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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Troja (Thatbestand des Nekropolenstreites)
nicht mehr als ca. 100 m lang und breit, von N. nach S. vielleicht noch weniger: eine Fläche, welche ungefähr dem Berliner Zenghanse entspricht (Fig. 2). Eine Vergleichung mit mittelalterlichen Burgen aber, welche Durm anstellt, ergibt, daß eine ganze Reihe von ihnen nicht größer war. Somit brauchen wir an Trojas Kleinheit uns nicht zu stoßen; nur ist festzuhalten, daß der Hissarlikhügel nur die Burg des Königs war, die Trojaner werden ringsum in offenen
Fig. 2.
Icuahlius in Berlin.
Troja.
Dörfern, höchstens durch Graben und Palissaden ge- ^ schützt, gewohnt haben, wie dies z. B. auch in Tirnns j und Mykenä der Fall war. Die Burgmauer bestand ! aus einem Unterbau von Hausteinen, zum Teil stark geböscht, um dem Erddrucke Widerstand zu leisten, ! an gefährdeten Stellen durch nahe aneinander liegende! Türme von kleiner Grundfläche noch verteidigungs- ^ fähiger gemacht, ähnlich wie die Stadtmauern assy- ^ rischer und syrischer Städte, die wir kennen, durch i zahlreiche, nahe aneinander liegende kleine Türme verstärkt waren. Auf dem Unterbau von Bruchsteinen erhob sich eine senkrechte Mauer von an der Luft getrockneten Lehmziegeln, welcher durch eingelegte hölzerne Querbalken festerer Halt gegeben war. Bei dem Brande der Burg gerieten auch sie in Brand, und
Alg. 3. Schi,! thiigel von Hissar Iik l Troja). Nach Dnr m.
die umgebenden Lehmziegeln verschluckten oder verglasten dann. Daher die Asche und die verglasten Ziegelbrocken. Die Luftsteine haben eine Dicke von ^0-15 cm bei einer Länge bis zu 65 cm; die Thorschwellen der Gebäude bestanden aus großen Platten von Kalkstein, die Thüren waren mit Holzbalken verkleidet, welche zur Sicherung gegen die Nässe des Bodens auf erhöhten Steinplatten ruhten. Auch sie trugen zur Erzeugung der Aschenschicht beim Brande bei. Die aus verschiedenen Materialien kreuz und quer übereinander ausgeführten Mauern, welche die olienstehende Abbildung (Fig. 3) zeigt, beweisen zweifellos, daß wir es nicht mit Bauwerken aus einer Zeit zu thun haben, sondern daß verschiedene Katastrophen über den Burghügel weggegangen sind, welchen verschiedene Ansiedelungen folgten, von denen die eine auf den Trümmern der andern ihre Bauwerke aufführte; denn es stehen nicht Grundmauern auf Grundmauern.
Nach Dörpfelds ausgezeichnetem Berichte und seinem sorgfältigen und übersichtlichen Stadtplane lag auf dem natürlichen Felsboden eine ärmliche Niederlassung ,, deren Nest auf der Sohle des großen von Schliemann durch den ganzen Hügel gezogenen Nordarabens zum Vorschein kamen. Sie wurde völlig überbaut von der zweiten Schicht, der Pergamos von Troja. Die zweite Niederlassung war die bedeutendste aller gefundenen Schichten. Auch in ihr aber lassen sich drei Perioden von Neubauten und Umänderungen unterscheiden, namentlich in den drei noch nachweisbaren Burgmauern. Das Niveau hat sich während der drei Perioden nur wenig verändert.
Die älteste, erst 1890 aufgefundene Mauer hatte zwei Thore auf der Südseite (die Nordseite ist leider verloren), welche sich wesentlich von den Thoren der spätern Perioden unterscheiden. Während nämlich bei den spätern Thoren das Thor am obern Rande des Burghügels liegt und eine Rampe oder treppenförmiger Weg zu ihm hinaufführt (vgl. die Abbildung), liegen die ältern Thore am Fuße des Burghügels, sind mit einem mächtigen Turm überbaut, und der Thorweg führt erst im Innern der Burg allmählich zum Burgplateau hinauf. Später errichtete man ein wenig weiter außerhalb eine neue Burgmauer, wobei die alten Thore in Fortfall kamen, und man die beiden neuen Thore mit den Rampen symmetrisch neben die ältern setzte. Sie zeigen eine so grundverschiedene Bauart, daß sie wohl unter einem von außen kommenden Einfluß entstanden sind. Neben dem alten Westthore fand man 1890 noch eine kleine Ausfallspforte.
Noch einen dritten Umbau erfuhr die Burgmauer, wobei die uach dem Stadtplateau errichtete Strecke mit den nahe bei einander liegenden Türmen verstärkt wurde. Die Mauer hatte, als sie noch unverletzt stand, mit Unterbau, Ziegelmauern und Galerie etwa eine Höhe von ca. 16 in und mag so einem früh lebenden, in der Belagerungskunst nicht geübten Geschlechte, wie dies nach den Homerischen Schilderungen die erobernden Griechen waren, derart imponiert haben, daß sie dieselbe für ein Werk der Götter hielten.
Wer durch den langen Thorgang des Südostthores das Innere der Burg betreten hatte, sah sich vor einer Abschnittmauer, durch welche ein kleines Thor zum Hauptraume der Burg führte. Diese Abschnittmauer, von der freilich nur ein Stück gefunden ist, ist an der Innenseite mit Strebepfeilern besetzt, welche vermutlich ein weitvortretendes Dach getragen haben. Der Ho/ war also wahrscheinlich wie in Tiryns mit Hallen umgeben. Die dem Thore gegenüberliegenden Gebäude bestehen aus einer Vorhalle und dem dahinter liegenden großen Herrengemache. Die Wandvorsprünge haben zwar steinerne Basen, auf welchen Holzpfosten, den spätern Arten entsprechend, sich erheben, aber zeigen keine Spur der Anwendung von Säulen. Die Kulturschicht, welcher sie angehören, kennt noch keine gemeinsamen Hausmauern, wenn zwei Gebäude nebeneinander stehen, sondern die Bauten sind durch ganz schmale Gänge voneinander getrennt, wie dies auch in Tiruns und Mykenä zu beobachten ist (der sogen, amditug, Umgang, Traufgang).
Über die Einzelfunde, den reichen Goldschmuck, welchen Schliemann früher fand, ist nichts Neues zu sagen; wichtig ist, daß an einem Gebäude außerhalb der Burgmauer Vasen mykenischen Stiles gefunden wurden, wodurch dieses auf ca. 1400 v. Chr. datiert ist. Eine genaue Publikation über die neuen Ausgrabungen mit allen architektonischen Details, den Vasenscherben zc. ist in Aussicht gestellt