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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Terry - Tessin
afrikanischen Webedessins und Stuckornamenten als marokkanisch bestimmt worden. In Wolle ausgeführte Exemplare sind nicht allzu selten; das schönste Beispiel dieser Art, ganz aus Seide.und von tadelloser Erhaltung, hatte der Kaiser von Österreich Zur Wiener Ausstellung eingesendet. Für die Datierung altorientalischer T. hat sich wenig Neues ergeben. Ein negatives, aber trotzdem wichtiges Resultat ermöglichte die Ausstellung in betreff der sogen. Sufandschirdteppiche. Ein in Seide mit Gold ausgeführter Teppich war von dem Orientalisten Karabacek in einer auf gründlicher Kenntnis der arabischen und persischen Litteratur beruhenden Publikation (»Die persische Nadelmalerei Sufandschird«) auf Grund von Inschriften, die im Vlumenornament verborgen sein sollten, für südpersische Arbeit des 14. Jahrh, erklärt worden. Das Ornament wies zwar mehr auf Zentralasien, das ähnliche Seidenteppiche neuerer Zeit mehrfach geliefert hat; aber die kryptographische Datierung hätte nur von orientalistischer Seite angefochten werden können.
Auf der Ausstellung erschien nun eine vollkommene Dublette, welche nachweislich erst vor einigen Jahrzehnten in Zentralasien (Chinesisch-Turkistan) gearbeitet worden war. Damit wurden die Zuweisung in das 14. Jahrh, wie die daraus abgeleiteten Folgerungen hinfällig. Man kann als Regel festhalten, daß T. aus einer frühern Zeit als dem Ende des 15. Jahrh, nicht mehr erhalten sind.
Ter N), 1) Alfred Howe, amerikan. General, geb.
10. Nov. 1827 zu Hartford (Connecticut), studierte die Rechtswissenschaft, wurde 1848 zur Advokatur zugelassen, ging während des Krimkrieges nach Europa, um dort Zeuge der militärischen Operationen zu sein, und trat 1861 als Oberst des 2. Freiwilligen-Regiments von Connecticut für die Erhaltung der Union in die Dienste der Regierung. Vei der Schlacht von Bull Run deckte er den Rückzug der Unierten, nahm an Shermans Expedition nach der Küste von Georgia teil, führte 1863 eine Brigade, 1864 eine Division und errang sich seinen geschichtlichen Ruhm durch Erstürmung des kurz vorher vergeblich von General Butler belagerten, stark und tapfer verteidigten Fort Fisher am nordcarolinischen Hafenplatz Wilmington, worauf ihm ein besonderer Kongreßbeschluß »für die unübertroffene Tapferkeit, Geschicklichkeit und unerschütterliche Hingebung ans Vaterland inmitten der größten Schwierigkeiten und Gefahren« öffentlichen Dank aussprach. In jenem Fort verloren die Konföderierten ihren letzten Seohafenplatz, und daher trug Terrys That viel zum endlichen Zusammenbruch des Südbundes bei. Als Korpsbefehlshaber nahm er an Shermans Schlußfeldzug in Nordcarolina teil und blieb, schon vor Beendigung des Krieges zum Generalmajor der Freiwilligen sowie zum Brigadegeneral der regulären Armee ernannt, auch während des Friedens im stehenden Heere. 1876 rettete er die Truppen Renos vor der Vernichtung durch die über Custers Niederlage siegestrunkenen Sioux, 1886 ward er einer der drei Generalmajore der Armee, indem er den Oberbefehl über die Militärdivision des Missouri mit dem Hauptquartier Chicago übernahm, trat 1888 in den Ruhestand und starb 16. Dez. 1890 zu New Haven in
Connecticut.
2) Miß Ellen Alice, engl. Schauspielerin, geb.
27. Febr. 1848 Zu Coventry, debütierte am Londoner Prinzeß-Theater, dem sie mehrere Jahre treu blieb, und nahm dann nacheinander Engagements am Royalty-, Haymarket- und Queens-Theatre an. An
letzterm unterbrach sie ihre künstlerische Thätigkeit7 Jahre lang gänzlich, um sie danach zunächst an demselben Theater, sodann an den Bühnen des Prince of Wales-, des Court- und des Lyceum-Theatre fortzusetzen. Mit Irving und andern Mitgliedern des letztgenannten Theaters unternahm sie 1883 und 1884 Kunstreisen nach den Vereinigten Staaten und Kanada. 1889 führte sie eine Kunstreise auch nach Deutschland. Sie glänzt besonders in Shakespeareschen Rollen (Ophelia, Portia, Julia, Beatrice 2c.).
Tessin, schweizer. Kanton. Gegen Ende 1890 hatte es den Anschein, als ob unter der wohlthätigen Einwirkung der eidgenössischen Intervention in dem Zerrütteten Kanton eine versöhnlichere Stimmung Platz greife. Am 25. Nov. einigten sich die Vertreter beider Parteien im Großen Rate dahin, daß für die bevorstehenden Wahlen zum Verfassungsrate das proportionale Wahlverfahren in Anwendung kommen sollte, und 5. Dez. wählte die zu zwei Dritteln konservative Behörde an die Stelle der zurückgetretenen konservativen Staatsräte Respini und Bonzanigo zwei Liberale, so daß nun eine gemischte Regierung an der Spitze des Kantons stand, welche für unparteiische Handhabung von Verfassung und Gesetz bessere Garantien bot. Deshalb ließ der Bundesrat 19. Dez. 1890 die eidgenössische Besetzung des T. aufhören; doch wurde 8. Jan. 1891 eine Unteroffizierschule nach Bellinzona verlegt und deren Truppen dem eidgenössischen Kommissar, Oberst Künzli, zur Verfügung gestellt. Leider erwiesen sich aber die Hoffnungen auf größere Verträglichkeit der Parteien als trügerisch. '' Bei den 11. Jan. 1891 stattgefundenenWahlen zum Verfassungsrat beschlossen die Liberalen völlige Wahlenthaltung, indem sie ihre Gegner illoyaler Kniffe beim Proportionalverfahren beschuldigten. Die Folge war, daß der Verfassungsrat aus lauter Konservativen zusammengesetzt wurde. Dieser nahm eine partielle Revision der Verfassung vor, die aber den Wünschen der Liberalen begreiflicherweise nicht entsprach, weshalb diese die Parole der Verwerfung ausgaben. Als dennoch in der Volksabstimmung 8/März 1891 die Verfassungsänderung mit 11,291 gegen 10,764 Stimmen gutgeheißen wurde, stellten die Liberalen das neue Werk sofort wieder in Frage, indem sie der Regierung ein andres, mit 8728 Unterschriften bedecktes Revisionsbegehren einreichten. In der Erkenntnis, daß ein "dauerhafter Verfassungszustand unmöglich das Werk einer einzigen Partei sein könne, unterstützten auch 63 konservative Mitglieder des Großen Rates den Antrag auf Revision, der 14. Juni 1891 vom Tessiner Volk fast einstimmig angenommen wurde. Die Verfassungsratswahl wurde auf den Monat März 1892 angesetzt. So steht der Kanton seit der Revolution vom 11. Sept. 1890 in einer beständigen Verfassungskrisis. Doch hatten sich unter der gemischten Regierung, deren Präsident Soldati, ein gemäßigter Konservativer, unermüdlich im Ginne der Versöhnung wirkte, die Zustande so weit gefestigt, daß die gesetzlichen Schranken nirgends mehr durchbrochen wurden, und daß infolgedessen der Bundesrat 3. April 1891 seinen Kommissar abberufen konnte, womit einstweilen die eidgenössische Intervention ihr Ende gefunden hat.
Neuen Anlaß zur Aufregung der Gemüter bot die eidgenössische Strafuntersuchung, die sowohl gegen die (liberalen) Urheber des Septemberaufstandes als gegen eine Anzahl der Wahlbestechung und des Wahlbetrugs angeklagte (meist der konservativen Partei angehörende) Personen angehoben worden