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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Säugetiere (Kreidesäugetiere; Winterschlaf der S.)
geschichte, wurde im selben Jahre supplierender Professor für deutsche Sprache und Litteratur in^embcrg, 1883 außerordentlicher Professor in Graz, 1886 in Prag, wo er 1891 zum Ordinarius seines Faches ernannt wurde. In seiner wissenschaftlichen Richtung gehört er zur Schule Wilhelm Scherers. Von seinen zahlreichen Schriften verdienen besondere Erwähnung: > I. W. von Brawe, der Schüler Lessings (Straßb. 1878); »Über den fünffüßigen Iambus vor Messings Nathan« (Wien 1878); Studien zur Goetbephilologie« (gemeinsam mit I. Minor, das. 1880); »Frauenbilde'r aus der Blütezeit der deutschen Litteratur« (Leipz. 1885). Als Herausgeber bewährte er sich durch Ferd. Raimunds Werke (mit K. Glossy, 2. Aufl., Wien 1891), Ewald u. Kleists Werke (Verl.
1881-83, 3 Bde.), Grillparzers sämtliche Werke (4. Aufl., Stuttg. 1887, 6 Bde.; 5. Aufl., das. 189^, W Bde.) und die Jubiläumsausgabe von Grillparzers Gedichten (das. 1891). S. bereitet eine wissenschaftliche Biographie des großen österreichischen Dichters vor.
Säugetiere. Die neuerdings entdeckten Kreidesäugetiere Amerikas (Bd. 18, S. 503) veranlaßten einen lebhaften Meinungsaustausch unter den Paläontologen. Lemoine machte darauf aufmerksam, daß dieselben eine überraschende Ähnlichkeit mit den Säugetieren darbieten, die er bei Cernay aus einer Schicht gegraben hat, die ganz deutlich tertiär ist, der Kreide auflagert und von dieser mineralogisch und durch die zahlreichen Muscheln, die sie enthält, gan^ scharf geschieden ist. Es werden sich daraus interessante Schlüsse über die Frage der geologischen Gleichzeitigkeit verschiedener Horizonte ziehen lassen, wenn das Material erst genügend gesondert ist. Hinsichtlich der zahlreichen Gattungen, die Marsh fast einzig auf das Vorhandensein verschiedenartiger Zahntypen aufgestellt hatte, ist fast gleichzeitig von Cope, Lemoine, Dames und Lydekker darauf hingewiesen worden, daß diese verschiedenartigen Zähne in vielen Fällen in einem und demselben Gebiß gesessen haben können, und Osborn hat daher die gefundenen Neste einer genauen Revision unterworfen, welche durch solche Vereinigungen und die Ausscheidung einiger Reptilzähne die Zahl der Gattungen erheblich vermindert, dafür aber die Sicherheit der daraus zu ziehenden Schlüsse erhöht hat. Unter den eingezogenen Gattungen sind ^lawcodon, ßt^oo-6011 und Oiin'ioäon zu nennen, deren Zähne sich als Reptil- oder gar als Fischzähne erwiesen haben. In andern Fällen haben zwei Gattungen in eine zusammengezogen werden müssen, weil sich die verschiedenen Zähne als Ober- und Unterzähne desselben Tieres ergeben haben. Die bei weitem meisten Zähne gehören zu den Multituberkulaten Eopes, den Vorläufern unsrer monotremen Schnabeltiere, die ähnliche Zähne in ihrem Milchgebiß haben, und es scheint daraus die Bestätigung des längst von den Anhängern der Entwickelungstheorie geforderten Schlusses hervorzugehen, daß die Gruppe der Monotremen in frühen geologischen Zeitaltern als Stammgruppe der höhern Säugetiere eine größere Entwickelung gehabt haben müsse. Darunter ist die Gattung Oiinolom^n von besonderem Interesse, da sie zwischen dem längst bekannten jurassischen fia^iaulax und dem untereocänen ?ti1oäu8 den Übergang bildet. Außer dieser Familie der Plagiaulaciden ist noch eine zweite, die Stereognathiden mit N6ni8> 00L88U8 (7o/)6 (^I'ipi'io^on und 86i6NkC0l1on ^/a?'6/i) vertreten. Die Multituberkulaten müssen aber außer diesen beiden Familien noch weitere Zweige getrieben haben, denn hie Nachkommen von ^i'is.vloslou der
Trias, die Vorläufer von 1^)1 vma^oäcm und s'Iiirox (Eocän) sind noch nicht gefunden. Ob Oitleliilwp Z und <^ims»1e8t65, deren Backenzähne denen von Mesodonten, Kreodonten, Insektenfressern und Bellteltieren in gleicher Weise ähnlich sehen, sich einer dieser Gruppen mit Sicherheit werden zuweisen lassen, ist gegenwärtig noch nicht entschieden, immerhin aber zeigen die Krcidcsäuger den jurassischen Formen gegenüber einen deutlichen Fortschritt.
Hinsichtlich des Winterschlafs der S. liegen einige Beobachtungen von Dubois u. a. vor, welche zeigen, daß die kurzen Unterbrechungen des Schlafes, die man bei Murmeltieren und andern Winterschläfern beobachtet, hauptsächlich durch den Reiz der Blase ausgelöst werden und bei der genannten Art ziemlich regelmäßig alle 15 Tage erfolgen. Während sich die Murmeltiere ziemlich indifferent gegen die Veränderungen der Temperatur, solange sie gewisse Grenzen nicht überschreiten, und andre Störungen verhalten, bewirkt die Überfüllung der Harnblase, vielleicht durch darin entstehende Ptomaine, einen Reflex auf die Atmungsbewegungen, die zahlreicher werden, Herzschlag und Temperatur (von 8-37") steigern, worauf das Tier erwacht, die Blase, welche also die Rolle eines Weckers spielt, entleert und gleich darauf wieder schlaftrunken sich einwühlt. Dubois kam nun auf die Idee, diesen Weckreiz zu unterdrücken, indem er an der Blase des Tieres eine Fistel anbrachte, welche die Anhäufung des Urins verhinderte.
So behandelte Tiere erwachten nicht mehr und verharrten ununterbrochen in ihrem Schlaf bis zum Tode. Der Siebenschläfer (M^oxus Alis) verhält sich ähnlich, nur daß er 7 Monate lang noch fester schläft als das Murmeltier und alle 1-2 Monate durch den Blasenreiz erweckt, den Schlaf für einige Augenblicke unterbricht. An dem letztern Tiere schon früher angestellte Beobachtungen, aus denen hervorgeht, daß sie i'ich während des Schlafes rein durch Reflexbewegungen zurecht tasten, hat Forel vor einigen Jahren veröffentlicht. Er setzte wiederholt seine Siebenschläfer im schlafenden Zustand auf den Gipfel der in ihrem Käfig befindlichen Tanne. Sobald ein solches Tier wieder eingeschlafen war, reichte es hin, die Fußsohle mit einem dünnen Zweige in Berührung zu bringen, um die Zehen zu einer den Zweig festhaltenden Re^ flexbewegung zu veranlassen. Losgelassen siel es wieder in Tiefschlaf, die Muskeln der an dem Zweige festgeklammerten Pfote entspannten sich allmählich, und es schien, als wenn das Tier herabfallen würde.
Aber in dem Augenblick, wo es das Gleichgewicht zu verlieren schien, durchlief eine Art von instinktiven! Blitz sein Nervensystem, und eine andre Pfote ergriff den untern, nahe in seinem Bereich gelegenen Zweig der Tanne, dergestalt, daß das Tier nur um eine Sprosse abwärts stieg. Alsdann wiederholte sich dasselbe Spiel Der Siebenschläfer schlief von neuem ein, die Pfote löste sich langsam bis zur völligen Befreiung, aber dann klammerte sich eine andre Pfote an einem tiefern Zweige fest. So stieg das Tier, ohne zu fallen, die ganze Tanne abwärts von oben nach unten, bis es auf dem Boden des Käfigs angelangt war, wo es in Lethargie liegen blieb. Das Experiment wurde mit zwei verschiedenen Siebenschläfern mehrmals und stets mit demselben Erfolg wiederholt, die Tiere fielen niemals, und Forel wurde an den Zustand von Nachtwandlern und hypnotisierten Personen erinnert, die schlafend und träumend selbst auf gefährlichen Wegen sicher wandeln. Ein vollkommen nahrungsloser Winterschlaf findet übrigens nur bei Nagern statt, die sich stark gemästet dem
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