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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Tollwut (Impfung etc.)
Volta bestimmt wird, um dann nach W. auf dem gedachten Breitengrade bis zum Bolta fortgeführt zu werden. Von diesem Punkte an geht sie am linken Ufer des Volta hinauf, bis sie die in dem Abkommen von 1888 vereinbarte neutrale Zone erreicht, welche bei der Einmündung des Dakkaflusses in den Volta ihren Anfang nimmt. Auf diese Weise wurde der nördliche Teil der streitigen Landschaft Krepi mit Kpandu Deutschland, der südliche mit Peti England zugeteilt. Die Zahl der Nichteingebornen im Togogebiet Anfang 1891 war 35, worunter 30 Deutsche.
In Klein-Popo wohnten 15, in Lome 7 Fremde. In den ersten 9 Monaten des Jahres 1891/92 betrug die Einfuhr 1,453,742, die Ausfuhr 2,342,707 Mk., 'eine außerordentliche Steigerung gegen die Vorjahre, was namentlich der schnell wachsenden Ausfuhr von Palmöl und Palmkernen beizumessen ist. Es liefen 1889/90 die Reede von Klein-Popo an 131 Schiffe von 136,615 Ton., darunter 58 deutsche (53 Dampfer) von 69,262 T., außerdem 3 deutsche Kriegsschiffe. Zur Einführung der Kultur von Baumwolle und Kaffee wurde von der Reichsregierung ein in Samoa als Pflanzer thätig gewesener Deutscher entsandt, welcher Versuchsgärten bei Klein-Popo anlegte und eine Anzahl angesehener Eingeborner zur Anlage von solchen Pflanzungen sowie von Kokospalmen veranlaßte. 1891 gelang es auch, deutschem Nickelgelde eine bevorzugte Aufnahme bei der Bevölkerung zu verschaffen.
Tollwut. Die sehr verschiedene und oft erstaunlich lange Inkubationszeit der T. hat Gibier damit zu erklären gesucht, daß das Wutgift nur auf dem Wege der Nervenbahnen vordringe und daß die Krankheit erst dann zum Ausbruch komme, wenn das Zentralnervensystem erreicht sei. Daß thatsächlich das Wutgift auf dem Wege der Nervenstämme weiterschreitet, wurde durch Vesteaund Zagariexperimentell erwiesen. Über die Naturdes Kontagiums weiß man noch gar nichts, doch sind durch Pasteur sehr wichtige Eigenschaften desselben festgestellt und praknsch verwertet worden. Er hatte 1880 gefunden, daß der Sitz des Wutgiftes das Zentralnervensystem ist, und daß trepanierte Kaninchen durch Impfung unter die Hirnhaut sicher wutkrank gemacht werden können. Auch gelang es ihm, in Ermangelung von Reinkulturen des noch nicht isolierten Kontagiums die Wirkung desselben durch verschieden langes Trocknen von Rückenmark, in welchem es enthalten war, beliebig abzuschwächen. Als Tiere mit derartigem abgeschwächten Material geimpft wurden, zeigte sich, daß sie gegen nachfolgende Impfungen mit ungeschwächtem Material unempfänglich, immunisiert waren. Von wutkranken Tieren gebissene Tiere konnten durch Impfung vor Ausbruch der T. bewahrt werden. 1885 wurde die erste Impfung am Menschen, und zwar an einem Knaben ausgeführt, der von einem wütenden Hunde furchtbar zerbissen worden war. Der Versuch gelang, die T. kam bei dem Knaben nicht Zum Ausbruch, und seitdem wurde das Pasteursche Verfahren mit immer größerm Erfolg angewandt. Das Impfmaterial gewinnt Pasteur aus dem verlängerten Mark eines wutkranken Hundes.
Wird mit dieser das Gift enthaltenden Substanz (Siraßengift) ein trepaniertes Kaninchen unter die barte Hirnhaut geimpft, so erkrankt es nach 2-3 Wochen, und wenn man dann von Kaninchen zu Kaninchen weiter impft, so erfährt das Gift eine Steigerung seiner Wirksamkeit, welche fich durch Abkürzung der Inkubationszeit zu erkennen gibt. Hat 5as Gift 40-50 Kaninchen passiert, so ist die Inkubationszeit auf 6-7 Tage gesunken, und das Gift
zeigt nun eine große Beständigkeit (vii'ns Kxs). Das abgeschwächte Impfmaterial erhält man aus diesem letztern Präparat, indem man das Rückenmark der demselben erlegenen Kaninchen in sterilisierten Flaschen bei 25" trocknen läßt. Die Wirksamkeit erlischt innerhalb 14 Tagen vollständig.
Bei der Impfung beginnt man mit sehr schwachem Gift und läßt in bestimmten Zeiträumen Impfungen mit immer stärkerem und zuletzt mit vollkräftigem Gift folgen. Diese Impfung erfordert viel Zeit, und während der Ausführung derselben kann das Straßengift sich im Körper unheilvoll ausbreiten. Pasteur führte deshalb ein verstärktes Verfahren ein, indem er die Impfungen mit immer kräftigerm Material innerhalb 24 Stunden ausführte. Besonders bei Bißwunden im Gesicht ist dies neue Verfahren von Bedeutung, da hier wegen der kürzern Nervenstämme das Inkubationsstadium schneller abläuft als bei Bißwunden an den Gliedmaßen.
Gegen die Pasteursche Statistik seiner Erfolge sind anfangs vielfache berechtigte Einwendungen erhoben worden. Nach Bollinger erkranken und sterben 47 Proz. der von notorisch wütenden Hunden gebissenen Menschen. Rechnet man die Bisse durch wutverdächtige Hunde hinzu, so sterben nur 8 Proz. der Ge- bissenen. Auf 1362 von wütenden, bez. wutuerdächtigen Hunden Gebissene kommen 105 Todesfälle.
Wird die von wütenden Hunden herrührende Bißwunde rechtzeitig geätzt, so beträgt die Sterblichkeit nur 33 Proz. Bißwunden im Gesicht haben dagegen eine solche von 90 Proz. Gegenwärtig gibt Pasteur folgende Zahlen an: Rechnet man die geringste bicher angenommene Sterblichkeitvon 16 Proz., so hätten von den im Pasteurschen Institut geimpften, von sicher wutkranken Hunden gebissenen 2164 Menschen 346 sterben müssen; es starben aber nur 29. Ferner beträgt die Sterblichkeit bei Bissen durch Wölfe 60-80 Proz., bei Pasteurscher Behandlung nur 14 Proz.; Bisse ins Gesicht haben 88 Proz., bei Pasteur nur5 Proz. Sterblichkeit. Nach Dujardin-Beaumetz wurden 1887: 306 Personen im Institut behandelt; von diesen starben 2; dagegen starben in demselben Zeitraume von 44 nicht bei Pasteur behandelten Personen 7. Im I. 1888 starben von 385 behandelten Personen 4, von 105 nicht behandelten 14.
Von größter hygienischer Bedeutung würde die ursprünglich bezweckte Immunisierung der (nicht ge- bissenen) Hunde sein. Sie würde die Schutzimpfung der gebissenen Menschen bald überflüssig machen.
Nun ist es Pasteur zweifellos gelungen, Hunde nicht nur gegen das Straßengift, sondern auch gegen das virn8 6x6 durch Trepanation Zu immunisieren. Die Immunisierung ist aber anscheinend nicht von langer Dauer, und eine etwa alljährlich auf sämtliche Hunde ausgedehnte Wiederholung der Schutzimpfung würde kaum durchführbar sein. Mit Recht weist daher die Pasteursche Schule selbst auf die Bedeutung und Dringlichkeit der sanitätspolizeilichen Vorschriften gegen die T. der Hunde hin. In Berlin wurde durch Hundesteuer, Beißkorbzwang und eventuelle Hundesperre erreicht, daß in 4 Jahren kein Fall von 2". bei Menschen vorkam. Es erlagen der T. im Deutschen Reich 1888: 397 Hunde und 2 Menschen, in Frankreich in demselben Jahre 863 Hunde, und unter den 1886-89 ini Pasteurschen Institut Behandelten befanden sich 6350 Franzosen. Nach diesen Zahlen ist über die Prophylaxe der T. nichts mehr zu sagen.
Die segensreiche Wirkung einer straffen Handhabung guter sanitätspolizeilicher Vorschriften steht außer Zweifel, und die Frage der Errichtung von Institu-