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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Abendmahl

Strafgericht. Daher vergleicht er seinen Leib mit dem Passahlamm, sein Blut mit dem Blute des Lammes, das an die Thürpfosten der israel. Häuser gestrichen zu werden pflegte. Die Symnbolik der Handlung hat ihre Vorgänge an zahlreichen Beispielen des Alten Testaments, aus denen auch die vielumstrittenen Ausdrücke Jesu: "Dies ist mein Leib", "Dies ist mein Blut", ihre einfache sprachliche und sachliche Erklärung finden. (Vgl. z. B. 1 Kön. 11, 29 fg.; 22, 11; 2 Kön. 13,15-17; Jes. 8, 1-4-, 20, 1 fg.; Jerem. 13, 1 fg.; 19, 1 fg.; Kap. 27 und 28; Ezech. 5,1-5 u. ö.) Nicht die Worte als solche, die ganze Handlung bat symbolische Bedeutung: das Brotbrechen, das Erheben des Kelchs mit Wein, die Darreichung von Brot und Wein. "Das Gebrochene", dies ist der Sinn seiner Worte, "und euch Dargereichte ist mein Leib", "das (Ein- oder Ausgegossene), was ich euch allen zu trinken gebe, ist mein Blut, das für viele vergossen wird". Das heißt: "Wie ich euch (symbolisch) das Brot breche und den mit Wein gefüllten Kelch erhebe und euch beides darreiche zum Genuß, so wird mein Leib im Tode gebrochen, mein Blut vergossen zu euerm Besten." Von einer eigentlichen "Einsetzung" des A. wissen die ältesten Berichte (bei Matthäus und Markus) nichts; die Worte: "Dies thut zu meinem Gedächtnis", hat zuerst Paulus und nach ihm Lukas hinzugefügt; doch entspricht diese Wiederholung dem Geiste und der ursprünglichen Bedeutung der Feier. Auch die Zusätze: "Der (das) für euch gegeben (gebrochen) wird" und "Zur Vergebung der Sünden", sind spätern Ursprungs, ebenso der Ausdruck: "Dies ist das Neue Testament in meinem Blut", wofür die ältern Texte "mein Bundesblut" lesen.

Der Eindruck dieses letzten Mahles führte nach dem Hingange Jesu zur täglichen Wiederholung der Feier, durch welche die Gemeinde, wie Paulus sich ausdrückt, "den Tod des Herrn verkündigte, bis daß er komme". Indem die ältesten Cbristen täglich in den Häusern zusammenkamen, das Brot zu brechen, ward ihnen jede gemeinsame Mahlzeit von selbst zu einer Gedächtnisfeier von Christi A. Auch in den neugestifteten Christengemeinden erhielt sich die Sitte dieser Liebesmahle (s. d.). Als die förmlichen Mahlzeiten wegen Mißbrauchs beseitigt werden mußten, wurde doch das Mahl des Herrn als Höhe- und Schlußpunkt jeder gottesdienstlichen Feier beibehalten und bald als das heiligste Geheimnis des Christenbundes betrachtet, von dem man Ungetaufte und Unwürdige ausschloß. Die Beziehung der heiligen Handlung auf den Mittelpunkt des christl. Glaubens gab den Anlaß, daß man das A. bei jeder wichtigern Handlung des Lebens beging.

Im Zusammenhange mit dieser gesteigerten Bedeutung der Abendmahlsfeier steht die früh damit verbundene Vorstellung des Mystischen und Wunderbaren. Die Jünger hatten bei dem letzten Mahle Jesu seine Worte und Handlungen nur svmbolisch verstehen können; weder an eine wirkliche Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut, noch an eine geheimnisvolle Gegenwart des "verklärten" Leibes in und unter den Abendmahlsstoffen erlaubte ihnen die ganze Sachlage bei der Feier zu denken. Auch Paulus sieht in der Abendmahlshandlung nur eine geistige Gemeinschaft der Abendmahlsgenossen mit dem gekreuzigten Leibe und dem am Kreuze vergossenen Blute Christi, woran sich ganz von selbst der Gedanke anschließt, daß die heilige Feier zugleich eine Gemeinschaft sei mit dem "my-

stischen" Leibe des Herrn, oder daß der gemeinsame Genuß des Einen Brotes die Tischgenossen zu Gliedern des Einen Leibes mache, dessen Haupt Cbristus sei (vgl. 1 Kor. 10, 16. 17). Noch der Verfasser des Johannes-Evangeliums läßt Jesum in Worten, die sich nur auf das A. beziehen können, die Vorstellung eines leiblichen Essens und Trinkens seines Fleisches und Blutes ausdrücklich zurückweisen und den dunkeln Ausdrücken geistige Bedeutung unterlegen, da das Fleisch nichts nütze sei (Job. 6, 53-63, vgl. mit V. 27 fg., 48 fg.).

Dagegen begegnet schon bei Justinus Martyr (um 150) und Irenäus (gest. um 202) die Ansicht, daß zu dem Brote und Weine etwas Höheres, zu dem Irdischen etwas Himmlisches hinzutrete. Die hier erst angedeutete Ähnlichkeit zwischen der Verbindung des Einsetzungswortes, als eines himmlischen Bestandteils, mit dem irdischen Brote und Weine, und der Verbindung des "wesentlichen Wortes" oder der göttlichen Person des Sohnes mit der irdischen Menschennatur, führte allmählich zu der weitern Vorstellung, daß durch einen der Menschwerdung entsprechenden, wunderbaren Vorgang Brot und Wein zu Leib und Blut des Gottmenschen werde, und schon im 4. Jahrh. hat die förmliche Verwandlungslehre namhafte Vertreter. Daneben findet sich noch die figürliche Auffassung des A. im 3. Jahrh. bei Origenes, Tertullian und Cyprian, und noch im 5. Jahrh. bei Augustin. Aber die magische Vorstellung ward noch gesteigert durch die seit der Mitte des 3. Jahrh. aufgekommene Vorstellung von der Darbringung des gesegneten Brotes und Weines auf dem Altar als einer unblutigen Wiederholung des blutigen Opfers Christi am Kreuze ("Meßopfer"). Der insbesondere durch Papst Gregor d. Gr. (590 -604) sich entfaltende Glanz der "Messe" (s. d.) ließ immer mehr in diesem Meßopfer den Höhepunkt aller kirchlichen Wunder erblicken. Doch blieb die Lehre der Kirche noch längere Zeit zwischen der entschiedenen Verwandlungslehre und der andern Ansicht geteilt, daß Brot und Wein, ohne ihre Eigentümlichkeit aufzugeben, auf geheimnisvolle Weise mit Leib und Blut Christi verbunden sei (wie auch Gelasius I. lehrte). Ein förmlicher Lehrstreit entbrannte gegen die Mitte des 9. Jahrh. zwischen dem Abt zu Corbie, Paschasius Radbertus (s. d.) und dem Mönche Ratramnus (s. d.) und im 11. Jahrh. zwischen dem Erzbischof Lanfranc und Berengar von Tours (s. d.). Der offizielle Sieg der konsequenten Verwandlungslehre (transsubstantiatio seit dem 12. Jahrh.) erfolgte auf der Synode zu Rom (1079). Auf der vierten Lateransynode (zu Rom 1215) wurde unter Innocenz III. die Transsubstantiation sanktioniert. Die morgenländ.-orthodoxe Kirche hat sich derselben Ansicht 1072 auf der Synode zu Jerusalem angeschlossen.

Durch die Reformation trat der Streit über den Sinn des A. wieder in den Mittelpunkt des theol. Interesses. Schon einige der sog. Vorreformatoren, namentlich Wiclif, ihm folgend Hieronymus von Prag, ebenso Wessel (s. d.), hatten Einwände gegen die Transsubstantiationslehre erhoben. Die Reformatoren, obwobl einig in der Verwerfung der kath. Abendmahlslehre, gingen wieder auseinander in ihren eigenen positiven Anschauungen. Luther lehrte eine leibliche Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in und unter dem in seiner Substanz unveränderten Brote und Weine und einen mündlichen Genuß von Leib und Blut, der den gläubig