter allen Umständen an die in Zersetzung begriffene Pflanzensubstanz gebunden sind, sondern nachweisbar Organismen, welche auch das lebendige Pflan! zengewebeangreifen unozerstören können. Siebilden daher eine Mittelstufe, die wir als gelegentliche oder fakultative Parasiten zu bezeichnen pflegen.
Andre Pilze dagegen, wie z.V. die Rostpilze, können! unter keinen Umständen sich weiter entwickeln, wenn^ sie nicht in die lebendige Pflanze sich einnisten und, von derselben sich ernähren können; dies filtd die ult^ bedingten oder obligaten Parasiten.
, Wir haben somit eine Reihe von Verhältnissen gegenseitiger Beeinflussung von zusammenlebenden Pflanzen kennen gelernt und gesehen, daß der aus die Gemeinschaft der Organismen gegründete Kampf ums Dasein sich in verschiedenen Formen äußert.
Eine dieser Formen ist der Parasitismus.
Alljährlich gehen durch P.große Summen verloren, und der Wunsch, diesen Allsfall an unsern Ernten und diese dauernde Schädigung an dem National-