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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Vereinigte Staaten von Nordamerika (Geschichte)
die Vereinigten Staaten gedeutet werde. Die von der Regierung der Vereinigten Staaten gestellten Bedingungen enthielten Drohungen, welche, wenn sie auch nicht mit Bitterkeit abgewiesen würden, doch unannehmbar seien. Präsident Harrison sagte in seiner Botschaft, die ernste Bedeutung jener Blutthaten in Valparaiso liege darin, daß sie durch Feindseligkeiten gegen die Baltimoreleute als Matrosen, welche die Uniform der Vereinigten Staaten trügen, und nicht als Individuen verursacht seien. Der chilenische Minister des Auswärtigen erklärte hierauf in einem Rundschreiben an die Vertreter Chiles im Auslande die Informationen, auf denen die Darlegungen in der Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten beruhten, als geflissentlich unrichtig dargestellt und wies seine Vertreter an, den richtigen Sachverhalt zu veröffentlichen. Zugleich wurde die verletzende Sprache des amerikanischen Gesandten Egan hervorgehoben. »Das chilenische Amt des Auswärtigen habe niemals eine Angriffspolitik verfolgt, werde jedoch auch niemals eine Politik der Erniedrigung gutheißen.« Zu einem Kriege zwischen den beiden Republiken wird es wohl nicht kommen; jedenfalls find aber durch diese gänzlich verunglückte Politik Chile gegenüber die panamerikanischen Pläne Plaines vollständig zu Wasser geworden, und somit braucht Deutschland eine Beeinträchtigung seiner Ausfuhr nach Mittel- und Südamerika vorläufig nicht Zu befürchten.
Auch in der schon in unserm vorjährigen Bericht erwähnten Beringmeerfrage bewies Vlaine kein sonderliches diplomatisches Geschick. Er bemühte sich, den ganzen Streit auf die Frage hinauszuspielen, ob unter dem Ausdruck »Stiller Ozean«, wie er in den Verträgen von 1824 und 1825 vorkäme, das Beringmeer mit einbegriffen sei, wie Großbritannien behaupte, und versuchte den Beweis zu führen, daß man damals mit jenem Ausdruck das Beringmeer, das -»See von Kamtschatka« geheißen, nicht mit umfaßt hätte. Nun rief England im Juni 1891 ganz unerwarteterweise das Oberbundesgericht in Washington selbst zur Entscheidung der Streitfrage an.
Es unterbreitete den Fall eines im Beringmeer beim Robbenfang beschlagnahmten kanadischen Schoners der Jurisdiktion jenes Gerichtshofes, um so ein unanfechtbares gerichtliches Urteil herbeizuführen.
Allein der Generalanwalt der Vereinigten Staaten wendete dagegen ein, daß die Sache eine politische sei, und bestritt die Zuständigkeit jenes Gerichtshofes.
Endlich einigten sich England und die Union dahin, die streitigen Punkte einem Schiedsgericht vorzulegen und den gesamten Robbenfang auf den Pribulowinseln bis zum 1. Mai 1892 auf die für die Ernährung der Bewohner erforderliche Stückzahl zu beschränken, im übrigen aber bis dahin überhaupt zu untersagen. Im Frühjahr 1892 trat in Paris ein siebenköpfiges Schiedsgericht zusammen, dessen Entscheidung zur Zeit (Juni 1892) noch aussteht.
Die Vorarbeiten zum Nicaraguakanal haben zufolge der Botschaft des Präsidenten Fortschritte gemacht. Es sei im höchsten Grade das Interesse der Vereinigten Staaten, daß dieses Werk in möglichst kurzer Frist und mit möglichst geringem Kostenaufwand zu Ende geführt werde. Der dem Volke erwachsende Gewinn aus Frachten und die Ersparnisse der Regierungen beim Verkehr der Flotte würden die Kosten des Kanals binnen kurzer Zeit einbringen. Nur die Garantie der Vereinigten Staaten könne denKanalaktienzu3Proz.den nötigen schnellen Verkauf sichern, nur so könne die Wasserstraße auf
ihre Kosten kommen und Dividenden zahlen. Darum solle die Regierung diesem überaus wichtigen Unternehmen direkt mit Geld beistehen. Die Garantie der Aktien lasse sich ohne Gefahr leisten, und es müsse die Bedingung gestellt werden, daß der Kanal bis zu einer bestimmten Zeit fertig werde, und daß die Vereinigten Staaten die erste Hypothek erhalten, während gleichzeitig das Vermögen der Gesellschaft unter Aufsicht zu stellen sei.
Im engsten Anschluß an die Farmerbund bewegung (s. Bd. 18, S. 960f.) wurde 20. Mai 1891 in Cincinnati die »Volkspartei der Vereinigten Staaten von Amerika« gegründet, die sogen, dritte Partei, und zwar durch eine Konvention, die vorwiegend die unzufriedenen Elementeder Vevölkerungvon achtwestlichen Staaten umfaßte. Das Programm derselben deckt sich im allgemeinen mit demjenigen der Farmerbündler, geht aber in manchen Punkten noch über dieses hinaus. Anfang 1892 gedachte sich diese Partei vollständig zu organisieren, indem sie die Farmerbündler, die Arbeitervereinigungen, die Sozialisten, dte Weiberrechtler, kurzum alle mit den bestehenden beiden großen Parteien (Republikaner und Demokraten) unzufriedenen Faktionen zusammenziehen wollte, um womöglich zur Aufstellung eines eignen Präsidentschaftskandidaten zu schreiten.
In Utah haben sich die Bundesgesetze zur Unterdrückung der Vielweiberei bewährt, aber der Bund soll seine Machtbefugnis in diesem Punkte nicht eher aufgeben, als bis der Beweis erbracht ist, daß in dem Territorium, wenn es Staat geworden sein wird, die nämliche Befugnis vom Volke in dem gegenwärtigen Sinne ausgeübt würde. Das Zivildienstgesetz, welches vielfachen Angriffen ausgesetzt ist, wird auch in der Botschaft des Präsidenten als nicht makellos bezeichnet, doch wirke es, unparteiisch angewendet, weit besser als die Vergebung der Stelle:: durch bloße Gunst. Es sei jetzt.auch auf die Oberaufseher, Lehrer, Matronen und Ärzte des Indianerdienstes ausgedehnt worden und werde auch auf die Klerks in den verschiedenen Departements Anwendung finden. Leider hat Harrison selbst in seiner Ämterbesetzung unverantwortlich gegen diesen Grundsatz gesündigt.
Mit Belgien, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz sind unter den Bedingungen des Gesetzes vom8.März 1891 Verträge über inteicn^ionales Verlagsrecht abgeschlossen worden, mit Deutschland 15. Jan. 1892 ein Übereinkommen, das den gegenseitigen Schutz des Urheberrechts bezüglich der Werke der Litteratur und Kunst sowie den Schutz der Photographien den Bürgern beider Staaten sichert.
Dies Übereinkommen wurde 15. April 1892 ratifiziert (vgl. Urheberrecht).
Am 7. Dez. 1891 wurde der 52. Kongreß eröffnet und Charles Crisp (s.d.), ein Demokrat aus Georgia, zum Sprecher des Repräsentantenhauses gewählt.
Im Kabinett des Präsidenten wurden durch den Tod des Finanzministers Windom, 29. Jan. 1891, und durch den Austritt des Kriegsministers Proctor Veränderungen hervorgerufen; für erstern trat Foster (s. d.) aus Ohio, für letztern Elkins ein, einer von Plaines getreuesten und thätigsten Anhängern.
Zur Litteratur: A. F. Bandelier, Ni8toi'v of t1i6 80iM^v68t-6rn Portion of tli6 Unitkä 3tat65 (Cambridge 1891); A. Bro wn, 1^6 ss6ii68i8 0t tkft Uniwd slat68 (Boston 1890, 2 Bde.); I. Fiske, ^Ii6 ^msiicaii Involution (das. 1891, 2 Bde.); W.
G. Sumner, 1k6 ünanoier lmci tks Knknc68 ot tk6 ^mericnn Involution (New Jork 1891, 2 Bde.);